Schon länger lag auf meinem Lesestapel der Aufsatz „Racial Liberalism“ von Charles W. Mills. Darin geht es um die Frage, inwiefern das westliche Konzept des Liberalismus nicht, wie seine Protagonisten denken, universalistisch ist, sondern dass es vielmehr das „Weißsein“ als Normalität setzt.
Mills Denken interessiert mich, weil er im Anschluss an Carol Pateman (und in Zusammenarbeit mit ihr) deren These vom „Sexual Contract“ in Bezug auf „Race“ weiterdenkt. Carol Pateman hat in ihrem 1988 erschienenen Buch gezeigt, wie die westliche bürgerliche Gesellschaft grundlegend auf dem Ausschluss von Frauen und ihrem Verweis in eine unsichtbare „weibliche“ Sphäre beruht. Ihr Buch war nicht nur ein Meilenstein, was die Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse und ihrer historischen Wurzeln betrifft, sondern vor allem ist es wichtig, weil es verstehen hilft, warum zum Beispiel die staatlichen Gleichstellungs- und Emanzipationsbemühungen so schleppend vorankommen und oft geradezu schädliche statt positive Folgen haben (zum Beispiel in Bezug auf die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Care-Tätigkeiten): Wenn es stimmt, dass die gesellschaftliche Organisation – zum Beispiel des Kapitalismus, der Parlamente, der Wissensproduktion usw. – von ihrem System her auf dem Vorhandensein einer „weiblichen“ Gegensphäre gründet, kann es natürlich nicht funktionieren, diese Sphäre einfach aufzulösen und zu sagen, Frauen sollen dasselbe machen wie Männer.
Charles Mill hat daran anknüpfend 1995 das Buch „The Racial Contract“ geschrieben, in dem er zeigt, dass auch die Differenz von „Rassen“ nicht einfach ein zufälliger Begleitumstand oder ein Betriebsunfall bei der Entstehung bürgerlicher Gesellschaften nach westlichem Muster war, sondern für diese konstitutiv.
Dass bürgerliche Gesellschaften nicht funktionieren, wenn wirklich alle Menschen in ihnen „gleich“ sind, sondern dass sie darauf angewiesen sind, bestimmte Menschen als „andere“ auszusortieren und dementsprechend auch „anders“ zu behandeln (ihnen zum Beispiel weniger Rechte, weniger Fürsorge und so weiter zuzugestehen), sehen wir ja momentan an den Debatten über den Umgang mit Geflüchteten. Menschen in anderen Teilen der Welt sind sich dieses doppelten Maßstabs westlicher Gesellschaften beim Reden über „universale Menschenrechte“ ziemlich bewusst. Dass sich die Idee der Menschenrechte nicht besser durchsetzt als sie es tut, liegt nicht daran, dass die „Unzivilisierten“ diese Idee nicht verstünden, sondern daran, dass sie nur allzu oft sehr genau merken, dass der Westen sich an seine eigenen Ideale meistens selber nicht hält (sondern zum Beispiel nur so lange, wie ihm das keine ökonomischen Nachteile bringt).
Viele glauben, dass diese Doppelzüngigkeit des Westens daher kommt, dass wir eben alle nur Menschen sind. Dass wir sozusagen moralisch versagen, wenn es uns an den Geldbeutel geht, dass wir unsere eigenen hochgesteckten Ziele aufgrund aller möglichen Schwächen nicht erreichen.
Mills stellt hingegen die These auf, dass diese Ungerechtigkeiten keineswegs ein Versagen dieser Prinzipien darstellen, eine Abweichung von ihnen, sondern dass sie vielmehr strukturell in ihnen verankert sind. „Racism is not an anomaly in an unqualified liberal universalism but generally symbiotically related to a qualified and particularistic liberalism.”
Nicht nur waren Vordenker der liberalen Tradition wie Locke und Kant direkt involviert: Locke investierte in die Sklaverei, Kant entwickelte selbst rassistische Konzeptionen von Menschsein (Dazu hier ein eigener Aufsatz von Mills). Bis heute ist die Beschäftigung mit Rassismus kontraproduktiv für eine wissenschaftliche philosophische Karriere – „Basically, one can choose to do race or choose to do philosophy“. Diesen Mechanismus kennen auch Feministinnen nur allzu gut: Wie viele akademisch orientierte Freundinnen von mir haben sorgfältig darauf geachtet, nur ja nicht zu viele „Frauenthemen“ zu bearbeiten!
