Wie soll man mit rassistischen und sexistischen „Stellen“ in Büchern umgehen?

Gerade wird wieder über die Frage von Neuauflagen von Büchern diskutiert, am Beispiel von Miss Marple und Roald Dahl. Es geht darum, dass bei Neuauflagen manche Passagen umformuliert wurden, um diskriminierende, etwa rassistisch oder sexistische Ausdrücke zu ersetzen. Dass darüber diskutiert wird, ist natürlich super, die Frage ist nur wie. Denn anstatt sich mit Argumenten und Fragestellungen im einzelnen argumentativ auseinanderzusetzen (was imho der Sinn einer Diskussion ist), wird oftmals auf den „gesunden Menschenverstand“ gepocht und so getan, als sei der Versuch allein, einen Text an heutige Sprach- und Denkgewohnheiten anzupassen, verwerflich. Als würden hier heilige Originale „verhunzt“ und die Freiheit des Denkens untergraben. Aber darin zeigt sich nur ein fehlendes historisches Bewusstsein. Übersetzung ist immer notwendig, wenn zwei unterschiedliche Kulturen zusammentreffen. Aber auch nicht nur bei geografisch, sondern auch bei historisch entfernten Gesellschaften handelt es sich um unterschiedliche Kulturen. Wörter, Gesten nehmen im Lauf der Zeit eine andere Bedeutung an und sind dann ohne Übersetzung unverständlich oder missverständlich. Auch

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Gegen Sprachpolizei, Zensur und Sprachdiktate!

Immer häufiger höre ich, dass Behörden, Regierungen oder staatliche Stellen ihren Mitarbeiter*innen bestimmte sprachliche Ausdrucksformen verbieten, lustigerweise sind das dieselben, die sich über vermeintliche (nicht existierende) feministische „Sprachdiktate“ aufregen. Heute höre ich das aus Niederösterreich, vorige Woche vom Kultusministerium Schleswig-Holstein, das sind nur die zwei letzten, vorher gab es da schon ein paar andere, ist mir auch egal. Das erste, was ich daran bedenklich finde ist, dass es sich wirklich um Zensur handelt: Staatliche Stellen mit faktischer Exekutivmacht (das heißt: Sie können es wirklich erzwingen) schränken die Freiheit des sprachlichen Ausdrucks ein. Interessant, wie egal das dem (sich zu Unrecht so nennenden, da eben nur vermeintlich) „liberalen“ politischen Sprektrum zu sein scheint. Niemand muss mit Sternchen oder sonstwie „gendern“, aber es zu VERBIETEN ist doch ein völlig anderer Tobak. Das zweite Bedenkliche ist, dass das Ganze natürlich ein Ausdruck davon ist, wie weit rechtspopulistisches, autoritäres Denken sich bereits gesellschaftlich verbreitet hat, dass die sich sowas trauen. Dass es keinen Aufschrei

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Gestohlene Autoritäten: Gott und Wissenschaft

Heute kamen mir zwei Stellungnahmen in die Timeline, die für mich interessante Beispiele sind für eine Diskursweise, bei der Mächtige (oder vermeintlich Mächtige) versuchen, politische Debatten zu unterbinden unter Verweis auf eine höhere Autorität, mit der sie ihre eigene Macht legitimieren und verteidigen. Und zwar: Ein Bericht über die Absage von Kardinal Gerhard Ludwig Müller an den Synodalen Weg, mit dem deutsche Katholik*innen derzeit mögliche Reformen ihrer Kirche ausloten, und ein Aufruf von Linguistiker*innen gegen das „Gendern“ (womit sie inklusive Sprachweisen jenseits des generischen Maskulinums meinen). Beide Stellungnahmen vertreten eine bestimmte inhaltliche Position im Rahmen einer politischen Debatte – der Kardinal möchte keine Demokratisierung der katholischen Kirchenstrukturen, die Sprachwissenschaftler*innen wollen das generische Maskulinum als Personenbezeichnung beibehalten und wenden sich gegen die Verbreitung neuerer Sprechweisen. Beides sind legitime Positionen, die man in einer pluralen Gesellschaft vertreten kann. Allerdings positionieren sich beide gerade nicht als Teilnehmer in einer pluralistischen demokratischen Debatte mit unterschiedlichen Sichtweisen, sondern als einzige legitime Vertreter der EINEN WAHRHEIT,

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„Gegenderte“ Sprache: Es geht nicht um Diskriminierung, sondern um Sichtbarkeit

