Das Geborensein denken

Zwei neue Bücher zum Thema Geburt.

Immer mal wieder gab es einen Versuch, die Gebürtigkeit des Menschen als grundlegendes Paradigma von Philosophie, Politik und Wissenschaft (kurz: der Kultur generell) zu verankern – grandios zum Beispiel von Hannah Arendt – aber es scheint wie verflixt: Irgendwie will es nicht in die Köpfe und in den Mainstream hinein. Offenbar hat sich das Phantasma der Kopfgeburten, der Autonomie, der abstrakten, von aller Materie „befreiten“ Rationalität so tief in das westliche Denken hineingekrallt, dass es immer wieder hochpoppt.

Bis heute ist im Mainstreamdenken das Thema ausgelagert. Dass wir alle Geborene sind, also dem Wesen nach abhängig, dass wir unsere pure Existenz einer Frau aus Fleisch und Blut verdanken, die uns in ihrem Körper ausgetragen und zur Welt gebracht hat, dass wir nur überlebt haben, weil andere uns über viele Jahre hinweg ohne nennenswerte Gegenleistung versorgt, genährt, gewaschen und beschützt haben, und dass genau das die Art und Weise ist, wie das Lebendige funktioniert – ja, das wissen wir zwar irgendwo, aber verdrängen es doch gerne. Jedenfalls spielt es keine Rolle im „erwachsenen“ Alltag, weder der Einzelnen noch der Politik insgesamt.

Weil noch immer Autonomie das vorherrschende Paradigma ist, wird auch alles, was mit dem Thema Mutterschaft zusammenhängt, tendenziell als Ärgernis angesehen. Diese lästige Sache mit dem Kinderkriegen hält Frauen davon ab, Karriere zu machen, zum Beispiel. Immerhin ist man sich heute darüber einig, dass dieses Ärgernis nicht mehr allein das private Pech von Frauen ist, die schwanger werden, sondern dass hier auch die Väter gefragt sind, oder die Gesellschaften, die die Nachteile durch entsprechende Gesetze abmildern sollen. Aber irgendwie ist diese Welt noch immer so eingerichtet, als ob es eigentlich besser wäre, man könnte Menschen anders fabrizieren. Am Besten so, dass sie fix und fertig einfach in ausgewachsenem Zustand auf die Welt plumpsen. Das wäre dann nämlich alles viel leichter zu organisieren. Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter könnte dann viel einfacher hergestellt werden.

In der Literatur hingegen, die Geschichten erzählt statt Theorien zu erfinden, ist häufiger vom Gebären und Geborenwerden die Rede. 150 Beispiele aus der Literatur durch die Jahrhunderte hat Schweizer pensionierte Deutschlehrer Rainer Stöckli gesammelt. Zusammen mit Ina Praetorius hat er sie als Buch herausgebracht. In der Mitte findet sich ein Aufsatz von Praetorius, in dem sich des Dilemmas der „Geburtsvergessenheit“ annimmt. Quer durch die Philosophiegeschichte zeichnet sie nach, wie die Gebürtigkeit, und damit auch die Materie, die Natur, die Frauen aus der Normalität ausgeschlossen wurden und zu welchen verqueren Schlussfolgerungen das geführt hat. Und sie bietet Alternativen an, wie man das Ganze neu ordnen könnte. Sehr lesenswert.

Wer sich dem Thema lieber gleich philosophierend als schmökernd annähern möchte, kann auch Praetorius‘ neuen Aufsatzband lesen. In „Immer wieder Anfang“ hat sie verschiedene Texte zum geburtlichen Denken versammelt und spielt dessen Bedeutung durch für das Verständnis von Religion, von Wirtschaft, von Menschenwürde. Dabei ist auch eine Auseinandersetzung mit Calvin sowie Würdigungen der Philosophinnen Jeanne Hersch und Luce Irigaray.

Ina Praetorius/Rainer Stöckli: Wir kommen nackt ins Licht, wir haben keine Wahl. Das Gebären erzählen, das Geborenwerden. 150 Szenen aus der Schönen Literatur zwischen 1760 und 2011. Appenzeller Verlag, Herisau 2011, 38,80 Euro.