Dass die Beschäftigung mit sozialen Differenzen unter Menschen von der normsetzenden, sich als universal imaginierenden Position als partikular und daher nicht von allgemeinem (also ihrem) Interesse verstanden wird, ist in sich bereits ein Beweis dafür, dass diese Position eben in Wirklichkeit gerade nicht universal ist, sondern ihren eigenen partikularen Standort – das Weißsein, das Mannsein, der bürgerliche Background – schlicht und einfach für „normal“ hält. Denn anders ließe es sich nicht erklären, dass Personen und Themen, die etwas anderes ins Zentrum stellen als die Befindlichkeit des bürgerlichen weißen Mannes als Abweichungen und Besonderheiten wahrgenommen werden. Für eine Frau ist es aber nichts Besonderes, eine Frau zu sein, und für einen Schwarzen ist das Schwarzsein normal.
Diese Verengung hat nun, wie Mills zeigt, auch dazu geführt, dass die in diesem Kosmos produzierten Theorien, Ideen und Narrative falsch sind, ebenso wie die Herangehensweisen. Mills kritisiert zum Beispiel die ständige Beschäftigung mit Idealen: Was ist das ideale Rechtssystem? Was ist die ideale Gesellschaft? Was ist die ideale Wirtschaft? (Dahinter steckt eben die oben skizzierte Vorstellung, dass alles, was in der Gegenwart schief läuft, daran liegt, dass sie von diesem Ideal abweicht, es noch nicht erreicht hat): „In a perfectly just society, race would not exist, so we do not (as white philosophers working in ideal theory) have to concern ourselves with matters of racial justice in our own society, where it does exist – just as the white citizenry increasingly insist that the surest way of bringing about a raceless society is to ignore race and that those (largely people of color) who still claim to see race are themselves the real racists.”
Mills schlägt hingegen den Zugang einer „non-ideal theory“ vor, die sich auf die Analyse – und Behebung! – konkreter nicht-idealer Zustände bezieht. Man kann das am Beispiel von Maßnahmen wie Affirmative Action oder auch Gender Mainstreaming deutlich machen: Aus der Perspektive einer „idealen“ Welt sind solche Maßnahmen problematisch, weil sie möglicherweise in einem konkreten Fall für ein Individuum ungerecht sein können (und so argumentieren ihre Gegner ja immer, wenn etwa ein weißer Mann mal einen Posten nicht bekommt). Aus der Perspektive einer Theorie des „Nicht-Idealen“ hingegen geht es eben darum, mit dem Fakt, dass die Welt eben nicht ideal ist, realistisch umzugehen und Möglichkeiten und Wege zu finden, die Situation konkret zu verbessern.
Dabei ist Mills aber auch kein Relativist, der sich von allgemein gültigen Werten gänzlich verabschieden will, ganz im Gegenteil: Die Weigerung, die Konstruktionsfehler der westlichen Moderne – dass sie eben auf dem systematischen Ausschluss bestimmter Menschen aufgebaut ist – ist es seiner Ansicht nach gerade das, was den Zugang zu wirklichem Liberalismus blockiert.
„It is immediately made unmysterious why liberal norms and ideals that seem attractive in the abstract – freedom, equality, rights, justice – have proved unsatisfactory, refractory, in practice and failed to serve the interests of people of color. But the appropriate reaction is not … to reject these liberal ideals but rather to reject the mystified individualist social ontology that blocks an understanding of the political forces determining the ideals’ restricted and exclusionary application.”
Wer die liberalen Ideen von Freiheit und Gerechtigkeit retten will, kann nicht einfach hingehen und die eigenen Vorstellung davon, was Freiheit und Gerechtigkeit ist zur allgemeinen Norm erheben. Diese Werte sind nur zu retten, wenn wir auch die Konstruktionsfehler, die diesen Konzepten von Beginn an innewohnen, thematisieren und Wege suchen, sie zu beheben. Und das geht nur im Bewusstsein für die Differenzen unter Menschen und einer politischen Praxis, die sich nicht am Erreichen eines Ideals orientiert, sondern am verantwortlichen Umgang mit dem Nicht-Idealen hier und jetzt.
das ist _sehr_ interessant. wobei mich weiter interessiert, was die systemische logik dahinter/darunter ist: es ist ja so, dass gerade besser funktionierende systeme diversität benutzen und funktionalisieren, um ein spannungsreiches und variables feld zu bekommen. (natürlich im interesse der mächtigen, aber klammern wir das kurz aus.)
