In der Jungle World erschien heute ein Artikel von mir, in dem ich begründe, warum ich gegen ein Burkaverbot bin. Das ist in der aktuellen Ausgabe dort Thema und wird von verschiedenen Seiten diskutiert.
Beim Redigieren ist an meiner ursprünglichen Argumentation etwas verändert worden, das den Sinn der Argumentation an einer Stelle umdreht. Kein wirklich schlimmer Lapsus und außerdem einer, an dem ich selbst schuld bin, denn die Redaktion hatte mir die bearbeitete Version zum Gegenlesen geschickt und ich hatte es übersehen.
Dass ich hier trotzdem kurz was dazu poste liegt daran, dass dieser (Flüchtigkeits?)-Fehler auf ein Denkmuster verweist, das im Bezug auf den Feminismus weit verbreitet ist: Nämlich die Vorstellung, dass das Engagement für die Freiheit der Frauen etwas ist, das speziell die Frauen selbst angehe. Ich hingegen bin der Meinung, dass es etwas ist, das die Welt als Ganze angeht.
In der ursprünglichen Fassung hatte ich geschrieben, dass Burka und Niqab (also Ganzkörperverhüllungen, die auch das Gesicht verdecken) – anders als das Kopftuch – „die Welt der körperlichen Präsenz weiblicher Individuen“ berauben. Das war meine Begründung dafür, warum ich finde, dass es sich dabei durchaus um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse handelt und nicht nur um eine Privatangelegenheit der Frauen, die solche Kleidung tragen. (Anschließend begründe ich dann, warum ich ein gesetzliches Verbot trotzdem falsch finde).
In der veröffentlichen Version heißt dieser Satz nun, dass Burka und Niqab „weibliche Individuen ihrer körperlichen Präsenz berauben“. Diejenigen, denen etwas „fehlt“ (nämlich die körperliche Präsenz) sind nun also die Frauen selbst und nicht mehr die Welt.
Das ist aber ja noch die Frage. Vielleicht fehlt Frauen, die Burka tragen, ja gar nichts. Mir – als Teil der Welt – fehlt etwas: Nämlich eine Öffentlichkeit, in der viele verschiedene Sorten weiblicher Menschen sichtbar und gegenwärtig sind.
Ebenso wie ich der Meinung bin, dass die Beschränkung des Wahlrechts auf Männer nicht in erster Linie ein Problem der Frauen war, die nicht wählen durften, sondern ein Problem der Demokratie, die in sich unlogisch wurde und der die Stimmen der Frauen fehlten. Und wie ich der Meinung bin, dass der Ausschluss von Frauen aus religiösen Ämtern, wie in der katholischen Kirche, nicht ein Problem der Katholikinnen ist, sondern ein Problem der katholischen Kirche. Und wie ich der Meinung bin, dass die Dominanz von Männern im akademischen Betrieb nicht den Frauen schadet, sondern den Universitäten. Und wie ich der Meinung bin, dass Quotenregelungen, die den Frauenanteil in Unternehmen, Parteien und so weiter erhöhen helfen könnten, nicht vorwiegend im Interesse von Frauen wären, sondern im Interesse dieser Institutionen. Etc.pp.
Ich behaupte, dass überall, wo Frauen fehlen, der Welt etwas fehlt. Die Orte, die Institutionen, die Bereiche, an denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind oder gar ganz fehlen, sind schlechter als sie sein könnten.
Die Welt braucht weibliche Freiheit. Feminismus ist keine Lobbyarbeit für Fraueninteressen, sondern eine Bewegung, bei der es um das gute Leben aller Menschen geht.


Was meinst du?