Gleichstellungs-Elend in a Nutshell

Isa Sonnenfeld von Twitter Deutschland hat  in einem Interview mit EditionF  in einem Satz exemplarisch anschaulich gemacht, warum das Konzept „Gleichstellung“ meiner Ansicht nach einen falschen symbolischen Ansatz fährt. Sie antwortet auf die Frage, warum Twitter in seiner Führungsspitze kaum Frauen hat:

Die Vielfalt der Mitarbeiter und gerade die Förderung von Frauen gehört mittlerweile zu einer der Prioritäten bei uns. Wir wissen, dass es nicht nur das Richtige ist – es macht auch wirtschaftlich Sinn für Twitter. Studien haben gezeigt, dass ein gemischtes Team bessere Entscheidungen trifft und Frauen in Führungspositionen bessere finanzielle Resultate erzielen. Twitter ist natürlich keinenfalls immun gegen die weltweiten Entwicklungen im Technologie-Bereich, das heißt ein fehlendes Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen im Unternehmen, aber wir arbeiten hart daran, den Trend in eine andere Richtung zu lenken.

Hier die drei Bullshit-Bingos des Gleichstellungs-Diskurses, die in diesem kurzen Absatz so schön auf den Punkt gebracht sind, aber natürlich nicht nur hier vorkommen. Sie sind inzwischen mehr oder weniger Standard, wenn es um das Thema geht. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich dabei bestimmte Diskurs-Versatzstücke verselbstständigt haben und immer wieder nachgeplappert werden – daher ist Bullshit-Bingo auch nicht als Metapher zu verstehen.

1. Der Ansatz „Förderung von Frauen“ ist allertiefste Achziger. Ich weiß, dass in vielen Unternehmen noch geglaubt wird, die Ursache der dortigen Männerdominanz sei ein Defizit weiblicherseits, weshalb die armen, minderbemittelten Frauen „gefördert“ werden müssten. Genau dieser Blick auf Frauen und auf die Geschlechterdifferenz ist aber ein wesentlicher Teil des Problems. Wer heute noch so an die Sache herangeht, ist jedenfalls auf einem völlig falschen Gleis. Nicht Frauen haben Defizite und müssen also gefördert, sondern die Unternehmenskultur hat Defizite und muss also verändert werden. (Der Begriff „Frauenförderung“ kommt in dem Interview noch mehrfach vor, sowohl in den Fragen als auch in den Antworten.)

2: Der Wunsch, mehr Frauen in einem Unternehmen zu haben, wird mit wirtschaftlichen Interessen und der Aussicht auf mehr Gewinn gerechtfertigt. Frauen haben aber nicht die Aufgabe (und Feministinnen schon gar nicht), den Kapitalismus zu verbessern oder den Gewinn von Unternehmen zu erhöhen. Allerdings wurde Isa Sonnenfeld ja nicht als Feministin, sondern als Repräsentantin von Twitter interviewt, von daher ist ihre Antwort völlig legitim. Sie zeigt aber, dass wir von Unternehmen nur solange Rückenwind in Geschlechterdingen zu erwarten haben, wie wir belegen können, dass sich das für sie „rechnet.“ Von einem sich als feministisch verstehenden Magazin wie EditionF hätte ich mir jedoch doch die eine oder andere kritische Rückfrage erwartet.

3: Das „Das ist eben so“-Argument. Denn natürlich kann Twitter nichts dafür, dass es dort keine Frauen gibt, haha, sondern es ist hier nur selber Opfer „der weltweiten Entwicklungen im Technik-Bereich“. Aber Twitter stellt sich dem mutig entgegen und „arbeitet hart daran“, sich dieser bösen Welt, für die es ja gar nichts kann, entgegen zu stemmen. Vermutlich sollen wir den Helden von Twitter dafür jetzt auch noch dankbar sein.

Thanks, but no thanks.