also eine gesellschaft/wirtschaft/kultur, die analog zu einer vital-gemischten stadtkultur funktioniert: da sind dann u.a. hungrige aufsteiger (quasi die humanere version der „sklaven“) als treibmittel nützlich, da ist die polarisierte mann/frau-familie auch ein nützliche, im 19. jhd. auch zeitweise fruchtbare struktur (weil bedürfnisse, menschenbilder usw. ausdifferenziert wurden, nur eben naturalisiert und auf geschlechter verteilt). dazu passen dann auch richard floridas diverse, auch sexualisierte subkulturen, die wichtig sind für „creative culture“, usw. usw.
dann geht es also nicht einfach nur um forderung nach angleichung per se (aber selbstverständlich schon nach politischer gleichheit und überhaupt individueller freiheit, sich unabhhängig von ’natürlichen‘ zuschreibungen zu orientieren) …. sondern eher um den entwurf und die förderung von _ganz anderen_, offenen diversitätsformen, die das alles _besser_ leisten als die primitiven, naturalisierten versionen der aufgeklärten und dann bourgeoisen gesellschaft. weil man versteht, was der systemische vorteil und die niemand bewusste binnenlogik dieser alten, repressiven zuweisungen war, jenseits der bloßen ausbeutung (die es natürlich trotzdem war/ist).
[sorry, wenn das wirr klingt. ist es ja vielleicht auch.]
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Hochinteressant … die Gedanken liefern eine weitere sehr plausible Antwort auf die Frage, die Du hier gestellt hattest.
https://antjeschrupp.com/2015/09/20/woher-kommt-die-ignoranz-in-bezug-auf-feministische-ideen/
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Erst einmal, ich habe gelesen, dass du morgen einen Vortrag in Hannover hältst und werde versuchen, ihn mir anzuhören.
Nun zum Text: Mir geht es ja so, dass ich mittlerweile ein erhebliches Misstrauen gegenüber Texten entwickelt habe, die den Liberalismus von Grund auf kritisieren, anstatt ihn dort weiter zu entwickeln, wo er seinen eigenen Idealen nicht entspricht. Und mein Eindruck ist leider, dass Charles Mill das Zentrum des Liberalismus abschaffen will, anstatt zu sehen, warum er nicht funktioniert. Das Zentrum ist nämlich, dass der Liberalismus vom Individuum ausgeht – einem Individuum, das Beziehungen hat (ohne solche wäre es kein Individuum) und das seine Identität unter anderem aus diesen Beziehungen gewinnt, aber auch aus dem Bewusstsein der eigenen Persönlichkeit, aber nicht aus der Zugehörigkeit zu einer Großgruppe. Das heißt, wenn Charles Mill von „mystified individualist social ontology“ spricht, ist das ein für mich ein Grund, sehr misstrauisch zu werden.
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@susanna14 – ja, „von Grund auf kritisieren“ ist aber nicht dasselbe wie „komplett ablehnen“. Dass sich das Individuum erst in Beziehungen formt (und zwar prinzipiell und nicht so, dass die Beziehungen das Subjekt nur beschränken oder gewaltsam formen) ist im klassischen Liberalismus völlig unterbelichtet. Und erst recht die soziale Geformtheit von Beziehungen an Machtstrukturen und Hierarchisierungen entlang. Daher finde ich Mills Kritik berechtigt und notwendig.
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Dass sich das Individuum in Beziehungen formt, ist kein Argument dagegen, dass es im Zentrum einer Ethik stehen sollte. (Ich bin noch auf der Suche nach dem Zitat „mystified individualist social ontology“.) Individuen, auch wenn sie ihre Persönlichkeit im Rahmen von Beziehungen formen, sind mehr als nur Produkte der Gemeinschaft.
