Mehr Souveränität in Liebesdingen, meine Damen!

Gestern schickte mich das Internet durch diesen Tweet auf ein Video, in dem US-amerikanische Teenager in die Kamera erzählen, was ihnen zu der Fernsehserie „My little Pony“ (eine Art rosafarbene Zeichenfilmidylle mit Ponies und Glitter) einfällt. In dem Zusammenhang wurden die  weiblichen Teenager gefragt, ob sie denn einen Jungen, der so etwas schaut (offenbar gibt es unter dem Label „Bronies“ eine Gruppe von männlichen Jugendlichen, die aus der Serie einen Kult gemacht haben), daten würden: Entrüstetes Kopfschütteln, und zwar bei allen. Sich in einen Mann zu verlieben, der Sendungen von rosa Pferdchen gut findet, ist für sie ganz und gar ausgeschlossen. Das fand ich nun schon eine schockierende Reaktion. Und zwar nicht in erster Linie, weil hier platte Geschlechter-Stereotypen zementiert werden. Die interessantere Frage finde ich: Wieso schränken diese Mädchen den Pool potenzieller Liebhaber so drastisch ein? Warum setzen sie solche Hürden, mit denen sie sich doch selbst schaden, weil sie niemals in den Genuss einer Beziehung zu einem Mann kommen werden, der zwar

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Stilblüten: Udo Jürgens

Ein Artikel aus dem Tuifly-Bordmagazin „flyjournal“ (4/2011) auf dem Rückflug aus dem Urlaub hat mich dazu animiert, eine neue Rubrik zu eröffnen namens „Stilblüten“. Nur knapp kommentiert will ich hier Fundstücke zum Thema „Was so über Liebe und Beziehungen (zwischen Männern und Frauen) gesagt und gedacht (und gelesen) wird“, sammeln. Den Anfang macht also Udo Jürgens, über den ein (nicht namentlich gekennzeichnetes) Portrait in besagtem Flugzeugmagazin abgedruckt war. Hier der relevante Auszug: New York, Juli 1957. … Der 23-jährige Udo Jürgen Bockelmann blickt von Deck aus auf die Skyline – und träumt den Traum seiner Generation. Raus aus dem spießigen und kriegszerstörten Europa – und rein in die schillernde Welt der Hollywood-Stars. Wie sein Vorbild Frank Sinatra – einfach im „River Café“ unterhalb der Brooklyn Bridge mit einer hübschen Frau in jedem Arm lässig einen Whiskey schlürfen. Ein scheinbar unerreichbarer Traum – aber er geht ihn an. 54 Jahre später. .. Aus dem jungen Stenz … ist ein Weltstar geworden

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Die Liebe und ihre Projekte

Schon seit längerem denke ich darüber nach, warum die Liebe eigentlich so oft als Problem gesehen wird, während sie doch in Wirklichkeit etwas Großartiges und Schönes ist. Hier meine Idee, die noch etwas über das hinausgeht, was Eva Illouz als Problem der spezifisch mittelständisch-bürgerlich-romantischen Liebesbeziehung ausmacht.  Und zwar ist meine These, dass das Problem heute nicht in der Liebe als solcher liegt, sondern darin, die Liebe in ein bestimmtes Lebensprojekt zu überführen – was die bürgerliche Hetero-Paarbeziehung sein kann (die heute manchmal auch homosexuell ist), aber nicht muss. Das Projekt kann auch eine polyamore Beziehungsstruktur sein oder aber auch die Liebe zu einem Beruf oder zu einem politischen Engagement. Der Irrtum unserer Kultur besteht nun darin, dass wir glauben, dass aus der Liebe automatisch oder zwangsläufig ein gelungenes Projekt hervorgehen muss, und wenn das nicht der Fall ist, dann muss irgend etwas falsch gelaufen sein. Doch Liebe und Projekte existieren erst einmal getrennt voneinander. Man wünscht sich für das eigene Leben ein Projekt –

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Keine Panik. Nicht jede Liebe tut weh.

Eva Ilouz hat mit „Warum Liebe weh tut“ ein gutes Buch geschrieben. Von daher gleich mal der Appell: Lest es.  Klargestellt werden muss aber (und Eva Illouz stellt das mehrfach klar, aber ich betone es hier auch nochmal, weil es in den meisten Artikeln, die ich zum Erscheinen dieses Buches gelesen habe, bezeichnenderweise NICHT klargestellt wird): Das Buch handelt nur von einer bestimmte Variante der Liebe, und zwar von der heterosexuellen Mittelschichts-Liebe mit implizitem Kinderwunsch. Leider ist es genau jene Liebe, die sich mit einer unerträglichen Penetranz in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung schiebt und so tut, als wäre sie die Liebe schlechthin. Alle anderen Arten von Lieben – zwischen zwei Männern, zwischen zwei Frauen, zwischen Menschen ohne gutbürgerlichen Hintergrund, zwischen mehr als zwei Menschen, zwischen Menschen ohne Familienlebens- und Kinderwunsch, zwischen Menschen aus anderen Kulturen als der westeuropäischen, ganz zu schweigen von der Liebe zwischen Eltern und Kindern, zwischen Menschen, die keinen Sex miteinander haben, oder der Liebe von