Stattdessen noch einen Satz aus dem Interview, der sich eins zu eins in ein Kabarettprogramm aufnehmen ließe :))

Wir haben bei Twitter eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen und Initiativen, die sich für mehr Diversity und Equality stark machen. Dazu zählen beispielsweise die „Super Women At Twitter” – kurz SWAT –, Womeng und Wux. Womeng ist angetreten, um mehr Softwareentwicklerinnen zu Twitter zu holen beziehungsweise zu halten. Wux steht für „women in UX” und macht sich zum Ziel, mehr Frauen für die Arbeit in unseren Design-Teams zu begeistern.

PS: Wer ein Wort wie „Frauenförderung” ohne Facepalm im Mund führen kann, spricht über Frauen auch konsequenterweise im generischen Maskulinum. Ich glaube, es geht hier nicht nur um eine Sprachkonvention, sondern um einen wirklich inhaltlichen Konflikt über die Aufgaben und die Ausrichtung von Feminismus. Substanzielle (feministische) Gesellschaftskritik ist weder im generischen Maskulinum noch unter dem Frauenförderungs-Paradigma denkbar.

PPS:  Wie Gleichstellung praktisch und symbolisch besser geht, lässt sich in dem neuen Buch von Anke Domscheit-Berg („Ein bisschen gleich ist nicht genug”) nachlesen. Ihr gelingt es, das Konzept Gleichstellung aus den Achztigern in die Jetztzeit weiterzuentwickeln, und zwar unter Einbeziehung feministischer Debatten der vergangenen Jahre. Das Buch macht mich jetzt noch nicht unbedingt zu einem glühenden Fan der Gleichstellung, aber immerhin doch hoffnungsvoll, dass Gleichstellung nicht immer in eine falsche Richtung zielen muss, sondern durchaus die Freiheit der Frauen auch befruchten und vergrößern kann :))

 

 

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

23 Gedanken zu “Gleichstellungs-Elend in a Nutshell

  1. Die Grundlage einer natürlichen Gesellschaft ist durch natürliches Lernen vorgegeben und wenn das in Firmen nicht geleistet wird, werden Frauen wie Männer dort durch Belohnungs- und Betrafungssysteme unterdrückt und ruinieren damit die Firma, weil ihnen die Freude am Tun genommen wird, und sie nur noch auf Gewinnmaximierung eingeschworen werden, was aber nicht funktioniert. Deshalb kann zum Tag der Arbeit angeführt werden, wir dürfen mit der Gleichberechtigung viel früher beginnen. Zum Beispiel in der Schule wo erst in Finnland die Fächer abgeschafft wurden, damit ganzheitliches fächerübergreifendes Lernen möglich ist. Hier der Ansatz in Österreich http://www.laisschule.at/unser-konzept/

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  2. Wo spricht sie in den Zitat denn im generischen Maskulinum von Frauen? Sie schreibt doch explizit „Softwareentwicklerinnen“.

    Im Übrigen finde ich das Argument nicht falsch, dass Twitter alleine nichts Grundätzliches an der geringeren Zahl Tech-interessierter Frauen ändern kann.(Oder glaubst du im Ernst, es sei gelogen, dass Frauen mehrheitlich lieber „was mit Menschen“ machen?)

    Sie können sich bei sich bemühem, mehr Frauen „anzulocken“ und zu halten – die Methoden müsste man aber erst kennen, bevor man sie allein wegen eines veralteten Sprachgebrauchs verurteilt. Vielleicht gehören unternehmenskulturelle Änderungen ja durchaus dazu.

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  3. Liebe Antje,
    vielen Dank für Ihre Hartnäckigkeit, dass Sie die sich gleichenden, manipulierenden bis dümmlich-kampagnienartig geäußerten Argumente, Gedanken, Metapharn über/zu Frauen und ihrem Platz in der Gesellschaft geistreich und sachlich auseinander nehmen und uns an Ihrer Reflektion teilhaben lassen.
    Mich machen vor allem diese Nutzwert-Argumente über Frauen – gut für Gewinn, gut für Teamatmo etc. (habe ich über Männer noch nicht gehört) und die mit teils unsäglichen Argmenten geführte Frauenquotendiskussion – bisweilen unglaublich zornig. Gleiche Teilhabe von Frauen in Politik, Wirtschaft, Bildung, Kultur etc. – das ist für mich das entscheidende. Bei „Frauenförderung“ kriege ich auch Pickel.