Ich habe jetzt die ersten und die letzten Seiten des Aufsatzes gelesen (bin im Moment auf Seite 7) und suche noch nach einem Argument dagegen, das Individuum (statt der Gemeinschaft) als zentrale ontologische Einheit anzusehen. Im Moment hänge ich noch bei den Abschnitten über den Gesellschaftsvertrag fest, mit denen ich gewisse Probleme habe: Man kann die Gesellschaftsverträge der Vertragstheoretiker, insbesondere John Locke (Kant ist, wenn ich mich recht erinnere, kein Vertragstheoretiker) nicht an der Realität messen, weil sie nie als Beschreibung der Realität gedacht waren. Charles Mill erwähnt das auch hin und wieder, aber dann werden die Vertragstheorien (etwa von John Rawls) doch wieder an der Realität gemessen. (Es wird nie ganz klar.) Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass es wichtiger ist, die Realität angemessen zu beschreiben, als eine ideale Gesellschaft mit oder ohne Gesellschaftsvertrag zu entwerfen, aber einen Gesellschaftsvertrag, der nicht die Realität beschreiben will, an der Realität zu messen, ist ein Problem. Umgekehrt kann der Gesellschaftsvertrag, den Charles Mill entwirft, an der Realität gemessen werden (aber ich habe ihn noch nicht im einzelnen gelesen, also kann ich es noch nicht tun.)
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Das Recht auf Asyl ist nicht universalisierbar. Wenn Person A Asyl sucht aufgrund Verfolgung durch Person B und Person B Asyl sucht aufgrund von Person C, dann haben Person A und B beide das Recht auf Asyl, aber Person A ist weiterhin der Person B ausgeliefert und die Schutzfunktion des Asyls nicht gewährleistet.
Zu Kant:
Was wäre wenn Kant seine Rassentheorie nicht oder unter Pseudonym veröffentlicht hätte? Wie wüssten wir dann dass seine Ideen(das restliche Werk) „vergiftet“ sind? Am Inhalt? Wenn ja, wie genau wird festgestellt das die Konzepte „an Sich“ problematisch sind? Wenn nein – wir also Konzepte nur an dem messen, was Personen, die diese prominent vertreten haben (kant war nicht der erste Liberale) sonst so geschrieben haben – wie können wir also -ohne inhaltlichen Bedenklichkeitstest – feststellen, ob die Ideologie, der wir selbst anhängen, nicht in Wahrheit von eine*r Querfrontaltivist*in eingeschmuggelt wurde?
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@susanna14 – ich weiß nicht, ob es um die Frage geht, ob das Subjekt ins Zentrum gestellt werden soll oder nicht, ich finde spannender die Frage, was wir uns unter Subjekt vorstellen. Sind Attribute wie Frausein, Weißsein usw. dafür nur Acesssoires und eigentlich nebensächlich oder sind sie ein unabtrennbarer Bestandteil des Subjekts, ohne dieses aber zu determinieren oder in seiner Freiheit in Frage zu stellen?
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@Dan Ich halte es sowieso für fragwürdig, wenn Menschen einen Text wie die Kritik der praktischen Vernunft mit dem Verweis auf Kants Rassetheorie abtun. Wenn man die Kritik der praktischen Vernunft kritisieren will, muss man diese lesen und zeigen, was daran falsch ist. (Ehrlich gesagt, ich bin noch auf der Suche nach dem Text mit der Rassetheorie. Ein Text, den ich kenne, nämlich „Zum Ewigen Frieden“ beinhaltet sogar eine Kritik des zeitgenössischen Kolonialismus.)
@Antje Ich dass das Aneinandervorbeireden ein großer Teil der Ursachen des Problems ist. Natürlich sind Attribute ein wichtiger Teil des Subjekts: sie sorgen für die Unverwechselbarkeit. Aber hier geht es darum, Menschenrechte zu begründen (eine der Errungenschaften des Liberalismus), dann kommt nicht auf diese Attribute an, sondern aufs Menschsein, auch wenn das in der Realität nicht immer so war. Es kommt dann auch nicht auf Beziehungen an – auch sie sorgen für die Unverwechselbarkeit, aber auch Menschenrechte können nicht von Beziehungen abhängen.
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Ich denke, der Konstruktionsfehler ist bei dieser Thematik der Mensch selbst. Studie haben gezeigt, dass Europäer die Gesichter von Chinesen nicht oder nur mit einiger zeitlicher Anstrengung unterscheiden können, was m.E. ein Indikator für Rassismus sein kann, da der Mensch versucht zu verstehen und zu antizipieren – schwierig, wenn man dabei Gesichter von anderen Kulturen nicht unterscheiden kann. Und als Hedonist will sich nicht jeder Mensch die Zeit und Anstrengung nehmen, Chinesen (und umgekehrt) zu verstehen.