Ina Praetorius: Immer wieder Anfang. Texte zum geburtlichen Denken, Grünewald, Ostfildern 2011, 16,90 Euro.


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

29 Gedanken zu “Das Geborensein denken

  1. Frau kann diese Verdrängung (und ihre Folgen) beispielhaft, finde ich, in Lessings „Laokoon“ nachvollziehen. Sonderbarer Weise (oder eben auch typischer Weise) wird der in Fachkreisen gern für dieses und jenes herbei zitiert, die Wendung aber, die sich gegen die Mütter richtet und aus deren Umschlingung befreit, wird fast immer überlesen:
    Weg mit den Müttern – die Selbstgeburt des männlichen Künstlers
    Nach Lessing werden die Spuren dieser Verdrängung dann sorgfältiger verwischt. Denn nun eignet sich kannibalisch der genialische Künstler die weibliche Seite an.

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  2. Dass wir alle Geborene sind, also dem Wesen nach abhängig, dass wir unsere pure Existenz einer Frau aus Fleisch und Blut verdanken, die uns in ihrem Körper ausgetragen und zur Welt gebracht hat, dass wir nur überlebt haben, weil andere uns über viele Jahre hinweg ohne nennenswerte Gegenleistung versorgt, genährt, gewaschen und beschützt haben, und dass genau das die Art und Weise ist, wie das Lebendige funktioniert – ja, das wissen wir zwar irgendwo, aber verdrängen es doch gerne. Jedenfalls spielt es keine Rolle im „erwachsenen“ Alltag, weder der Einzelnen noch der Politik insgesamt.

    Es spielt eine große Rolle, sobald dabei etwas schief gelaufen ist oder schief gelaufen zu sein scheint. Die Kindheit ist das Lieblingsterrain der analytischen Psychotherapie.

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  3. Warum auch sollte ich als Mann zentrales Erleben von Frauen, das ich so nie teilen werde ( und auch nicht teilen will ) zum Dreh- und Angelpunkt meiner Politik, Wissenschaft, Philosophie machen? Käme mir völlig widersinnig vor!

    Ausserdem, denke ich, wird der kindliche Zustand irrtümlich mit einem der Abhängigkeit und Angewiesenheit gleichgesetzt – in der Realität haben die sorgenden Personen ja gar nicht die Wahl, schon alleine von ihrer Motivanlage her.

    Dass ich als Kind in eine Welt geboren werde, die darauf angelegt ist, dass ich in ihr überlebe, ist schlicht eine Trivialität – und hat mit Abhängigkeit nichts zu tun.

    Und zuletzt – meine Persönlichkeit ist nicht von einer Frau „geboren“, sondern wird durch meine Handlungen geformt.

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  4. PS. Und übrigens überleben Kinder auch dann, wenn nicht das Standardprogramm abläuft, weil etwa die Eltern tot sind etc. pp. …

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  5. @Andreas: es geht hier ja nun gerade nicht um „weibliches Erleben“, sondern ums Geboren-sein, also um eine elementare Gegebenheit, die alle Frauen mit allen Männern teilen. Und es geht auch weniger um (vermeintlich) selbst geformte „Persönlichkeit“, sondern darum anzuerkennen, dass alle nicht nur aus Abhängigkeit kommen, sondern in ihr bleiben: Kein Mensch kann auch nur fünf Minuten ohne Luft oder eine Woche ohne Wasser überleben. Das ist keineswegs trivial, sondern das Zentrum der conditio humana. Dass die Menschheit solcherart grundlegende Dinge ziemlich lange übersehen bzw. mit scheinbar wichtigeren, da vermeintlich „höheren“ Konzepten wie „Persönlichkeit“ oder „Autonomie“ überlagert hat, das hat ziemlich viel mit den politischen Problemen zu tun, die uns derzeit die meisten Sorgen machen (Klimawandel, Abheben der Geld- von der Realwirtschaft, Überbetonung kultureller Differenzen gegenüber elementaren humanen Gemeinsamkeiten etc.). Und falls du wissen willst, was in unserer westlichen Geistesgeschichte gedacht und wurde und was nicht, dann schlag doch mal in ein paar philosophischen Wörterbüchern unter „Geburt“ nach, und dann unter „Tod“. Du wirst dich wundern.