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  4. “Der Wunsch, mehr Frauen in einem Unternehmen zu haben, wird mit wirtschaftlichen Interessen und der Aussicht auf mehr Gewinn gerechtfertigt. Frauen haben aber nicht die Aufgabe (und Feministinnen schon gar nicht), den Kapitalismus zu verbessern oder den Gewinn von Unternehmen zu erhöhen.”
    Ja, sehe ich auch so.
    Die moderne Ökonomie verlangt nicht nach Feminismus, sondern nach der Verwertbarkeit sog. femininer Eigenschaften die auch und gerade von männlichen Führungspersonen als soziale Kompetenzen in die vorherrschende Ideologie eingehegt werden, was heißt: Unternehmen streben nach Profitsteigerung und nicht nach Emanzipation von Frau und Mann.

    Die Forderung nach vermeintlich weiblich/sozialen Kompetenzen in die Unternehmenskultur täuscht eine Frauen-Emanzipation vor und und erschafft mit den traditionellen Konstruktionen von Weiblichkeit eine vermeintlich ‘neue Männlichkeit’. Als Befreiungsprozess kann das weder von Frauen, noch von Männern gefeiert werden!

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  5. Mit dem generischen Maskulinum werden Gruppen, die gemischt sind, unter einer männlichen Form subsumiert. Softwareentwicklerinnen ist in dem Zitat ein ganz normales Femininum, weil ja ausschließlich Frauen gemeint sind.

    Meine Kritik bezieht sich hier aber auf EditionF generell, deren prinzipielles Konzept es ist, im generischen Maskulinum zu schreiben, ich hatte das der Redaktion gegenüber auch schon mal kritisiert, aber sie wollen es explizit so haben.

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  6. Leider wird das Argument gegen Gleichstellung auch auf Dinge ausgedehnt, die die absoluten Basics sind. So wurde mir schon öfter vorgeworfen, ich wolle nur mit den Jungs gleichziehen, wenn ich mich gegen Beleidigungen gegen Frauen ausgesprochen habe. Daher finde ich, sollte eine nicht Gleichstellung kritiklos kritisieren,

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  7. ich denke Ute Plass hat das deutlich ausgedrückt: „Die Forderung nach vermeintlich weiblich/sozialen Kompetenzen in die Unternehmenskultur täuscht eine Frauen-Emanzipation vor und und erschafft mit den traditionellen Konstruktionen von Weiblichkeit eine vermeintlich ‘neue Männlichkeit’. Als Befreiungsprozess kann das weder von Frauen, noch von Männern gefeiert werden!“
    Und jedem Mann und jeder Frau sollte klar sein, es geht um ihre Verwertung,also eine Warenbeziehung die mit Hilfe von sozialen Fähigkeiten den Gewinn steigern soll. So wie Afrikaner mit einer höhreren sozialen Kompetenz auch Frauen leichter hinter das Licht führen können, wenn sie begehrlicher sind als nur auf eine Frau. Und somit darf etwas anderes passieren, das Befreiung möglich wird. In dem System von „SCHAU MIR NICHT IN DIE KARTEN“,was wir noch alle mehr oder weniger spielen, wird es nicht gelingen, denn das Spiel ist unnatürlich. Der neue Ansatz entwickelt sich nicht in Betrieben, sondern in Bereichen, wo die Begeisterung das Ziel ist, nicht der materielle Gewinn. http://www.laisschule.at/unser-konzept/

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  8. Mich hat in dem Interview ebenfalls gestört, dass sie die ständige Verfügbarkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschreibt. Das ist für Männer wie Frauen (denen ja oft der Hauptteil der Familienarbeit zufällt) mit einem privaten Leben doch nur schwer in Einklang zu bringen.

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  9. Mich hat an dem Interview auch gestört, dass sie die ständige Verfügbarkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschreibt. Das ist für Männer wie für Frauen (denen ja oft der Hauptteil der Familienarbeit zufällt) nicht mit einem privaten Leben in Einklang zu bringen.

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  10. Wenn ich das so alles lese, bin ich heilfroh, dass ich nicht mehr im Berufsleben steh. Mein Gott, ist das alles kompliziert. Nein danke!