Ein anderes Argument für natürliche soziale Unterscheidungen zwischen Menschen sehe ich darin, dass Menschen Menschen mögen, die ähnlich sind, weiter noch gibt es Studien die zeigern, dass man diejenigen Menschen mehr mag, die einem örtlich näher sind.
Und das Ideal scheitert eigeentlich schon daran, die eigene Mutter aus dem Kopf realitätsgeträu wiederzugeben auf einem Blatt Papier.
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@susanna14 – Ja klar, aber Mills versucht doch eine Erklärung dafür zu geben, warum es trotz des guten Konzepts mit dem universalistischen Liberalismus gerade NICHT gelungen ist, die Menschenrechte zu schützen. Ich finde seine These, dass das daran liegt, dass immer um eine „ideale Welt“ herum gedacht wurde, anstatt sich mit der realen Welt zu beschäftigen, für plausibel. Nicht als einzigen Grund, aber als einen wichtigen.
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@Patrick Es ist, glaube ich, mittlerweile auch erforscht, warum es Weißen schwer fällt, die Gesichter asiatischer Menschen voneinander zu unterscheiden (und umgekehrt): Kinder erstellen aus den Gesichtern der Menschen in ihrer Umgebung ein Standardgesicht vergleichen andere Gesichter mit diesem Standardgesicht. Wenn dieses Standardgesicht nur aus Weißen gebildet ist, sind asiatische Menschen einfach nur „anders“ und zeigen untereinander wenig Unterschiede. Daraus können wir aber auch lernen, wie das Problem gelöst werden kann: In dem Maß, in dem Kinder mit Menschen zu tun haben, die so verschieden sind, wie Menschen eben sind, werden sie lernen, alle Menschen zu unterscheiden. (Ich hatte als kleines Kind einige japanische Freunde und hatte nie Probleme, sie auseinander zu halten, während Menschen, die die beiden nicht kannten, sie immer wieder fragten, ob sie Zwillinge waren (es waren ganz gewöhnliche Brüder), weil sie sie nicht unterscheiden konnten.)
@Antje Ich bin im Moment noch nicht weiter in meiner Lektüre des Texts von Charles Mill, werde aber weiter schreiben. Im Moment fällt mir als Antwort nur ein, dass es neben dem Philosophen, die sich mit der Frage beschäftigten, wie eine ideale Welt aussehen könnte, immer auch andere Menschen gab, die sich überlegten, welche Veränderungen in der jetztigen, realen Welt möglich wären. (Kants Friedensschrift ist sogar zweigeteilt: Schritte, die jetzt und sofort möglich wären, und die Utopie, nämlich der weltweite Staatenbund.)
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Schon wieder habe ich ein paar Fehler entdeckt:
1. Kinder erstellen aus den Gesichtern der Menschen in ihrer Umgebung ein Standardgesicht und vergleichen andere Gesichter mit diesem Standardgesicht.
2. neben den Philosophen
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@Antje Schrupp
„Race“ – Rasse – Rassismus -??
Bewusst habe ich mich trotz regelmässiger Lektüre eine Weile zurück gehalten, aber hier hält es mich nicht:
Schon wieder wird RASSE durchgeprügelt in historischer und modernistischer, sogar in versuchter feministischer Version – WIESO bitte das stets wieder ins Zentrum der Öffentlichen Debatte stellen, obwohl längst feststeht:
ES GIBT KEINE MENSCHEN RASSEN !
Weil zum einen Rasse ein Fachbegriff aus der Züchtung domestifizierter Tiere durch den Menschen ist, also das GEgenteil einer NATürlichen Ordnung sondern ERgebnis einer rein KULTürlichen Handlung, zum anderen weil wissenschaftlich für alle Menschen aufgrund der außerordentlich hohen genetischen Identitäten eine Differenzierung nach Merkmalenm einer Rasse weder möglich noch sinnvoll ist.
„Race“ übersetzt trifft, wie du weisst, nicht die deutsche Deutung Rasse und hat damit auch mit dem deutschen Begriff Rassismus nichts zu tun.
Und Rassismus?
Das ist die unappetitliche Unart von Leuten, die das so Festgestellte nicht wahrhaben wollen, die ob sie dafür oder dagegen sind letztlich davon ausgehen, dass Rassen existieren, aber ihre Diskriminierung nicht sein soll oder eben doch – Sie befördern gemeinsam den Rassismus regelmässig in unseren gesellschaftlichen Alltag und verschaffen dem Nationalsozialistischen Rassenwahn postum 70 Jahre nach seinem Ende noch immer „Ruhm, Ehre und Anwesenheit“, und zwar eindeutig als Denkgebäude des Nationalsozialismus.