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Die überlastete Liebe in Zeiten der Unabhängigkeit

Es werden heute erstaunlich viele Bücher über die Liebe geschrieben. Im Allgemeinen gehen sie davon aus, dass die Liebe es schwer hat, weil wir alle so viel Freiheit hinzugewonnen haben. Exemplarisch sei auf Sven Hillenkamp vewiesen, der die Thesen seines aktuellen Buches über „Das Ende der Liebe“ hier in einem Interview ausführlich erläutert. Der Hauptfehler in der Argumentation, dass zu viel Freiheit die Liebe gefährde, liegt meiner Ansicht nach in einem falschen Begriff von Freiheit. Wenn man Freiheit als Autonomie und Unabhängigkeit versteht, als Freiwilligkeit, als Möglichkeit, unter einer Fülle vorgegebener Optionen auszuwählen – dann könnte die Diagnose stimmen. Darüber habe ich ja hier schon gebloggt. Freiheit ist aber etwas anderes. Freiheit ist vielmehr die Möglichkeit, sich dem eigenen Begehren entsprechend aktiv an der Gestaltung der Welt zu beteiligen (siehe auch hier). Sie ist offen und nicht an das Vorhandensein möglichst vieler Auswahlmöglichkeiten geknüpft. Nicht alles, was ich freiwillig tue, ist eine Folge meiner Freiheit. Vielleicht ist es auch eine Folge meiner Mutlosigkeit, meiner Ängstlichkeit,

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Liebe kennt kein Geschlecht! (Echt jetzt?)

Transparent beim CSD in Magdeburg. Mit frdl. Genehmigung: (c) eos.Werbeatelier Immer wenn irgendetwas angeblich „kein Geschlecht“ kennt, fühle ich mich unbehaglich. Denn in Wirklichkeit kennt ALLES ein Geschlecht, nicht nur Männer und Frauen, sondern auch die Politik, die Mathematik, die Verkehrsplanung und das geputzte oder ungeputzte Klo.  Unsere gesamte Kultur ist durchzogen mit der Geschlechterdifferenz, es gibt kein Thema, bei dem das keine Rolle spielt. Der Grund dafür ist, dass die Geschlechterdifferenz – nicht von ihrem eigenen Prinzip her, sondern aufgrund der Art und Weise, wie sie historisch verhandelt wurde – zum Paradigma für die Differenz generell geworden ist. Das Weibliche steht stellvertretend für das Andere schlechthin in einer Kultur, in der sich das Männliche zur Norm gesetzt hat. Und nun erst die Liebe! Dass die Liebe mit der Geschlechterdifferenz eng verknüpft ist, hängt nicht in erster Linie an den heterosexuellen Grundvoraussetzungen der menschlichen Fortpflanzung. Es hängt damit zusammen, dass die Liebe von ihrem Wesen her eine Beziehung zum Anderen

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Warum wir keine Liebeskatastrophe haben

„Liebeskatastrophe“ – das Wort stammt von Iris Radisch. Sie diagnostiziert selbige in ihrem 2006 erschienenen Buch „Schule der Frauen“ und beklagt „das völlige Fehlen von Vorbildern gelingender Liebe in modernen Lebensverhältnissen.“ (S. 75). Sie ist mit dieser pessimistischen Einschätzung keineswegs allein, und sehr oft ist die Klage über die angeblich verloren gegangene Liebe begleitet von einem kritischen Seitenblick auf die Ergebnisse der Frauenemanzipation und die Liberalisierung der Familienbeziehungen im Zuge der 68er-Bewegung. Auch Radisch wettert gegen die „Umdefinition und Schönfärberei der familiären Liberalisierungsschäden“ (S. 78).  In Wirklichkeit ist die Diagnose, die Liebe sei uns verloren gegangen, aber schon viel älter als die Kritik an dem Umbruch der 1970er Jahre. Erich Fromm hat bereits 1956 in „Die Kunst des Liebens“ behauptet, in der modernen Welt sei uns die Fähigkeit, zu lieben, abhanden gekommen, und „den grundsätzlichen Mangel an Liebe in den heutigen menschlichen Beziehungen“ beklagt (S. 43). Denn wahre Liebe, so Fromm, sei „ohne wahre Demut, ohne Mut, Glaube und Disziplin“

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