
Meine „Zehn Thesen zum Equal Pay Day“ im März hatte ich mit folgender These begonnen:
1. Das eigentlich schlimme „Pay-Gap“, über das wir reden müssten, ist nicht das zwischen Frauen und Männern, sondern das zwischen Armen und Reichen. Deshalb ist es falsch, sich hier rein auf den Gender-Aspekt zu beziehen.
Bei einer Veranstaltung des Frankfurter Frauenreferats zum Equal Pay Day haben wir darüber diskutiert. Während für die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Deutschland immer die Zahl von 23 Prozent kursiert, werden kaum Zahlen für andere „Pay Gaps“ genannt. Bettina Eichhorn, die Referentin für Bildung und Arbeit im Frankfurter Frauenreferat, hatte aber die gute Idee, bei der Bundesagentur für Arbeit entsprechende Zahlen anzufordern im Vergleich von Menschen mit deutscher und anderer Staatsangehörigkeit.
In diesen Vergleichstabellen wird der „Median“ angegeben. Das ist der mittlere Wert, der die „obere“ Hälfte der Beschäftigten von der „unteren“ Hälfte trennt. Diese Zahlen müssten daher so verstanden werden: Diejenigen Frauen, die zahlenmäßig genau in der Mitte aller Frauen liegen (bei denen es also genauso viele Frauen gibt, die weniger verdienen, wie Frauen, die mehr verdienen als sie) bekommen 22 Prozent weniger Bruttolohn als die entsprechenden Männer.
Über die „Durchschnittslöhne“ sagt diese Zahl nichts aus. Allerdings gibt sie durchaus ein Verhältnis an, vor allem im Vergleich von Bevölkerungsgruppen zueinander. Die folgenden Zahlen beziehen auf Vollerwerbs-Arbeitsplätze und auch nur auf Frankfurt. Aber sie sind doch wohl ein interessanter Vergleichswert. Hier sind also nun die Zahlen:
1. Deutsche Männer: 4234 Euro
2. Alle Männer: 3980 Euro
3. Alle Deutschen: 3758 Euro
4. Mittelwert aller: 3587 Euro
5. Deutsche Frauen: 3200 Euro
6. Alle Frauen: 3103 Euro
7. Ausl. Männer: 2642 Euro
8. Alle Ausl.: 2542 Euro
9. Ausl. Frauen: 2407 Euro
Die „Pay Gaps“ berechnen sich nun folgendermaßen: Wenn man die Differenz der Mediane von „allen Männern“ (3980) und „allen Frauen“ (3103) bildet, kommt man auf 877 Euro. Dies sind 22 Prozent vom „Männerlohn“, das heißt, die Median-Frau verdient 22 Prozent weniger als der Median-Mann.
Man könnte es natürlich auch andersrum rechnen und den „Frauenlohn“ zum Maßstab nehmen. Dann käme man zu der Aussage, dass die Median-Männer 28 Prozent mehr verdienen als die Median-Frauen. Aber ich halte mich im Folgenden mal an die Konvention, nehme also als Maßstab den jeweils höheren Verdienst. Auch so ist der Befund aufschlussreich.
Denn es kommt heraus, dass der Lohnunterschied zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen sehr viel höher ist als der zwischen Männern und Frauen: Die „Median-Menschen“ anderer Staatsangehörigkeit verdienen 32 Prozent weniger als die deutschen Median-Menschen, nämlich nur 2542 Euro im Vergleich zu 3758 Euro.
Noch größer ist der Unterschied zwischen deutschen und nicht-deutschen Männern, nämlich knapp 38 Prozent. Interessant: Auch der Unterschied zwischen deutschen und nicht-deutschen Frauen ist noch größer als der allseits diskutierte Gender-Pay-Gap, nämlich knapp 25 Prozent. Das heißt, für die Ungleichheit beim Einkommen spielt die Herkunft eine weitaus größere Rolle als das Geschlecht, allerdings ist die Ungleichheit unter Männern noch einmal sehr viel größer als die Ungleichheit unter Frauen.
Ebenfalls interessant ist es, wenn man das Gender-Pay-Gap mit der Herkunft kombiniert. Der Lohnunterschied zwischen deutschen Median-Männern und -Frauen beträgt gut 24 Prozent, der zwischen nicht-deutschen Median-Männern und -Frauen nicht einmal 9 Prozent! Das heißt, innerhalb der nicht-deutschen Bevölkerung ist die Geschlechtergleichheit im Bezug auf das Einkommen sehr viel besser als innerhalb der deutschen Bevölkerung.
Ganz krass wird es natürlich, wenn man deutsche Männer mit nicht-deutschen Frauen vergleicht: Hier beträgt die Differenz der Mediane über 43 Prozent. Vergleicht man hingegen deutsche Frauen mit ausländischen Männern, kommt man „nur“ auf gut 17 Prozent.
Fazit: Im Bezug auf ungleich verteilte Einkommen spielt die Herkunft eine deutlich größere Rolle als das Geschlecht. Sowohl das Geschlecht als auch die ausländische Herkunft haben jedoch einen klar „egalisierenden“ Effekt: So sind die Unterschiede zwischen Frauen verschiedener Herkunft sehr viel kleiner als zwischen Männern verschiedener Herkunft, und die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der nicht-deutschen Bevölkerung sehr viel geringer als bei der deutschen Bevölkerung.
Ich meine, das ist ein guter Diskussionsstoff für weitere Equal-Pay-Tage!


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