Thema Urheberrecht: Wofür werden Autor_innen eigentlich bezahlt?

Gestern im Tagesspiegel schrieb Else Buschheuer,   dass sie, seit sie twittert, nicht mehr bloggt, und dass sie seither vier Texte verkauft habe, die sie früher „umsonst“ ins Internet gestellt hätte. Als ich das las, dachte ich, dass es doch eigentlich noch besser wäre, wenn sie die Texte sowohl ins Internet stellen, als auch verkaufen würde. Ist das nicht wieder mal so ein falscher Gegensatz?

Das Urheberrecht ist derzeit in der Debatte, ebenso die miesen Verdienstmöglichkeiten für freie Autorinnen und Autoren, über die Hilal Sezgin vor einiger Zeit so eindrücklich in der taz geschrieben hat  Meiner Ansicht nach sind die dazu diskutierten Lösungen aber allesamt unbefriedigend. Bezahlte Texte aus dem Internet „rauszuhalten“ (oder, die Alternative, durch ein strenges Urheberrecht Bezahlung dafür einzutreiben) ist eine künstliche Verknappung des Angebots. Sie hat nicht nur den Nachteil, dass die Texte dann vielen unzugänglich sind, sondern auch – aus meiner Sicht als freie Autorin noch viel schlimmer – dass die Verbreitung von Ideen dadurch behindert wird. Etwas überspitzt gesagt: Was ich schreibe, finde ich so toll, dass ich es gerne auf allen verfügbaren Kanälen verbreiten will.

Die „Gewerkschaftslösung“, die Hilal Sezgin in ihrem Artikel vorschlägt, also dass Autor/innenverbände verbindliche Honorarregelungen aushandeln, an die sich Medien dann auch halten, ist angesichts der Marktmechanismen eher unwahrscheinlich. Außerdem folgen Gewerkschaften einer Massenlogik (eine Lösung für alle), die heute nicht mehr funktioniert. Die derzeit diskutierte Lösung „Kulturflatrate“ gefällt mir auch nicht, denn da fragt sich doch gleich wieder, welche illustren Gremien denn dann wohl darüber entscheiden, wer vom Kuchen etwas abkriegt – und wer nicht.

Angesichts vieler schlechter Lösungen sollte man sich nicht für die am wenigsten schlechte entscheiden, sondern eine bessere suchen. Also: Was tue ich eigentlich genau, wenn ich einen Text schreibe und veröffentliche? Was daran ist bezahlenswert und von wem?

Da gibt es drei Möglichkeiten: Entweder ich schreibe, weil ich etwas sagen will, ein Thema wichtig finde und meine Gedanken dazu in die öffentliche Debatte bringen möchte (dieser Text gehört in diese Kategorie). Oder ich schreibe, weil jemand anderes mich damit beauftragt hat, weil er oder sie sich davon offenbar etwas erhofft (das ist der Fall bei den meisten Artikeln oder Vorträgen die ich schreibe). Oder, drittens, ich schreibe, um Geld zu verdienen.

Früher haben sich diese drei Faktoren oft vermischt, wenn auch nur idealerweise. Ich glaube, um die heutige Situation zu verstehen, muss man sie trennen.

Zum ersten Punkt: Texte, die ich schreiben will, schreibe ich sowieso – und das Internet gibt mir die fantastische Möglichkeit, sie auch noch publizieren und bewerben zu können. Das ist ganz wunderbar, denn ich bin dabei völlig unabhängig von den üblichen Kanälen (Universitäten, Verlage, Redaktionen), bei denen ich in vor-digitalen Zeiten Klinken putzen musste.

Was direkt zum zweiten Punkt führt: Gerade, indem ich meine Ideen frei ins Internet stelle, finde ich Menschen, die mich mit irgendwelchen Dingen beauftragen – und mir dafür auch Geld bezahlen. Nur weil meine Vorträge im Netz stehen, wissen sie ja, dass ich Themen auf eine Art und Weise bearbeite, die ihnen gefällt. Nur was genau bezahlen sie dann? Sie bezahlen nicht die Ideenproduktion als solche (worum es im Urheberrecht geht), sondern deren Bearbeitung für ihr genaues Bedürfnis: dass ich bei ihnen einen Vortrag halte oder einen Text, der im Netz schon längst steht, für genau ihr Medium, ihre Publikation noch einmal aufbereite, oder dass ich einen Gedankengang, den ich längst entwickelt und publiziert habe, in ihrem Kontext noch einmal vermittle, etwa bei einer Podiumsdiskussion.

