Audre Lorde: Poetik des politischen Denkens

Ein wichtiges Zeitdokument des „Zweite-Welle-Feminismus“ gibt es jetzt als Film: Aus Material, das sie in den achtziger Jahren gedreht hat und durch aktuelle Interviews ergänzt, hat Dagmar Schultz eine Dokumentation über Audre Lorde’s „Berliner Jahre“ (1984 bis 1992) geschnitten. Ich sage: Anschauen! (Man kann die DVD für 19,99 Euro kaufen, oder auch hier).

Als Audre Lorde damals nach Berlin kam, war sie schon berühmt: als Autorin und Dichterin, als politische Aktivistin, als Lehrerin. Sie ist eine von denen, die das Differenzdenken im Feminismus stark gemacht hat, indem sie die Illusion der „gemeinsamen Fraueninteressen“ als ebensolche entlarvte – als Illusion eben.

Der Film legt einen Schwerpunkt auf das Entstehen eines Schwarzen Selbstbewusstseins von Women of Color, das Lorde in Deutschland  maßgeblich angestoßen hat. Wenn sie sagt:

Because I write for black women, does not mean, that I turn away from white women, who can use or who need the things I say. But I write first of all from where I am, and I am not white. It does not mean that my word ist not available and that we do not have things to say. We share our heritage, we share an earth, and we need each other. But we are not each other. We are different. I can know and respect your difference. You must know and respect mine. That is the only way, we can work together.

… dann ist damit genau auf den Punkt gebracht, worum es geht, wenn Politik als Politik der Differenz und als Politik der Beziehungen verstanden wird.

Einen Standpunkt jenseits des Normativen bewusst einzunehmen bedeutet nämlich gerade nicht, dem gemeinsamen Handeln im Bezug auf die Welt eine Absage zu erteilen (was ja ein immer wieder vorgebrachter Vorwurf von Seiten der Privilegierten ist). Sondern es bedeutet das genaue Gegenteil: Durch die Aufmerksamkeit für die Differenzen überhaupt erst mal die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass eine fruchtbare Beziehung und damit gemeinsames Handeln möglich wird.

Dass es dabei nicht um eine, sondern um viele Differenzen geht, wird deutlich, wenn sich Lorde als „black lesbian feminist mother poet warrior“ bezeichnet.

Während die Differenzen rund um Rassifizierung, Heteronormativität, Feministische Selbstverortung und Mutterschaft in der feministischen Debatte inzwischen wenn auch nicht ausdiskutiert, so doch zumindest auf dem Radar sind, haben mich die beiden letzten Punkte beim Anschauen des Films besonders berührt, weil ich sie für nach wie vor unterbelichtet halte: die Poesie und das Kämpferische.

Dass Audre Lorde eben nicht einfach nur eine Schwarze lesbische feministische Aktivistin war, sondern ganz wesentlich eine Dichterin und eine Kämpferin, wird in dem Film sehr viel klarer, als wenn man nur ihre Bücher liest. Die Schlichtheit, mit der sie diffizile und komplexe politische Ideen in kurzen poetischen Sätzen formuliert, fand ich geradezu atemberaubend. Und die Präsenz mit der sie als Person sich in die Sache wirft, ist wahrhaft kämpferisch – ohne im Geringsten das lächerliche männliche Kriegertum (das ja auch gerade in linken, revolutionären Kreisen immer wieder en vogue ist) zu imitieren.

Und sie macht das nicht nur, weil sie es kann und mag, sondern weil sie es für notwendig hält, im politischen Aktivismus eine poetische und kämpferische Haltung einzunehmen: Poesie braucht es, weil es beim Verändern von eingefahrenen und etablierten Strukturen nicht nur um die rationale intellektuelle Ebene geht, sondern um Gefühle, Gewohnheiten, Begehren. Sie müssen eingeübt und verinnerlicht werden – und klare, einfach Sätze, Verse, Redewendungen helfen dabei.

Eine kämpferische Haltung wiederum braucht es, weil eine solche Weltveränderung niemals einfach ist, weil es Widerstände gibt, weil es Kämpfe gibt, aus denen man nicht so einfach ungeschoren herauskommt. Es braucht körperliche Präsenz, das Einstehen für die eigenen Überzeugungen in erster Person, in Fleisch und Blut. Und auch, dass es dafür unabdingbar ist, sich mit anderen zusammenzuschließen, nicht einfach mit „den Frauen“, sondern mit „diesen Frauen, denen ich vertraue und auf die ich mich verlassen kann“ – auch diese politische Praxis wird in dem Film sehr anschaulich.

AUDRELORDE_dvd.inddInfos zum Film gibt’s hier

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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

2 Gedanken zu “Audre Lorde: Poetik des politischen Denkens

  1. vielleicht passt dazu diese Überlegung, schwarze Frauen sind anders als weiße Frauen. wir müssen aufpassen, dass sie nicht zu Bittstellern werden, denn wir suggerieren das, weil wir meinen wir wüssten was! Lass uns das mal genauer betrachten unter dem Mantel, dass wir die Welt in unterschiedliche Völker einteilen,im Norden beginnend http://www.mathe-online.at/mathint/wfun/grafiken/bogenmass.gif da gab und gibt es die “Roten” 0Grad die von uns Krieger genannt werden, die Weißen, die wir dem Denken zuordnen 90 Grad also im Wesendlichen wir, und die Schwarzen,die wir der Liebe zuordnen können 180 Grad, sowie die Gelben, also die Asiaten 270 Grad, die einen größeren Gemeinschaftssinn haben, und dadurch weniger Individualität leben.
    In früheren Zeiten und heute auch noch gehen die HABEN-WOLLEN Menschen rückwärts also der Denker geht in den Kampf (Krieger), was uns mit unserem technologischen Fortschritt die Überlegenheit über die anderen Arten beschert hat, oder Kriege durch ausgeklügelte Strategien gewinnen ließ. Wenn nun aber die Denker in die Liebe gehen wird ihnen das Gegenüber also die Gemeinschaft geschenkt, das passiert u.v.a. gerade durch die Schwarmintelligenz im Internet. Wenn die Schwarzen, die in der Liebe sind ins Denken gehen, wollen sie durch ihre sozial größere Kompetenz Vorteile erringen, was sie aber zu Bittstellern macht, gehen sie aber in die Gemeinschaft bekommen sie das Kämpferische geschenkt, also immer das Gegenüberliegende. Wenn die Gelben in den Kampf gehen kommen sie in die Individuation und bekommen das gegenüberliegende das Denken geschenkt, das sind die Stockkämpfe der ZEN-Mönche, die dabei noch diskutieren, um dabei den “Gegner” in die Kniee zu zwingen, es wird als Spiel erlebt. Hiermit ist nicht mehr unsere Art das allein Seligmachende, obwohl der Start hier ist, denn erst durch unsere Solidarität auf A u g e n h ö h e ohne Strategie wird die Isolationspolitik der bestimmenden denkenden Strategen verschwinden: https://www.youtube.com/watch?v=HD9O7gEequA

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