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  11. Aufgabe eines Unternehmens ist Gewinnerzielung.
    Wenn eine Frau es nicht als ihre Aufgabe betrachtet, den Gewinn ihres Arbeitgebers (oder ihrer eigenen Firma) zu erhöhen, dann wird sie über eine Sachbearbeiterposition auch nicht hinauskommen.

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  12. @_Flin_: Darum geht´s doch. Ohne den Willen zur Gewinnoptimierung darf niemand anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben. Diese Tätigkeiten können aber auch ohne den Anspruch an Gewinnoptimierung ausgeführt werden. Das hängt nicht naturgesetzlich zusammen. Eine kann prima Software entwickeln, weil sie evtl. sowas selbst benutzen möchte … und vieles mehr.

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  13. Der Ansatz „Förderung von Frauen“ ist allertiefste Achziger.

    Damals war er aber auch nötig. Können ja nicht alle Abiturientinnen Germanistik studieren und anschließend in einer PR-Agentur arbeiten oder reich heiraten.

    Außerdem war Geschlecht in den Achtzigern noch gar kein Konstrukt. Damals war das Matriarchat das große Ding und esoterischer Gesundheitskram und Astrologie.

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  14. Sehr gut auf den Punkt gebracht. Frauenförderung hört sich an wie die Hilfe für minderbemittelte denen man dann auch rosa Taschenrechner zuteilt, weil genderfair und so. Fände es sehr schön wenn diese Kategorisierungen mal aufhören und wir als gleichberechtigte Menschen gesehen werden.

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  15. Ich empfinde den Ärger über die wirtschaftlichen Vorteile, die Sonnenfeld erwähnt, ehrlich gesagt, etwas ungerecht angesichts der Tatsache, dass sie ja explizit darauf hinweist, dass „gemischte“ Gruppen sowie (mehr) Frauen in den Führungspositionen 1. „nicht nur das Richtige“ seien, sondern 2. „auch wirtschaftlich Sinn“ machten. Somit weist sie ja sehr wohl auf den moralischen, und eben deshalb bedeutsameren Grund für einen besseren Frauenanteil hin. Dass ein besserer Frauenanteil nicht nur gerecht, sondern auch noch wirtschaftlich förderlich ist, sollte man/frau m. E. schon einmal erwähnen dürfen.

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  16. Bei dem Thema Frauenförderung gilt es unbedingt zu differenzieren.
    Speziell fördern können wir tatsächlich Menschen, die in einem bestimmten Anforderungsmerkmal Defizite haben. Kinder die mit der Aussprache Probleme haben werden zur Logopädin geschickt. In der akademischen Gleichstellung, gibt es entsprechendes, z. Bsp. Berufungstrainigs für weibliche Postdocs und das ist sicher nicht per se eine schlechte Massnahme. Vielmehr kommt es darauf an, wie solche Massnahmen in die Gesamtstrategie eines Gleichstellungsbüros eingebunden sind.
    Dann gibt es noch ein anderes Fördern: In Interviews mit Menschen mit einer erfolgreichen Berufskarriere kommen diese oft darauf zu sprechen, dass sie den ausschlaggebende Faktor für ihren beruflichen Erfolg darin sehen, dass sie das Glück hatten, an einem sehr frühen Zeitpunkt ihrer Karriere auf Vorgesetzte zu treffen, die ihnen etwas zutrauten, die ihnen Verantwortung übergaben, sie forderten und damit förderten.
    Fördern kann also auch heissen, Begabung wird überhaupt anerkannt. In diesem Sinne ist Frauenförderung sicher kein alter Zopf, sondern dringend notwendig.

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  17. Aktuell zum Kita-Streik:
    Für Freiburgs Verdi-Chef ist dies ein „praktischer Beitrag zur Frauenförderung, wirksamer als dicke Bücher über Gleichberechtigung“.
    Mit ’seiner Frauenförderung‘ reanimiert der Gewerkschaftler alte Rollenbilder, anstatt klar zu machen, dass dieser Streik ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist, der auch verdeutlicht, dass ohne Sorge/Care/Arbeit die vielbeschworene Wirtschaft gar nicht
    existieren würde!

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