Wer macht die unbeliebten Arbeiten? Zum blinden Fleck des Grundeinkommens

Das Grundeinkommen ist eine wunderbare Idee, wie ich finde. Es würde helfen, eine Menge ungelöster Fragen zu beantworten. Hätten wir ein Grundeinkommen, bräuchten wir uns nicht mehr über Hartz IV zu ärgern, könnten das Urheberrecht entsorgen, wären weniger erpressbar im Hinblick auf „Arbeitsplätze abbauen“ und so weiter. Dass das Grundeinkommen eine Idee ist, die sich auch sehr gut mit feministischer Wirtschaftsethik verträgt, habe ich zusammen mit politischen Freundinnen bereits 2004 in einem Text geschrieben. Allerdings darf man nicht meinen, das Grundeinkommen wäre so eine Art Wunderrezept, das uns ganz automatisch ins Paradies bringt. Insbesondere ein Aspekt ist daran problematisch, und ich finde es inzwischen sehr ärgerlich, wie hartnäckig sich insbesondere männliche Grundeinkommens-Befürworter weigern, das Thema anzugehen: die Frage, wie das mit der Haus- und Fürsorgearbeit geregelt werden soll. Viele scheinen sich das so vorzustellen, dass Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Kranken und Alten doch umso besser im Privaten geregelt werden kann, wenn wir erstmal ein Grundeinkommen haben. Denn es sei doch

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Auch unter Linken ist die Bedürftigkeit der Menschen ein Tabuthema

Er hält sich hartnäckig, der Mythos von der Eigenverantwortlichkeit. Nicht nur neoliberale Leistunsträger-Ideologie, sondern auch die linke Kritik an sozialer Ungleichheit setzt immer noch  auf den autonomen Selbstversorger-Mann/Mensch als Modell für das, was wir uns unter gelungenem Menschsein vorzustellen haben. „Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können“ heißt es zum Beispiel in einer kirchlichen Stellungnahme oder, wie in einem taz-Kommentar: „Die Entstigmatisierung von Hartz IV als normale Sozialleistung und nicht als Fürsorge ist der einzig positive Aspekt des Bürgergeld-Vorschlags der FDP.“ Aber diese Gegenüberstellung von „Fürsorge“ und „normale Sozialleistung“ ist Unsinn. Eher andersrum wird ein Schuh draus: Nur wenn wir Bedürftigkeit und Fürsorge als „normalen“ menschlichen Zustand begreifen, werden wir auch das Rechts- und Sozialsystem so einrichten, dass niemand dabei auf der Strecke bleibt. Kein Mensch kann von seiner Arbeit leben. Auch nicht die Starken und die Leistungsträger. Das angeblich so unabhängige und für sich selbst sorgende „Ich“ der männlichen Philosophie haben Feministinnen schon lange problematisiert und hinterfragt. Dabei gab es verschiedene Ausgangspunkte: Etwa die Kritik daran,

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Neues Buch zum Thema Grundeinkommen

„Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit“ ist der Titel eines neuen Buches, das soeben im Deutecke-Verlag erschienen ist. In dem von Andreas Exner, Werner Rätz und Birgit Zenker herausgegebenen Sammelband geht es nicht so sehr um die verschiedenen Modelle, ihre Finanzierbarkeit oder politische Umsetzbarkeit, sondern eher um die theoretischen und kulturellen Grundlagen dieser Debatte. Von mir ist ein Aufsatz drin zum Thema „Grundeinkommen zwischen Selbstverwirklichung und traditioneller Hausarbeit“, in dem ich vor allem auf die Notwendigkeit hinweise, im Kontext dieser Debatte auch zu diskutieren, wie wir künftig Care- und Fürsorgearbeiten (Kindererziehung, Pflege) organisieren wollen. Das Buch ist 288 Seiten dick und kostet 21,50 Euro. Weitere Autorinnen und Autoren darin sind Volker Koehnen, Dagmar Paternoga, Heinz Steinert, Götz Werner, Astrid Kraus, André Gorz, Christa Wichterich, Andreas Exner u .v.a. Ein Vortrag von mir zum Thema steht auf http://www.antjeschrupp.de/grundeinkommen.htm, ein gemeinsam mit anderen verfasstes Thesenpapier auf http://www.gutesleben.org.