„Frauensachen“ sind nicht unbedingt Frauensache – zum Streit um Brandeins

Die Brandeins ist eine der wenigen Zeitschriften, die ich noch abonniert habe, und zwar, weil ich dort relativ viel Neues und Interessantes erfahre. Dass ich dort hauptsächlich Geschichten über Männer lese, daran habe ich mich schon gewöhnt. Ich bedaure es, aber was soll man machen, man kann ja nicht immer nur meckern, selbst als Feministin nicht.

Jetzt haben aber andere gemeckert – nachlesen könnt Ihr das bei Felix Schwenzel und bei Anne Schüßler – und Gabriele Fischer, die Chefredakteurin, hat dazu Stellung bezogen.

Nun könnte man sagen, gähn, immer dieselben Argumente. Aber ich habe noch eine andere Vermutung. Denn ich kann die Haltung von Gabriele Fischer recht gut nachvollziehen, und wir balancieren doch alle irgendwie auf diesem Grat entlang, entweder zu viel „Frauendings“ zu machen und dann in der „allgemeinen“ Debatte in die Frauenecke geschoben zu werden, oder uns in der „allgemeinen“ Debatte einzumischen und uns dafür der männlichen Norm ein Stück weit anzupassen, um überhaupt ernst genommen zu werden. Noch immer gilt in vielen Universitätsfächern die Maxime: Wenn du schon deine Diss über „irgendwas mit Frauen“ geschrieben hast, dann auf keinen Fall auch noch die Habil, wenn du jemals eine Professur (in einem anderen Feld als Gender Studies) haben willst.

Gabriele Fischer stellt in ihrem Statement heraus, wie viele Frauen bei Brandeins in verantwortlichen Positionen sind, nicht nur sie als Chefredakteurin, sondern auch viele andere. Und ich bin überzeugt davon, dass dies ein entscheidender Grund dafür ist, warum die Zeitschrift so gut ist, wie sie ist, und warum ich sie immer noch lese und interessanter finde als vieles andere.

Aber meine Vermutung ist auch schon lange, dass ein hoher Frauenanteil in Führungskreisen genau nicht dazu führt, dass Frauen und das, was sie tun, in den Fokus rücken, dass Frauen und ihre Initiativen und Perspektiven mehr wahrgenommen werden als anderswo. Sondern dass vielleicht gerade im Gegenteil diese Frauen aus einem vermutlich nicht wirklich bewussten, sondern unterschwelligen Anpassungsgestus heraus vermeiden möchten, zu sehr „Frauenkram“ zu machen.

Diese Vermutung habe ich, seit ich vor einigen Jahren in der taz von einer Studie las, bei der herauskam, dass Theaterhäuser in den USA von Frauen eingereichte Stücke weniger oft berücksichtigen als von Männern eingereichte Stücke, und zwar vor allem dann, wenn sie von Frauen geleitet werden.

Dass jedenfalls Frauen in Führungspositionen automatisch mehr Aktivitäten anderer Frauen fördern als Männer in Führungspositionen – was ja ein wichtiges Argument bei Quotenforderungen ist – halte ich für mehr als fraglich. Zumindest in bestimmten Fällen kann es auch genau andersrum sein: Sei es eben, dass die Führungsfrauen ihre „Neutralität“ unter Beweis zu stellen versuchen, indem sie garantiert keine Frauen bevorzugen, oder sei es, dass ein Unternehmen, eine Organisation, eine Redaktion mit vielen Frauen in der Führungsriege denkt, es sei gegen Männerdominanz ja sowieso gefeit und sich deshalb um das Thema auch nicht gesondert bemüht. Wohingegen in einem Unternehmen mit rein männlicher Führungsspitze inzwischen manchmal so etwas wie ein Peinlichkeits-Sensorium vorhanden ist, das dazu führt, dass man sich gezielt darum bemüht, die Perspektiven von Frauen einzubeziehen.

Wie auch immer, das Thema bleibt spannend, und wenn es stimmt, dass Gabriele Fischer durch diesen Konflikt jetzt für das Thema sensibilisiert wurde, bin ich schon gespannt auf die nächsten Hefte.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

13 Gedanken zu “„Frauensachen“ sind nicht unbedingt Frauensache – zum Streit um Brandeins

  1. Ich glaube (oder besser: ich hoffe), dass aber eine universelle Frauenquote den beschriebenen Effekt insofern egalisiert, als es dann – sicher erst etwas später als zur Einführung der Quote – empfunden normaler ist, dass es mehr Frauen eben auch in den Unternehmensführungen gibt und man dann auch wieder und tatsächlich auf die Qualitäten achten kann und nicht, wer da etwas produziert hat. Ich wünschte mir das jedenfalls sehr.

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  2. Dieser Hoffnung schließe ich mich an! Das oben Beschriebene trifft m.E. in vielen Bereichen zu und ist vielleicht so menschlich wie oftmals hinderlich. Wahrscheinlich braucht es Zeit, in der es immer wieder in die beiden Extreme ausschlägt, bis sich eine Normalität einstellt. Ich persönlich finde zwar, dass wir diese Zeit nicht haben, aber wahrscheinlich brauchen wir trotzdem eine gewisse Geduld…

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  3. Hallo,
    mal wieder so ein Beitrag, der mir das Herz aufgehen lässt. Auch wenn ich sonst (und wahrscheinlich auch im Grundsatz) nicht derselben Meinung bin. Den Kommentar von koneau finde ich klug, bin aber nicht so hoffnungsvoll. Ein Beispiel: Ich schaue gerne Filme und Serien, die in den USA produziert worden sind. Dort ist alles immer sehr Diversity-Appropriate. Das ändert aber nichts an den grundsätzlichen Ungleichheiten in unseren Gesellschaften (Den Begriff „Klasse“ finde ich selber zu kurz gegriffen, aber mit Kapital scheint es mir etwas zu tun zu haben). Also: auch Quoten können über ein grundsätzliches Problem hinwegtäuschen.