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  6. Liebe Antje,
    danke für den Text, die Erinnerung an unser Geborensein und für das interessante Wort „Gebürtigkeit“. Meine Gebürtigkeit… die habe ich so noch nie bedacht. Dankeschön!

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  7. Hm. Ich finde es wichtig, dass die Tatsache, dass wir am Anfang und am Ende, aber auch zwischendurch, grundsätzlich auf die Hilfe anderer angewiesen sind, nicht vergessen wird und nicht aus den politischen und anderen Theorien verschwindet.

    Probleme habe ich mit Hannah Arendt als Gewährsfrau. Für sie war das entscheidende an der Gebürtigkeit nicht die Abhängigkeit, sondern das neu sein in der Welt, so dass man als Neuer etwas Neues anfangen kann.

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  8. @susanna14 – Das schließt sich ja nicht aus. Das mit dem neu Anfangen und der Einzigartigkeit des Anfangs ist auch ein wesentlicher Aspekt der Gebürtigkeit. Beide hängen sogar zusammen, denn das ständige Neu-Anfangen bedeutet prinzipiell auch Unvorhersehbarkeit, und das wiederum begründet die ständige gegenseitige Abhängigkeit aller (etwa meine Abhängigkeit von den anderen und deren Fähigkeit zum neu Anfangen).

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  9. @Ina Praetorius:

    Nun, ich hoffe doch, dass ich mit Frauen und anderen Männern noch einiges mehr als nur das Geborensein teile – letzteres teile ich mit so ziemlich allen Lebewesen.

    Und wenn ich solche Sätze lese

    „Dass die Menschheit solcherart grundlegende Dinge ziemlich lange übersehen bzw. mit scheinbar wichtigeren, da vermeintlich „höheren“ Konzepten wie „Persönlichkeit“ oder „Autonomie“ überlagert hat, das hat ziemlich viel mit den politischen Problemen zu tun, die uns derzeit die meisten Sorgen machen (Klimawandel, Abheben der Geld- von der Realwirtschaft, Überbetonung kultureller Differenzen gegenüber elementaren humanen Gemeinsamkeiten etc.).“,

    dann – sorry, soll nicht respektlos klingen – denke ich an ein beliebtes Spiel: Finde innerhalb dreier Sätze eine logische Verbindung zwischen z.B. „Schweineborste“ und dem „heiligen Geist“ oder sonstwas.

    Und frage mich ausserdem, ob dieser Satz denn überhaupt inhaltlich stimmt ! Hat tatsächlich DIE Menschheit lange ihre Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Wasser und Luft ignoriert ? Nö – im Gegenteil gab und gibt es immer wieder Kulturen, die sich dieser Abhängigkeit bewußt waren. Diese Gesellschaften folgerten aus diesem Bewußtsein aber nicht die Notwendigkeit, sich ihrer Geburt bewußt zu werden, sondern führten in der Regel eine Wasserwirtschaft ein – und die Tatsache, dass wir diese Notwendigkeit erst langsam erkennen ist doch schlicht nur ein Charakteristikum einer auf ein paar regenreiche Länder beschränkten Kultur, die erst allmählich merkt, dass man tatsächlich mit bisher als unendlich verfügbar gedachten Ressource wirtschaften muss wie mit einem knappen Gut.
    Umgekehrt, wäre Wasser und Luft unbegrenzt verfügbar – was würde es dann bringen, wenn ich meine „Abhängigkeit“ von denselben „erkenne“ ? Gar nichts, das wäre schlicht irrelevant.

    Und wie hilft mir das Bewußtsein meiner Geburt bitte bei der Beantwortung der durchaus interessanten Frage, ob die Transaktionen der Finanzwirtschaft tatsächlich noch etwas zur wünschenswerten Effizienz der Märkte beitragen usw. usf.?

    Kulturelle Differenzen – dito ?

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  10. PS.

