Grundeinkommen à la Straubhaar: Da fehlt doch was!

Morgen ist der 1. Mai, der Tag der unsichtbaren Arbeit, und passend dazu könnt Ihr das Interview in der aktuellen Ausgabe von Brandeins lesen, in dem Thomas Straubhaar sein Modell für ein Bedingungsloses Grundeinkommen vorstellt (ich weiß nicht, ob der Link bei euch funktioniert oder nur bei mir mit Digitalabo – wenn nicht, müsst Ihr noch etwas warten, die Brandeins schaltet Texte irgendwann nach und nach frei.) Straubhaar ist ein etablierter Ökonom, der sich schon lange für ein Grundeinkommen einsetzt und dabei tapfer gegen den Mainstream seiner Kolleg_innen schwimmt, womit er sich natürlich auch ein bisschen interessant macht. Aber gut, jeder Mitstreiter ist willkommen – oder nicht? Leider teilt Straubhaar mit dem Gros der männlichen Grundeinkommens-Befürworter die Blindheit für die Anforderungen von Care. Deshalb wird sein Modell nicht funktionieren und lässt sich von den Gegner_innen der Grundeinkommens-Idee entsprechend leicht auseinander nehmen. Dabei sind einige Aspekte durchaus interessant. Anders als die Gruppe um Götz Werner, Daniel Häni und Enno Schmid möchte Straubhaar

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Debatten vor dem Facebook-Grab gerettet!

Das Schöne an diesem Blog ist ja, dass man auch nach Jahren noch nachlesen kann, was mal diskutiert worden ist. Allerdings gibt es auch anderswo schöne Sachen, zum Beispiel auf Facebook, wo man mal eben schnell was reinschreiben kann, was durch den Kopf geht, und manchmal gibt es dann direkt interessante Debatten mit vielerlei interessantem Input von unterschiedlichen Seiten. Das alles findet man aber nicht mehr wieder, weil Posts bei Facebook die Timeline runterrutschen und dann irgendwann weg sind. Um das eine Schöne mit dem anderen Schönen zu verbinden, dachte ich mir, dass ich jetzt hier hin und wieder einfach ein paar Links zu solchen Sachen posten könnte. Make Facebook googlebar! (Es sind alles Posts, die auf Facebook öffentlich stehen, die man also auch lesen kann, wenn man dort keinen Account hat – glaube ich jedenfalls). Bedingungsloses Grundeinkommen: Meine Kritik an Alexandra Borchardts Text gegen das Grundeinkommen, bei dem sie ganz zurecht auf wichtige Schwachpunkte der Pro-BGE-Argumentation hinweist, dabei aber nicht erwähnt (oder nicht

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Warum ich nicht mehr über Care und Gender sprechen will

Wenn über Care gesprochen wird, werden fast immer im selben Atemzug seine geschlechtsspezifischen Aspekte betont: dass Frauen viel mehr unbezahlte und schlecht bezahlte Carearbeit leisten als Männer, dass sie dadurch auf dem Erwerbsarbeitsmarkt benachteiligt sind, dass sie verarmen und so weiter. Auf diese Weise entsteht der Eindruck, die Beschäftigung mit Care sei vor allem ein „Frauenthema“, ein Problem der Frauen, das angegangen werden muss, um Frauen zu helfen und sie nicht länger zu diskriminieren. So tritt die Care-Thematik als ein partikulares Anliegen bestimmter Menschen ins Bewusstsein und bekommt den Charakter eines Teilproblems, das sich mit ein bisschen gutem Willen im Rahmen der gegebenen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lösen lässt. Man muss eben nur die Erzieherinnen besser bezahlen oder die Hausarbeit gerechter zwischen den Geschlechtern verteilen. Die Care-Frage ist aber kein Unterkapitel der Gleichstellungs-Frage. Sie hat mit Emanzipation eigentlich gar nichts zu tun, jedenfalls nichts Wesentliches. Care-Aktivismus ist Handeln aus Verantwortung für die Welt, nicht aus Lobbyismus für Fraueninteressen. Care-Aktivismus weist darauf hin, dass die

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Sexarbeit und Care

Im November haben wir im Netzwerk Care Revolution über das Verhältnis von Sexarbeit und Care diskutiert. Drüben im Forum „Beziehungsweise Weiterdenken“ habe ich dazu was geschrieben – falls euch das auch interessiert, hier entlang!

Care-Krise gelöst: Wir sind alle psychisch krank

Beim Nachdenken über die Art und Weise, wie wir heutzutage die eugenische Selektion von nicht erwünschten Föten praktizieren (über 90 Prozent der Wunsch-Kinder werden abgetrieben, wenn sie laut Pränataldiagnostik Trisomie21 haben), während man gleichzeitig so tut, als gäbe es keine eugenische Selektion (offiziell ist nicht die befürchtete Normabweichung der Föten der Grund für diese Abtreibungen, sondern die psychische Befindlichkeit der Schwangeren), kam mir heute eine Idee, wie man das eigentlich noch zugespitzter analysieren müsste. Zunächst dachte ich, dass hier eine allgemeingesellschaftliche Heuchelei auf dem Rücken von Frauen betrieben wird: Einerseits wird ein moralischer Standard hochgehalten („Nein, bei uns gibt es keine eugenische Selektion!“), gleichzeitig kommt er faktisch aber nicht mal in jedem zehnten Fall zur Anwendung. Und anstatt das offen zuzugeben und als Gesellschaft zu den eigenen Prioritätensetzungen zu stehen („Kinder mit Behinderungen werden bei uns nur ausnahmsweise ausgetragen, sozusagen als Privathobby der beteiligen Eltern, normal finden wir das aber nicht“) werden Schwangere quasi per Default zu psychisch Kranken erklärt:

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Die Care-Debatte in einem globalen Kontext

Es folgt ein weiterer Blogpost zur Konferenz der International Association for Feminist Economics in Berlin (vgl. die vorherigen Posts hier im Blog). Bei diesem Roundtable bei der IAFFE-Konferenz ging es um „Unpaid Work and the New Development Agenda“. Zunächst gab Valeria Esquivel (UN Research Institute for Social Development) einen Überblick über den Stand der Care-Debatte in einem globalen Kontext. Je nachdem kann der Kontext sehr unterschiedlich sein, und dabei besteht immer auch die Gefahr, aneinander vorbei zu reden. Im Westen ist zum Beispiel manchmal von einem ein „Recht auf Care“ die Rede, und damit ist nicht nur das Recht gemeint, bei Hilfsbedürftigkeit versorgt zu werden, sondern auch das Recht darauf, Care-Arbeit an Freund_innen und Familienangehörigen zu leisten, ohne dass ein Zwang, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und nach Bedarf Erwerbsarbeit zu leisten, das unmöglich macht. Dieses „Recht auf Care“ ist jedoch in Kontexten, wo von Frauen ganz selbstverständlich erwartet wird, dass sie die Care-Arbeit leisten, nicht unbedingt einsichtig, weil Care dort noch viel mehr eine Folge von

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Vom Kolonialismus zur Care-Migration – Keynote von Joan Tronto

Hier Teil 2 meiner Notizen zum IAFFE-Kongress in Berlin: Über die Keynote von Joan Tronto über die globalen Aspekte von Care. Tronto ist Professorin an der University of Minnesota und eine Pionierin der feministischen Forschung zum Thema Care. Dabei besonders interessant für mich, weil sie dabei ökonomische und politische  Fäden zusammenbringt (ihr jüngstes Buch heißt zum Beispiel „Caring Democracy“ und ich habe es unverzeihlicherweise noch nicht gelesen). In ihrer Keynote stellte sie die Frage, die hier im Blog auch schon vorkam, nämlich: Wer macht die unbeliebten Arbeiten? Dabei zog sie eine Linie von der Kolonialisierung zur heutigen Care-Arbeits-Migration. Erstmal in Zahlen: 300 Millionen „zählbare“ globale Care Workers gibt es weltweit, dabei sind aber noch nicht mitgezählt Flüchtlinge, die teilweise ebenfalls Care Arbeit leisten (aber eben nicht speziell zu diesem Zweck migriert sind), sowie inländische Care-Migrant_innen, wenn also zum Beispiel Care Workers aus ländlichen Bereichen Chinas in chinesische Städte gehen. Zur Theorie: Tronto verfolgte die Wurzeln der heutigen Care Thematik zu

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Erster Mai: „Tag der unsichtbaren Arbeit“

Der erste Mai als Kampftag der Arbeiterbewegung hat traditionell nur die Erwerbsarbeit im Blick, also die bezahlte Arbeit, jene Arbeit also, die den Status des echten Proletariers ausmacht. Oder, in marxistischer Terminologie, es geht am ersten Mai um die „Produktionsarbeit“, und nicht um die daraus nur abgeleitete so genannte „Reproduktionsarbeit“. Mit dieser Unterscheidung hat auch die Tradition der Arbeiterbewegung dazu beigetragen, die – größtenteils von Frauen geleistete – unbezahlte Care-Arbeit (Pflegen, Putzen, Essenkochen, Kinder versorgen und so weiter) auch in Arbeitskämpfen unsichtbar zu machen. Dass Care-Arbeit unsichtbar ist, zieht sich dabei noch durchgängiger als Motiv durch die symbolische Ordnung, als dass sie nicht bezahlt wird. Denken wir nur an die mysteriösen „helfenden Hände“, die dafür sorgen, dass bei Festen immer genug Kuchen da ist und nie zu viel verschmutztes Zeug herumsteht, oder an die Heinzelmännchen, die ebenfalls über Nacht für Ordnung sorgen und nie gesehen werden. Auch wenn Care-Arbeiten bezahlt werden, was heute ja zunehmend der Fall ist, sollen sie unsichtbar

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Care-Arbeit ist ein Begriff für die Übergangszeit

Gerade bloggte ich drüben bei Fischundfleisch darüber, was meiner Ansicht nach ein wichtiger Grund dafür ist, warum viel weniger Mädchen als Jungen sich für (gut bezahlte) Industrieberufe interessieren: Alles, was mit (vor allem industrieller) Produktion zu tun hat, ist nicht wirklich sichtbar als etwas, das zum guten Leben aller beiträgt, sondern es steht in dem Ruf, nur dem Profit und dem Kapitalismus zu dienen. Deshalb wählen Menschen, die bei der Berufswahl vor allem auf den Sinn ihrer Arbeit Wert legen und weniger auf Geld oder Status tendenziell die so genannten „helfenden“ Berufe, also Krankenschwester, Erzieherin, Altenpflegerin und so weiter – mehr Frauen als Männer, aber natürlich nicht nur. Dass das Problem dabei nicht dieser Wunsch nach sinnvoller Arbeit ist, sondern die systematische Niedrigerbezahlung dieser Berufe, haben Feministinnen schon immer betont, obwohl gerade wieder anlässlich des Equal-Pay-Days lauter Texte geschrieben werden, deren Tenor lautet: Der Gender Pay Gap ist doch keine Ungerechtigkeit, weil Frauen ja freiwillig in die niedriger bezahlten Berufe gehen. omg. Es ist ja sowieso

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