Vorgestern in der taz schrieb Männer-Kolumnist Matthias Lohre (dessen Artikel ich eigentlich immer ganz gerne lese) eine vermutlich wahre Begebenheit auf, die mich erschreckt hat. Es ging um einen Freund, der mit seiner Freundin zusammen in eine gemeinsame Wohnung ziehen will. Die Freundin hat vor, die Wände im Wohnzimmer mit Schwammtechnik pfirsichfarben zu streichen, was er schrecklich findet, und er wusste nicht, wie er es ihr sagen soll. Weil, so Lohre, „Wir jüngeren Männer sind auf Kompromisse mit Frauen gedrillt“.
Spontan hat mich der Artikel geärgert. Was für Klischees. Schwammtechnik! (Ist auch bei Frauen eigentlich schon seit zehn Jahren mindestens out). Und dann der leidende Ton des Opfers. Sie werden also „auf Kompromisse gedrillt“, die armen Männer – machen sie sich vielleicht mal ein paar Gedanken darüber, worauf wir Frauen alles gedrillt werden? Und außerdem: Kommt das nicht alles daher, dass ihresgleichen die Frauen über Jahrtausende brutal unterdrückt haben?
Nachdem jedoch mein beleidigter Feministinnenfuror etwas abgeklungen war, habe ich verstanden, dass hinter Lohres Beobachtung ein reales Problem steht: Es ist nicht gut um die Streitkultur zwischen Frauen und Männern bestellt.
Ich kann mir durchaus die Situation vorstellen, denn ich kenne das auch: Frauen, die abschätzig über Männer reden, nach dem Motto: Die haben doch eh keine Ahnung. Speziell bei Themen, die zu traditionell weiblichen Aufgaben gezählt werden (Wohnungseinrichtung!). Übrigens sind es die eher konventionell lebenden Frauen, diejenigen, die nichts mit der Frauenbewegung am Hut haben, die so auf Männer schauen. Sie haben wahrscheinlich zuviel Boulevardkram à la „Männer können nicht zuhören“ gelesen und leben das jetzt im Gestus der Emanzipation aus. (Emanzipation und Feminismus sind nämlich nicht dasselbe)
Es könnte aber auch sein, dass die Freundin von Lohres Freund zu denen gehört, die alles auf die Beziehungsebene ziehen. Vielleicht traut er sich nicht, zu sagen, dass es nur über seine Leiche pfirsichfarbene Schwammtechnik-Tapeten im Wohnzimmer geben wird (was ich zum Beispiel definitiv tun würde), weil er befürchtet, dass es nicht bei der Auseinandersetzung zu diesem Thema bliebe, sondern sämtliche Konflikte der vergangenen hundert Jahre wieder mit auf den Tisch kämen. Sowas kommt ja in Beziehungen nicht selten vor, und tatsächlich geht das öfter von Frauen als von Männern aus. Ich habe manchmal den Eindruck, diese – tatsächlich problematische – Haltung deutet auch darauf hin, dass Frauen sich mehr offen ausgetragene Konflikte mit Männern wünschen. So versuchen sie quasi verzweifelt, gleich alles auf’s Tapet zu bringen, wenn sich denn überhaupt mal eine Gelegenheit ergibt. Was natürlich der Sache nicht dienlich ist.
Mich hat das Thema vielleicht auch deshalb beschäftigt, weil es gerade in den letzten Tagen einen Konflikt gegeben hat zwischen einer meiner politischen Denkfreundinnen und einem Vertreter der Grundeinkommensbewegung. Sie war ihn recht harsch dafür angegangen, einen Kongress mitzuorganisieren, wo wieder einmal fast nur Männer eingeladen waren und die von Frauen erarbeiteten Aspekte des Themas wie so oft unter den Tisch fielen. Und sie hatte sich bei diesem Streit besonders geärgert, als er sie mit den Worten zu beruhigen versuchte: „Ich will mich nicht mit Ihnen streiten.“ Sie wollte sich nämlich streiten.
Die Unlust vieler Männer, mit Frauen zu streiten, ist nicht nur ein Phänomen in privaten Beziehungen oder ein psychologisches Problem, sondern es ist ein politisches Problem. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind heute nicht mehr so sehr dadurch belastet, dass die Männer antifeministisch eingestellt wären, sondern dass viele von ihnen desinteressiert sind an dem, was Frauen vorzubringen haben.
Jedenfalls höre ich diese Klage oft, und zwar nicht nur von den konventionellen Frauen. Eine andere politisch engagierte Freundin zum Beispiel hat mir mal einen Aufsatz zum Gegenlesen gegeben mit der Bitte um Feedback. Ich fragte sie, was denn ihr Mann, der sich mit dem Thema, um das es ging, ebenfalls gut auskennt, dazu meinen würde. Ihre Antwort war, dass er für sie bei sowas keine große Hilfe sei, weil er pauschal immer alles gut finde, was sie schreibt. Diese Art des „alles gut Findens“ ist auch eine Form des Desinteresses, und ich sehe hier durchaus eine Parallele zu der Schwammtechnikgeschichte.
Deshalb kam ich letztendlich zu dem Schluss, dass die Kolumne von Matthias Lohre zwar irgendwie ärgerlich, aber doch auch wertvoll ist: Sie hilft mir nämlich zu verstehen, woher das Unbehagen von Männern an Konflikten mit Frauen möglicherweise kommt.
Ich möchte dieses Unbehagen verstehen und ernst nehmen. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass es endet, wie im Beispiel, das Lohre erzählt: Auf dem Rückweg vom Baumarkt landet er mit seinem Freund in einem Taxi, und der Taxifahrer ist ein Macker-Patriarch alter Schule. Auf die Frage „Was würden Sie tun, wenn Sie keine Lust auf Schwammtechnik im Wohnzimmer haben?“ entgegnet er: „Dann würde ich sagen: Schätzken, verbesser doch erst mal deine Schwammtechnik in der Küche.“ Also mit der alten, sexistischen Art und Weise, in der Frauen und ihre Anliegen früher von Männern nicht ernst genommen wurden.
Natürlich ist der „neue“ und eigentlich gutwillige Mann, der nicht weiß, wie er mit seiner Freundin den Schwammtechnik-Konflikt austragen soll, von diesem Machogetue fasziniert. Es ist deshalb sehr wichtig, dass wir uns etwas Besseres einfallen lassen.
Denn vermutlich hängt alles viel weniger davon ab, ob Männer und Frauen sich gegenseitig verstehen, als vielmehr davon, dass sie endlich ernsthaft lernen, sich zu streiten.


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