Darüber bin ich nun enttäuscht, dass das auch bei dir hier stattfindet. Eventuell wäre darüber intensiver nach zu denken, anstatt eine heitere Diskussion auf zumachen, die letztlich wieder nur RASSEN, ihre Existenz, ihre ablehnbaren Merkmale und Adaptionen auf andere als biologische Gebiete als möglich, gegeben oder unumstösslich festschreibt.
Rasse ist ein Fachausdruck aus der Tierzucht. Punkt.
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„Dass bürgerliche Gesellschaften nicht funktionieren, wenn wirklich alle Menschen in ihnen „gleich“ sind, “ –
trifft auf jede Gesellschaft zu, nicht nur auf „bürgerliche“ – und: Ach ja, wenn nicht „bürgerliche Gesellschaft“ – was wäre denn da noch zur Auswahl an „nichtbürgerlichen Gesellschaften“, aus heutiger Sicht?
und:
“ … sondern dass sie darauf angewiesen sind, bestimmte Menschen als „andere“ auszusortieren und dementsprechend auch „anders“ zu behandeln (ihnen zum Beispiel weniger Rechte, weniger Fürsorge und so weiter zuzugestehen), sehen wir ja momentan an den Debatten über den Umgang mit Geflüchteten.“ –
Hm, so? Müssen wir ja wohl, zumindest der, der Augen im Kopf hat und weiss: Nichts gleicht dem Anderen, nur die Vielfalt der Unterschiedlichkeit ist real und sichert Leben, Entwicklung und Gemeinschaft!
Aber wieso sehen wir DAS an den Flüchtlingen? Das sehen wir an uns, denn:
Bis auf ein Problem: Wir „sortieren“ nicht zwangsläufig andere Menschen „aus“, wir sind gezwungen, die vorhandene Unterschiedlichkeiten wahrzunehmen und zu beachten, was weder ein Negativum noch das Gegenteil bedingt – das tritt erst durch die darauf folgende zielgerichtete Verwendung der Wahrnehmung der Unterschiede ein, und manche meinen dann leider auch „aussortieren “ zu müssen …
Und das, diese letzte Erscheinung möchte ich weniger gern auf Flüchtlinge bezogen wissen, da das für den Vorgang nicht relevant ist, denn das ist nur die allerdings beiderseits zwingende menschliche Wahrnehmung von Vielfalt, aus der keinerlei Zuweisungen oder Versagungen resultieren, wenn Chauvinismus ausgeschlossen ist.
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@Michaela Lusru – Ich weiß, dass es keine „Menschenrassen“ gibt (anders als Geschlechter) – worüber ich ja auch schonmal einen ganzen Blogpost geschrieben habe. Aber Rassismus gibt es, und auch „Race“ als eine soziale Konstruktion (um das deutlich zu machen, wird ja in der Debatte entweder das englische Wort benutzt oder das deutsche in Anführungszeichen gesetzt). Wenn du über diese Phänomene sprichst, welche Wörter verwendest du? Oder bist du der Ansicht, man sollte nicht darüber sprechen, weil dem kein „natürliches“ Faktum zugrunde liegt?
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@Antje Schrupp schreibt: 5. November 2015 um 14:44
Rasse, Rassismus, race – soziale Konstruktion
– welche Wörter verwendest du?
Ich lehne „Rasse“ grundsätzlich als Kategorie von Mensch (!) ab, im besonderen auch „race“.
Rasse wie race ist lediglich ein Züchtungsergebnis, z.B. bei Hunden, Katzen, Pferden, Kühen oder Schweinen.
Speziell halte ich die Unsitte, „Rasse“ als „soziale Konstruktion“ begreifen zu wollen für eine unsägliche und unzulässige Hilfskonstruktion für
1. den erfundenen nationalsozialistischen Rassebegriff in unserer modernen Gesellschaft auf- und fortleben zu lassen, um daran heutige „Rassisten“ günstig“ ausmachen zu können – was allerdings die Anerkenntnis der nationalsozialistischen Rassenlehre als existent voraussetzt, da das sonst nicht verstehbar wird
oder
2. für das, was du mit deiner Formulierung bereits genannt hast: Als eine KONSTRUKTION, eine willkürliche Vorstellung, weil sie in dieser Form praktisch nicht existiert. Jede „Konstruktion“ ist von Mensch gemacht und daher schon mal eine soziale.