    „Umgekehrt, wäre Wasser und Luft unbegrenzt verfügbar – was würde es dann bringen, wenn ich meine „Abhängigkeit“ von denselben „erkenne“ ? Gar nichts, das wäre schlicht irrelevant.“

    Übrigens fällt mir dabei noch ein, dass man der – natürlich männerfeindlichen – Belegung von Begriffen wie „Autonomie“ mit einer Art soziopathischer Beziehungs- und Verantwortungsvergessenheit ( wie es hier geschieht ) mal die ursprüngliche und richtige entgegensetzen sollte:

    Die Voraussetzungen dafür, Menschen als autonome Wesen anzusehen, bestanden natürlich auch immer in der Beobachtung, dass eigentlich alles wichtige, was Menschen zum Leben brauchen, unter normalen Verhältnissen reichlich vorhanden ist: Auch Elternliebe, Freundschaft, Wasser, Luft usw. usf. Und niemand das Recht hat, mir diese Ressourcen wegzunehmen. Ein Denken, welches – liege ich da richtig ? – durchaus christliche Tradition hat und mit der obigen Belegung so ziemlich gar nichts zu tun hat.

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  11. @Susanna14: Hannah Arendt ist in der neuen Geburtlichkeitsdebatte, die ca. seit der Jahrtausendwende läuft, weniger die „Gewährsfrau“, vielmehr die „Anfängerin“. Sie hat den Gedanken, dass man mit dem Denken des Menschseins auch vorne – statt hinten oder irgendwo in der Mitte (wie z.B. @Andreas) – anfangen könnte, in die Welt gesetzt bzw. nach einer langen autonomieversessenen Zeit wieder aufgegriffen. Aber sie hat ihn bei weitem nicht zu Ende gedacht. Das tun wir heute. Und dabei wird dann zum Beispiel klar, was @Antje schon angedeutet hat: Freiheit und Bezogenheit, Bedürftigkeit und Gestaltungsmacht, Natur und Kultur (etc., es gibt noch viel mehr falsche Alternativen, die man in die Welt hineindefiniert hat) sind keine Gegensätze, sondern in der Wirklichkeit meist gleichzeitig vorhanden.

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  12. Ein sehr interessanter Text, der zum Nachdenken anregt.

    „Weil noch immer Autonomie das vorherrschende Paradigma ist, wird auch alles, was mit dem Thema Mutterschaft zusammenhängt, tendenziell als Ärgernis angesehen.“

    Das betrifft nicht allein das Thema Mutterschaft. Autonomie ist Teil des patriarchalen Konzepts von Männlichkeit, Abhängigkeit bedroht dieselbe und wird deshalb um jeden Preis vermieden, ignoriert, abgewehrt. Abhängigkeit ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit Sucht gedacht wird, auch mit psychischen Problemen in Beziehungen, und Autonomie ist die Richtung, die Heilung verspricht.

    Autonomie und Abhängigkeit werden als sich ausschließende Gegensätze gesehen, richtig versus falsch, gesund vs krank, stark vs schwach. Abgrenzung und Abwertung können die Folge sein.

    Für mich sagt der Text folgerichtig: Autonomie ist ein Ideal, das nicht erreicht werden kann.

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  13. Freiheit und Bezogenheit, Bedürftigkeit und Gestaltungsmacht, Natur und Kultur (etc., es gibt noch viel mehr falsche Alternativen, die man in die Welt hineindefiniert hat) sind keine Gegensätze, sondern in der Wirklichkeit meist gleichzeitig vorhanden.

    gegensätze sind gleichzeitig vorhanden. oha! was wunder!
    wären sie nicht gleichzeitig vorhanden, könnte man sie schwerlich als gegensätze „denken“!!

    das sind doch keine neuigkeiten, sondern ganz banale gemeinplätze.
    da jeder mensch geboren wurde, ist dies „zu denken“ genauso hilfreich, wie das denken der erdrotation, um es mal in diesem unsäglichen kuwi-sozpäd-sprech zu formulieren.