    Viele freundliche Grüße!

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  4. Gabriele Fischer hat es doch klar formuliert, wer steuert die Wirtschaft? Die Geldeliten und die sind ausschließlich an Gewinn und Macht interessiert. Ein Freund von mir ein Professor und argentinischer Lehrer für Biodanza, schilderte das so: Wir haben das mittlere Managment mit Hilfe von Biodanza zu einem guten Team geschult, und das wurde nach einiger Zeit vom TOP-MANAGMENT entlassen. War es ihr Neid, oder widerspricht vielleicht die Hebel wie Wirtschaft praktiziert wird, dem größeren gegenseitigen Verstehen? Denke ich an TTIP – MONSANTO-WAFFENINDUSTRIE- usw. gehe ich davon aus, die Förderung von mehr Miteinander ist nicht ihr Ziel sondern mehr „FEINDLICHE ÜBERNAHME“ und dadurch mehr Einfluss. Also ist es nicht unrealistisch, wenn der Papst Franziskus sagt: DIESE WIRTSCHAFT TÖTET! Welche Art von Frauen wollen da mitmischen?

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  5. Manchmal würde vielleicht ein „Zufalls-Verfahren“ gut sein. Bei Zeitschriften z.B. aus vorher zusammengestellten (oder nicht) Artikeln zufällig auswählen.

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  6. Wenig Frauen in der Führung = schlecht.
    Viele Frauen in der Führung = auch schlecht.
    Egal wie es kommt, Unterdrückung ist überall.
    Ist klar…

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  7. @Witzke – Es geht (hier und beim Feminismus generell) nicht einfach um „Unterdrückung“, sondern um eine Analyse der Realität, die Frage, warum etwas so ist, wie es ist, und ob das so bleiben soll oder man es vielleicht ändern will.

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  8. Eigentlich netter Artikel aber den Absatz wo die gute Qualität der Zeitschrift alleine der hohen Frauen Beteiligung zugeschrieben wird finde ich persönlich ein wenig sexistisch 😉

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  9. Hm, stimmt schon, bei der GAZETTE bin ich die Frau für FrauenFragen (auch wenn’s mal ein größerer Essay sein darf wie der über die Autos) und Buchbesprechungen. Mal sehen, was passiert, wenn ich mit was über Wirtschaft oder Religion daherkomm….

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  10. „bei der GAZETTE bin ich die Frau für FrauenFragen“

    Das ist doch das Problem an den „Frauensachen“. Es handelt sich um einen ge-otherten (als anders markierten) Themenkreis rund um „Frau“. „Allgemeine“ Themen wie Politik, Sport oder Wirtschaft sind nur dann „Frauensachen“, wenn sie explizit auf das „Frauen“thema einzahlen: Frauenpolitik, Frauen in der Wirtschaft, Frauensport usw. und dann sind sie nicht mehr von „allgemeinem“ Interesse, sondern „Frauenfragen“.
    Solange „Frauen“ ein eigenes und „das andere“ Thema ist, für dass sich nur Frauen interessieren, wird es nicht „allgemein“ werden.

    Wenn wir jetzt von Frauen erwarten oder verlangen, das Thema „Frauen“ zu thematisieren, bedeutet es nichts anderes, als dass sie sich selbst aus dem allgemeinen Interesse verabschieden und in die „Frauen“-Ecke begeben sollen.

    Das Ziel kann aber nur sein, dass Politik Sport, Wirtschaft etc. Themen für alle, auch für Frauen sind. Und „Frauen“ nicht mehr gesondert abgehandelt werden.

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  11. @Prometheus
    „…Also ist es nicht unrealistisch, wenn der Papst Franziskus sagt: DIESE WIRTSCHAFT TÖTET! Welche Art von Frauen wollen da mitmischen?“

    Hm.
    Das klingt so, als läge hier die Annahme vor, dass nur Männer zu solcher Art „Wirtschaft“ fähig seien?
    Warum denken viele immer noch, dass Frauen irgendwie eine andere Art von Moral oder Ethik hätten als Männer?

    Da gehe ich mit @HorstSabine, wenn Sie schreibt:
    „…Das Ziel kann aber nur sein, dass Politik Sport, Wirtschaft etc. Themen für alle, auch für Frauen sind. Und “Frauen” nicht mehr gesondert abgehandelt werden.“
    Ja, und das schliesst sowas wie Korruption, Machtmissbrauch, fragwürdige Ethik (was immer man darunter individuell verstehen mag) usw. mit ein, weil eben Frauen nicht jenseits solcher Themen agieren sondern Teil davon sind.

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  12. ich möchte mich auch nicht auf Frauenthemen festlegen lassen….

    @sternenguckerin zu Korruption, fragwürdige Ethik…

    und im Anschluss daran sollte man Menschen nach dem, was sie tun, beurteilen, und nicht, welchem Geschlecht sie angehören (zB dass man Frauen automatisch schlechter beurteilt, wenn sie das gleiche tun wie Männer, aber das ja gar nicht möglich sei, weil sie ja so weich und weiblich seien)

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