Nele Pollatschek hat im Tagesspiegel einen Artikel geschrieben mit dem Titel „Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer“. Darin weist sie auf den Umstand hin, dass durch sprachliche Verwendung von weiblichen und männlichen Formen (statt des generischen Maskulinums) das Geschlecht von Personen eine größere Bedeutung annimmt, weil man ständig darauf hingewiesen wird, und stellt deshalb die These auf, dass inklusive Sprache die Diskriminierung von Frauen erhöhe und nicht bekämpfe (Ich finde das Wort Gendern falsch, weil auch das generische Maskulinum eine gegenderte Sprache ist). Anatol Stepanowitsch hat aus linguistischer Sicht bereits einige Gegenargumente hier gesammelt. Mir ist aber etwas anderes wichtig. Und zwar die Erinnerung daran, dass Pollatscheks Argumentation nicht neu ist, sondern in den 1990ern innerhalb des Feminismus stark diskutiert wurde, vor allem auch in Auseinandersetzung zwischen Feministinnen aus BRD und DDR, da in der DDR genau jenes „Frauen mitmeinende Maskulinum“ üblich war, das Pollatschek nun in Großbritannien auch wiedergefunden hat. Zu sagen „Ich bin Ingenieur“ war für Frauen

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Mit Aliens reden

Im Redaktionsteam des Internet-Forums Beziehungsweise Weiterdenken hatten wir die Idee, ein neues Format auszuprobieren: So eine Art Zoom-Quartett zu Themen, die jeweils eine von uns interessieren. Den Anfang machte Anne Newball Duke (links unten): Sie schlug uns vor, über den Film „Arrival“ von Denis Villeneuve und die dahinter stehende Kurzgeschichte „Story of your Life“ von Ted Chiang zu sprechen. Das machten wir auch. Neben mir (rechts oben) mit dabei waren Jutta Pivecka (links oben) und Maria Coors (rechts unten). Es geht um Sprache, Feminismus, die Verständigung mit Aliens und um die Frage, ob Geschichte immer linear verläuft oder ob man das auch anders sehen kann. Enjoy!

Sprache: Es geht nicht um das „Mitgemeintsein“ von Frauen

Ich versuche schon seit einiger Zeit, zu verstehen, wieso diese Kultur sich so vehement gegen eine Veränderung von Sprache, die Frauen sichtbar macht, wehrt. Wieso dieses Thema ihnen so wichtig ist, dass eine Sparkasse lieber einen kleinkarierten Rechtsstreit führt, als einfach ein paar Formulare zu verändern. Warum so vielen Leuten so viel daran liegt, auch amtlich gerichtlich bestätigt zu haben, dass NIEMAND SIE ZWINGEN KANN, WEIBLICHE FORMEN ZU VERWENDEN. Ich bewundere Frauen wie Marlies Krämer, die sich die langen Märsche durch Institutionen antun, um was zu verändern, und sie bewirken damit ja auch wirklich was. Aber ich frage mich inzwischen, ob es wirklich darum geht, ob „Frauen mitgemeint“ sind. So haben feministische Kritikerinnen der „Männersprache“ ja lange und bis heute argumentiert: Das generische Maskulinum (also dass eine männliche Form verwendet wird für Menschen insgesamt, darunter auch Frauen) würde Frauen unsichtbar machen, Frauen fühlten sich eben nicht angesprochen und nicht gemeint. Das ist zweifellos zutreffend und hat historische Gründe, vor allem

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Warum ich das Wort „Schmarotzer“ liebe

Nach meinem gestrigen Post gab es wieder viele Reaktionen auf meine unbekümmerte Verwendung des Wortes Schmarotzer. Das war ja ein Selbstzitat: Schon vor einiger Zeit habe ich das Wort „Internetschmarotzer_innen“ erfunden, für diejenigen Leute, die nur Sachen aus dem Internet herausholen und nichts reinschreiben. Schon damals war in den Kommentaren heftig darüber diskutiert worden, ob man das Wort verwenden darf. Ich meine (obviously): Ja. Ob Worte funktionieren und so verstanden werden, wie ich sie gemeint habe, liegt natürlich nicht in meiner Hand. Das ist eine Sache des Experimentierens. Im Fall des „Internetschmarotzertums“ hat es allerdings funktioniert. Ich werde bis heute immer wieder auf dieses Wort angesprochen, vor allem wenn ich außerhalb des Internets Menschen – meistens Frauen – begegne, die das Wort auf sich selbst beziehen und es offenbar genauso verstanden haben, wie ich es gemeint habe. Sie sagen zum Beispiel Sachen wie „Ich bin ja auch so eine Internetschmarotzerin, über die du neulich geschrieben hast“, und sie sind mir

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Mann Meier

Diese Initiative war mir bisher entgangen, aber richtig ist der Denkansatz: Die Initiative für sprachliche Gleichstellung ruft dazu auf, ab sofort unter Berufung auf das im Grund­gesetz verankerte Gleich­berechtigungs­gesetz eine neue Anrede für Männer zu ver­wenden. Die veraltete Anrede HERR wird zur Anrede MANN. Durch die neue Anrede werden Männer nicht mehr als Herren auf­ge­rufen, angeredet und an­ge­schrieben, sondern als gleich­berechtigte Männer. Damit werden Gleich­wertigkeit und Gleich­stellung zwischen Frauen und Männern ausgedrückt. Die gebräuchlichen Anreden „Herr“ und „Frau“ sind nicht gleich­wertig und vermitteln keine sprachliche Symmetrie. weiterlesen hier: http://www.anrede-mann.de/