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  14. @ Andreas: übrigens belege ich Autonomie nicht männerfeindlich – durchaus aber patriarchatskritisch, oder, wenn Du so willst, auch patriarchatsfeindlich.

    Ich bin der Meinung, dass das Patriarchat mit seinen Wert- und Weltvorstellungen sowohl Männern als auch Frauen großen Schaden zufügt. Gerade, was Autonomie angeht: Unter anderem Männern gerade deshalb, weil ihnen die Notwendigkeit von Autonomie vielleicht noch mehr eingeimpft und abverlangt wird als Frauen.

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  15. @ Horst_Sabine

    „gegensätze sind gleichzeitig vorhanden. oha! was wunder!
    wären sie nicht gleichzeitig vorhanden, könnte man sie schwerlich als gegensätze „denken“!!“

    Vorsicht, genau das ist nach meinem Verständnis eben der Punkt. Wenn es sich denn um Gegensätze handeln würde, wären sie eben nicht GLEICHZEITIG vorhanden. Gegensätze schließen sich im „dualen Denken“ gegenseitig aus. Entweder – oder.

    Was der Text sagt, ist aber: Sowohl – als auch. Nicht „oder“, sondern „und“.

    Freiheit UND Bezogenheit, Bedürftigkeit UND Gestaltungsmacht, Natur UND Kultur.

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  16. Vorsicht, genau das ist nach meinem Verständnis eben der Punkt. Wenn es sich denn um Gegensätze handeln würde, wären sie eben nicht GLEICHZEITIG vorhanden.

    doch, sie müssen sogar gleichzeitig vorhanden sein, um einen gegensatz zu bilden. wenn es z.b. keine abhängigkeit gibt, ist unabhängigkeit irrelevant, da universell. gegensätze existieren nur gemeinsam als paar. oder „der gegensatz schlechthin“ – frauen / männer – existiert nur, wenn und weil es frauen und männer gleichzeitig gibt. gleichzeitigkeit stellt den gegensatz erst her. wobei die „gleichzeitigkeit“ natürlich einer gewissen relativität unterliegt. man kann nicht exakt zum gleichen zeitpunkt lebendig und tot sein. aber leben und tod existieren gleichzeitig in der belebten natur.

    Gegensätze schließen sich im „dualen Denken“ gegenseitig aus. Entweder – oder.

    auch das stimmt nicht. was soll denn überhaupt „duales denken“ sein?
    das ist doch eine klassische strohmannbehauptung. menschen lernen von frühester kindheit an, dass die welt eben NICHT schwarz weiß ist, sondern sowohl gegensätze als auch gleichgewichte existieren.

    Entweder – oder.

    eben: wenn kein „oder“ existiert, ist der gegensatz zum „entweder“ irrelevant. wenn es keine kultur gibt, kann die frage nach kultur oder natur gar nicht gestellt werden …

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  17. Finde, dass die dualistischen Interpretationen von Gegebenheiten ( also, als Erklärungsversuche für Vorgefundenes ) spätestens seit Darwin kalter Kaffee sind – muss man wirklich noch darüber reden?

    Jedenfalls lassen mit Hilfe von Darwin so einige dualistischen Interpretationen gedanklich sauber rekonstruieren, wie ich finde.

    Liegt vielleicht auch darin begründet, dass über die Evolution die Beziehungen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Individuum und Umwelt systematisch untersucht werden können?

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  18. @ horst _ sabine

    Zu Dualität findet sich bei Wikipedia – unter anderem – Folgendes:
    „- einen unversöhnlichen Gegensatz oder Widerstreit, siehe Widerspruch (Dialektik) oder Gegensatz
    – in der Spiritualität für eine Wahrnehmung der Getrenntheit im Gegensatz zur Nicht-Dualität“

    Das ist die Definition von Dualität oder dualem Denken, die ich meine.

    Du schreibst:
    „„der gegensatz schlechthin“ – frauen / männer – existiert nur, wenn und weil es frauen und männer gleichzeitig gibt“ –> das ist das perfekte Beispiel! Männer und Frauen sind keine Gegensätze. Oder laut wikikpedia , ein „unversöhnlicher Gegensatz oder Widerstreit“.