Seit ich mir klar mache, dass ich nicht meine Ideen verkaufe (die sind im Netz frei verfügbar), sondern deren Vermittlung, kann ich in solchen Fällen viel besser über Geld verhandeln. Weil nämlich die alten Argumente, Honorare zu drücken, bei mir nicht mehr funktionieren. Ich soll mich ohne Honorar fürs Fernsehen interviewen lassen oder eine Lesung halten, um mein Buch zu promoten? Hab ich nicht nötig, ich promote mich selbst. Wenn ich für so etwas Zeit aufwende, dann nicht für mich, sondern für die Auftraggeberin, also will ich Geld sehen. Oder: Ich soll ohne Honorar einen Vortrag halten, weil das Projekt so politisch, gemeinnützig, wichtig ist, aber leider keinen Etat hat? Kann ich inzwischen ganz ohne schlechtes Gewissen absagen: Sie können meine Texte zu ihrem Thema ja aus dem Internet ziehen und selber lesen – der „guten Sache“ ist also Genüge getan. Meine Erfahrung ist, dass sich auf dieser Basis gute Honorare aushandeln lassen, und wenn nicht, verbringe ich meine Zeit jedenfalls nicht mit Gratisarbeit.

Das heißt, das Autorin-Sein, sofern es Quelle des Gelderwerbs ist, funktioniert heute anders. Nicht die Originalität der Idee wird bezahlt, denn die Idee als solche steht allen zur Verfügung, sondern die Vermittlung dieser Idee – und die hat tatsächlich immer noch einen Marktwert, vielleicht sogar einen steigenden. Jedenfalls mache ich diese Erfahrung.

Bleibt der dritte Punkt. Was ist mit denen, die ausschließlich schreiben, um Geld zu verdienen? Ich glaube ja nicht, dass das viele sind – aber die es betrifft, sollten vielleicht doch lieber etwas anders machen. Es kann doch nicht sinnvollerweise einen Anspruch darauf geben, mit einer bestimmten Tätigkeit Geld zu verdienen. Schon viele ehedem nützliche Berufe sind im Lauf der Zeit ausgestorben. Warum auch nicht der der Autor_in gegen Geld?

Bleibt natürlich die Frage, was mit jenen Autor_innen ist, die zwar aus Engagement und um der Themen willen schreiben, ihre Ideen aber nicht „verkaufen“ können? Dafür kann es ja viele Gründe geben, die nichts mit der Qualität ihrer Arbeit zu tun haben müssen. Sie brauchen natürlich trotzdem Geld zum Leben. Aber dieses Problem betrifft ja nicht nur sie, sondern viele Menschen, die wichtige Dinge tun, die aber nicht marktförmig verwertbar sind. Wir brauchen also nicht Subventionen für eine bestimmte Art von Arbeit, sondern ein bedingungsloses Grundeinkommen. Damit alle Menschen ohne Konformitätsdruck das machen können, was ihnen wichtig ist.



Danke für die Spende!

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

20 Gedanken zu “Thema Urheberrecht: Wofür werden Autor_innen eigentlich bezahlt?

  1. Liebe Frau Schrupp,

    vielen Dank für den Artikel. Ähnliches wird derzeit auch in der Musik diskutiert. In unserem Blog haben wir Ihren Artikel aufgegriffen und ein paar kurze Gedanken zu Internet und Musik dazugeschrieben.

    Mit musikalischen Grüßen,

    ANA & ANDA
    Musik und Bühnenkunst

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  2. Liebe Antje,
    mit Deiner Frage im Kommentar zu unserem Blogeintrag „Geld, Kunst und Arbeit“ hast Du uns glatt zu einem zweiten Teil inspiriert. Zu finden ab sofort bei uns im Blog unter „Geld, Kunst und Arbeit, Teil II“. Wir sind gespannt auf weiteren Austausch.

