Ich lese angesichts der Abschaffung von legalen Abtreibungsmöglichkeiten in vielen US-Bundesstaaten jetzt wieder viele krasse Geschichten von Fällen, die illustrieren, zu welchem offensichtlichen Unrecht das konkret führen kann und wird. Und klar, das ist alles wahr und richtig, und es ist ein Skandal, dass angeblich „freie“ Gesellschaften ungewollt Schwangere solchen Risiken aussetzen.
Trotzdem finde ich diese Richtung der Argumentation ambivalent, denn: Es geht nicht nur darum, Abtreibung in Härtefällen zu ermöglichen. Es geht darum, dass die Beendigung einer unerwünschten Schwangerschaft ein Menschenrecht ist. Auch ohne Härtefälle und Todesgefahr.
In der Art und Weise, wie die christlichen fanatischen Gebärzwang-Befürworter*innen jegliches Schlupfloch zu stopfen versuchen, indem sie Abtreibungen schon in absurd frühen Stadien und auch nach Vergewaltigung und auch bei Kinderschwangerschaften unmöglich machen wollen, sehen wir ja, dass es hier eine politische Auseinandersetzung ums Prinzip ist und es denen NICHT darum geht, einen für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiss zu suchen. Deshalb kann die Antwort auf ihren Feldzug gegen reproduktive Freiheit nicht sein, Kompromisse aufzuzeigen. Sondern wir müssen ganz klar kommunizieren, was unsere ethisch begründete Gegenposition ist. Und die kann nicht lauten: Barmherzigkeit mit ungewollt Schwangeren in Härtefällen, sondern Menschenrecht auf Beendigung einer unerwünschten Schwangerschaft.
PS: Das bedeutet nicht, dass Kompromisse wie wir es in Deutschland mit der Zugänglichkeit von Abtreibungen nach Zwangsberatung haben, unter keinen Umständen eingegangen werden dürfen. Manchmal ist es eben machtpolitisch nicht möglich, die eigene Überzeugung in Gesetze zu gießen. Aber es ist wichtig, jederzeit klar zu machen, dass das auch für uns nur ein Kompromiss ist und nicht das, was wir für richtig und für ethisch geboten halten.