    Es ist diese Denkweise von Gegensätzlichkeit, von sich Ausschließen, die stört. Und die m.E. genau das Thema des Textes ist.

    Da werden zwei Menschen, zwei Begriffe, zwei Ideen oder was auch immer in zwei gegenüberliegende Ecken gestellt. Und dazwischen ist jede Menge Distanz.

    Sehr interessant finde ich folgenden Satz von Dir:
    „menschen lernen von frühester kindheit an, dass die welt eben NICHT schwarz weiß ist, sondern sowohl gegensätze als auch gleichgewichte existieren.“
    Genau so ist es! Mein Reden. Mit dem kleinen Abstrich, dass viele Menschen das eben nicht so klar und deutlich lernen, und das Schwarz-Weiß-Denken leider Gottes verdammt oft zu finden ist.

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  19. Claudia, es ging in meiner antwort ja darum, ob gegensätze gleichzeitig / parallel oder nur einzeln existieren. das bitte so denken.

    Zu Dualität findet sich bei Wikipedia – unter anderem – Folgendes:

    und da steht auch: dualis = „zwei enthaltend“; „Zweiheit“

    und das bedeutet nichts anderes, als dass, was ich schon schrieb: gegensätze existiert nur als paar. ein gegensatz muss das „gegen“, also das gegenüber haben, sonst gibts es keinen gegensatz – man kann nichts entgegen setzen.

    – in der Spiritualität für eine Wahrnehmung der Getrenntheit im Gegensatz zur Nicht-Dualität“
    Das ist die Definition von Dualität oder dualem Denken, die ich meine.

    ich halte nichts von spirituellen sichtweisen und beziehe mich nicht auf solche „definitionen“.

    Du schreibst:
„„der gegensatz schlechthin“ – frauen / männer – existiert nur, wenn und weil es frauen und männer gleichzeitig gibt“ –> das ist das perfekte Beispiel! Männer und Frauen sind keine Gegensätze. Oder laut wikikpedia , ein „unversöhnlicher Gegensatz oder Widerstreit“.

    richtig. genau deshalb habe ich dieses beispiel gewählt und die formulierung „der gegensatz schlechthin“ in anführungszeichen gesetzt: weil es 1. kein gegensatz im deinem sinne des sich ausschließens ist, und 2. weil sich die konkstruktion des gegensatzes nur in der gemeinsamkeit herstellen lässt.

    Es ist diese Denkweise von Gegensätzlichkeit, von sich Ausschließen, die stört. Und die m.E. genau das Thema des Textes ist.

    genau das ist doch die denkwise der von dir zitierten „definition“. der atikel und dein zitat aus WP behaupten, wie vermeintlich gedacht wird, und kritisieren es dann. das ist ein strohmann. denn so denkt ja kaum jemand. menschen haben die fähgikeit zur differenzierung ebenso wie die zur verallgemeinerung: auch das sind zwei vermeintliche gegensätze, die aber nur gemeinsam existieren und beide unverzichtbarer bestandteil von kognition sind.

    Genau so ist es! Mein Reden. Mit dem kleinen Abstrich, dass viele Menschen das eben nicht so klar und deutlich lernen, und das Schwarz-Weiß-Denken leider Gottes verdammt oft zu finden ist.

    dann sind wir uns ja fast einig, denn deine bedenken teil ich so nicht. menschen sind in der lage zu differenzieren und zu verallgemeinern. allerdings kann man eine allgemeine aussage nicht mit dem verweis auf differenzierung widerlegen und umgekehrt.

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  20. ,,Liegt vielleicht auch darin begründet, dass über die Evolution die Beziehungen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Individuum und Umwelt systematisch untersucht werden können?“
    Ich finde es interessant, wie manche Menschen die Evolutionstheorie als Wunderwaffe sehen, mit der alles erklärbar scheint und durch die man sowas wie Sozialwissenschaften nicht braucht. Wirkt fast religiös.

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  21. @Bäumchen:
    ?Und ich gehöre zu diesen Menschen,die mir im übrigen noch nie untergekommen sind?