Speziell sollen solche „Sozialen Konstruktionen“ zur Verbreitung und Vertiefung des Radikalen Konstruktivismus dienen, Verweis auf einen gewissen Luhmann, der solche Konstrukte erfand und einführte, um die real existierenden Menschen / real existierende Welt nicht anerkennen zu müssen als solche. Damit wurden bei ihm aus den Bestandteilen des Sozialen nicht Menschen, sondern angeblich nur Kommunikationen.
Um solche eine radikalkonstruktivistisch kreirte „Kommunikation“ würde es sich handeln, wenn wir meinten, Rasse sei eine solche Konstruktion, und ohne das voraus zu setzen, kann auch kein Rassismus zur „sozialen Konstruktion“ werden oder gesehen werden.
Rassismus ist das, was er seit seiner Erfindung war und sein sollte:
die Zustimmung und Vertretung einer direkt biologisch orientierten Unterschiedlichkeit der Menschen in unterschiedlichen „Werte-Qualitäten“, was einer Rassentheorie entspricht – die ohne Anerkennung der Existentz von RASSEN leider nicht tragfähig ist.
Seit also fest steht, dass es keine (Menschen)Rassen gab und gibt, ist jeder Rassist zwangsläufig der, der genau dies bestreitet.
Und nicht etwa jemand, der „Arbeiter“ und „Unternehmer“ für diverse unterschiedliche (nunmehr unzulässig verfremdet: „soziale“) Rassen hält. Auf diese Weise entstünde das (gegenwärtig wieder oft im alternativen Spektrum gebrauchte) Verständnis von „Klassen“ im Geiste von biologischen „Rassen“ – die unterschiedlich wertig und unversöhnlich zu sein haben, wie im Biologismus.
Wie du siehst, hat die Verwendung des Begriffes „Rassismus“ nicht nur im amerikanischen Englisch eine diffuse Mehrfachdeutung, sondern erst recht in der deutschen Sprache, indem z.B. der Hintergrund der verworfenen Nationalsozialistischen (rechtsextremen!) Rassenlehre zur Gedankengirlande und Vorstellungswelt und damit Bestandteil des linken Spektrums aus dem ursächlich biologischen Kontext einfach in den sozialen 1:1 übernommen wird – mit dem einzigen Ergebnis, dass sich heutige Rechtsextremisten für das „Warmhalten“ ihrer Kampfbegriffe ordentlich bedanken:
Soziale Klassen, gedacht wie biologische Rassen …
Nicht alles, was wie Drohnen, Belügen der Völker der Welt über Kriegsgelüste oder Ausspionieren der gesamten Welt über den Atlantik schwappt, ist zu übernehmen, zu tolerieren oder gar theoretisch noch zu „qualifizieren“.
Im besonderen nicht die „Rasse“-Vorstellungen, die „race“ und der seltsame „racism“-Begriff dazu aus einem Land, in dem Jahrhunderte lang bis vor 50 Jahren offiziell „racism“ Staatsdoktrin war und der biologisch begründete Rassismus dort bis heute nicht aus den Köpfen der Bürger raus ist sondern im Gegenteil „fröhliche“ heftigste bedauernswerte Urständ „feiert“.
Auch und gerade dort sollten die Soziologen sehr deutlich beim „bekannten“ Verständnis von Rassismus bleiben, wenn sie ernsthafte Absichten haben, sich der Bekämpfung weiter zu widmen und sich nicht in Nebenschauplätzen „Sozialer Ersatzkonstruktionen“ zu begeben, nur um auch andere Entgleisungen etwas dichter an „Rechtsextremismus“ heranschieben zu können, was bisher immer das Gegenteil der erwünschten Aufklärung bewirkte.
Soziale Entgleisungen können wir in unserer Sprache bestens mit Fremdenhass und diversen (aber auch völlig falsch gewählten Begriffen) der diversen „Phobien“ ausreichend benennen.
Warum falsch gewählt?
Weil ein Phobie eben eine Krankheit ist, und z.B. Homophobie das mitnichten ist, kein medizinisch behandelbares Gebrechen ist, sondern eine Bildunglücke, eine Bösartigkeit und eine menschliche Unfähigkeit, die eigene Art Mensch in ihren natürlichsten Individualitäten zu achten.
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