    Bis bald, liebe Grüße,

    ANA & ANDA
    Musik und Bühnenkunst

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  3. Ein wunderbarer Text, der mir aus der Seele spricht und die Dinge genau auf den Punkt bringt. Herzlichen Dank dafür!

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  4. Ich finde sowieso, eine Gesellschaft, die Wissen und Ideen nicht jedem zugänglich macht, schadet nur sich selber. Was könnten „die kleinen Leute“ Patente anmelden, wenn Physikportale nicht nur gegen Studiengebühren zugänglich wären…

    Die armen Superstars der Musikszene, deren Songs jetzt kostenlos runtergeladen werden? gegenüberstellen möchte ich
    – die Kassiererin, die echt jeden Tag arbeiten gehen muss statt ihre einmal verfilmte Arbeit Jahr um Jahr ohne neu hinzugehen entlohnt zu bekommen!
    – die Chirurgin, die immer neu Verantwortung trägt statt ihre einmal verfilmte Arbeit Jahr um Jahr ohne neu hinzugehen entlohnt zu bekommen!

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  5. @Astrid Mal sehen, ob es in ein paar Jahren noch Kassiererinen gibt oder diese Arbeitsplätze schon wegautomatisiert wurden.

    http://bit.ly/bpRnOJ

    Andererseits gibt es heute viele Menschen, die unentgeltlich Werte schaffen und die Gesellschaft profitiert davon. Es gibt einige, die sich ein unentgeltliches Schaffen leisten können, weil sie eine Arbeit haben und nicht auf Transfairleistungen angewiesen sind. Wenn nun die Arbeit aber in zu nehmendem Maße automatisiert wird, wird eine Vollbeschäftigung wohl nicht mehr möglich sein, aber für einen Umgang mit so einer Situation muss man jetzt schon nach Lösungen suchen.

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  6. Super Artikel, Frau Schrupp,
    Sie kommen genau auf den Punkt !
    Dieser Artikel ist mir etwas Wert ! Außer, dass ich ihn verlinken werde, möchte ich flattrn.
    Geht aber nicht, habe keinen Invite.
    Wer gibt mir einen ?
    Scheint gerade Engpass zu sein.

    Grüßle, der i_Peter

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  7. Ich finde es inspirierend zu lesen, was bei Dir funktioniert und warum.

    Ergänzend zur Kulturflatrate noch ein Link mit weiterer Skepsis von einem, der sich mit der VG Wort auskennt: http://wp.ujf.biz/?p=824

    Bleibt der dritte Punkt. Was ist mit denen, die ausschließlich schreiben, um Geld zu verdienen? Ich glaube ja nicht, dass das viele sind – aber die es betrifft, sollten vielleicht doch lieber etwas anders machen.

    Das ist genauso voreilig, wie wenn Du Deine Vorträge hingeschmissen hättest, nachdem das dritte Frauenprojekt leiderleider kein Geld hatte und Dich für lau wollte.

    Ich denke, viele Print-Autoren brauchen das, was Du als Vortragende schon gefunden hast, nämlich eine selbstbewusste Haltung und Vermarktungsstrategie.

    Dass Verlage die Preise drücken, heißt ja nicht, dass sie kein Geld haben und es keinen Markt mehr gibt. Heute sitzen in den Verlagen irgendwelche BWLer, die absurd hohe Renditen erreichen wollen. Aber das ist ja auch nichts, was einen Anspruch auf Bestandsschutz hätte.

    Zeitungsverlage: Jammern auf Porsche-Niveau
    http://streikblog0711.wordpress.com/2011/08/02/jammern-auf-porsche/

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  8. Für Flattr braucht man ein Invite? Kein Wunder, dass das nicht recht funktioniert.

    Mein künftiges Themenblog kriegt wohl einen Paypal-Button. Paypal haben viele eh schon wegen Ebay.

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