    Vielleicht leidest ja auch nur Du an einer Art Schubladendenken?

    @Claudia:
    Na – erstens meine ich damit, dass die Begrifflichkeit der Evolutionstheorie Anwendungen weit über die Biologie hinaus findet, ja sogar eine Art lingua franca der Sozialwissenschaften darstellen kann; z.b. volkswirtschaftliche Theorien wirken oft wie eine Wiederkehr biologischer Gedankengänge.

    Zweitens ganz praktisch: Diese Theorie hat den Menschen in Beziehungen zu seiner Umgebung gestellt, die vorher undenkbar waren: Verwandtschaftsverhältnisse zu Tieren, Ökologie usw. usf.
    Mit teilweise schockierenden Einsichten – selbst der Begriff des „Individuums“ selber ist ja mittlerweile nur so unscharf definiert, wie es die Realität zuläßt.

    Drittens ein Beispiel – etwa die alte Dualität Geist/Gefühl aka Rationalität/Trieb:

    Könnte man z.B. heute, wenn man lustig ist, umdeuten als erste Annäherung an ein Verständnis der unterschiedlichen evolutionären Strategien, um sich an schnelle Veränderungen der Umwelt ( = Verstand ) /langsame Veränderungen der Umwelt ( = Gefühl ) anzupassen – wenn man etwa die Frage stellen will, inwieweit die von uns selbst provozierten schnellen Veränderungen unsere langfristigen Lebensgrundlagen bedrohen.

    Jedenfalls kennt meine Begeisterung für diesen Krams keine Grenzen 😉 .. ist noch gar nicht abzusehen, welche Erkenntnisse da noch warten!

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  22. @Claudia:

    „Ich bin der Meinung, dass das Patriarchat mit seinen Wert- und Weltvorstellungen sowohl Männern als auch Frauen großen Schaden zufügt. Gerade, was Autonomie angeht: Unter anderem Männern gerade deshalb, weil ihnen die Notwendigkeit von Autonomie vielleicht noch mehr eingeimpft und abverlangt wird als Frauen.“

    Ja, nun, in dem Rahmen, in dem Du nunmal „Autonomie“ interpretieren möchtest, ist die was schlimmes, ja. Bloß tue ich das nicht, wie Du bemerkst.

    Und das einzige schlechte am Patriarchat ist in meinen Augen diese blödsinnige Kadaververpflichtung, für Frauen und Kinder zu sorgen, statt, dass Frauen sich selber versorgen und man sich die Versorgung der Kinder, die man selbst wollte, mit der Mutter derselben teilt.

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  23. @ Andreas

    Das einzige schlechte am Patriarchat?
    Ich habe den starken Eindruck, Du verstehst und Patriarchat etwas völlig… anderes. Wie definierst Du es denn? Das würde mich interessieren.

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  24. @Claudia:

    Denke, das führt etwas vom Thread weg – wichtig finde ich nur, dass genausowenig, wie die „patriarchale“ Definition von „Autonomie“ soziopathisches Verhalten bedeutet, sondern im Gegenteil von etwas ausgeht, was man früher wohl „Gottvertrauen“ genannt hat; genauso, wie die Leute früher Dualismen nicht als „falsche Alternativen in die Welt hineininterpretierten“, sondern nur ziemlich naheliegende Theorien für die Beobachtungen von hochdynamischen und komplexen Vorgängen suchten, was wir heute besser können; ganz genauso ist auch das „Patriarchat“ eine Kulturstufe, die enorme Verbesserungen der Lebensqualität für Frauen und Männer gebracht hat und sollte nicht, nur weil heute gerne ein paar Frauen Männer ersetzen wollen, mehr oder weniger absichtlich völlig verzerrt und falsch dargestellt werden 😉 … und diese haarsträubenden Umdefinition von Philosophie, Politik und Wissenschaft, soweit sie von Männern hervorgebracht wurden, hat auf dieser Website hier wirklich Methode …

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  25. @ Andreas

    ein konstruktiver Umgangston ist mir wichtig, allerdings ist das freundlichste Prädikat, das mir zu diesen Formulierungen einfällt: fantasievoll.

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