Kürzlich starteten Journalistinnen unter dem Motto www.pro-quote.de eine Initiative, die in den deutschen Medien mehr Frauen in Führungspositionen bringen soll. Genannt wurde die Zahl von zwei Prozent Chefredakteurinnen, und das ist in der Tat ja genauso desolat wie in Aufsichtsräten. Von daher ist es der Aktion gelungen, auf eine wirklich krasse Schieflage hinzuweisen.
Trotzdem habe ich den Aufruf nicht unterzeichnet. Und zwar nicht nur, weil darin eine Frauenquote gefordert wird und ich ja bekanntlich keine große Quotenfreundin bin.
Was mich noch viel mehr stört ist, dass hier die Frauenquote gefordert wird. Der Aufruf besteht ja aus einem offenen Brief „an die Chefredakteure, Intendanten, Verleger und Herausgeber“, denen – bezeichnenderweise unter Berufung auf die Autorität eines weiteren Mannes, Gabor Steingart vom Handelsblatt – gesagt wird: „Wir fordern, dass mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen im Laufe der nächsten fünf Jahre mit Frauen besetzt werden – und zwar auf allen Hierarchiestufen. … Schaffen Sie das?“
Diesen symbolischen Akt, dass gestandene Frauen, teilweise Chefredakteurinnen, sehr viele Ressortleiterinnen, unter Berufung auf eine männliche Autorität einen Brief an ihre Kollegen und Chefs schreiben und von ihnen etwas fordern, halte ich für sehr problematisch.
Um es einmal ganz klarzustellen: Ich fordere von Chefredakteuren, Intendanten und Verlegern rein gar nichts. Ich glaube nämlich nicht, dass sie in der Lage sind, gesellschaftliche Probleme zu lösen oder dass sie dazu beitragen können, meinen Wunsch nach einer Welt mit mehr öffentlichem Einfluss von Frauen zu verwirklichen. Ich fordere von ihnen nichts, sondern ich trage mit ihnen einen politischen Konflikt aus. In diesem Konflikt bin ich die Handelnde, nicht die Bittende.
Etwas von jemandem zu fordern bedeutet immer auch, ihm Autorität zuzusprechen. Wer etwas von jemandem fordert, sagt damit zugleich aus, selbst nichts tun zu können und für das Erreichen der eigenen Wünsche und Ziele auf die Hilfe des anderen, an den die Forderung gerichtet ist, angewiesen zu sein.
Hierin liegt meines Erachtens ein wichtiger Grund, warum die Frauenbewegung für viele Frauen keine große Autorität hat: Sie stellt zu viele Forderungen und setzt sich damit selbst in die Position derjenigen, die nichts ausrichten kann. Warum soll ich mich mit meinem Wunsch, etwas zu bewirken und etwas zu tun, an einer Bewegung orientieren, die mir eingestandenermaßen gar nicht helfen kann, sondern selbst auf die Hilfe anderer angewiesen ist? Warum sollte ich mich dann nicht direkt an die Mächtigen wenden und ihnen meine Wünsche anvertrauen?
Mit Forderungen muss man sehr vorsichtig sein. Denn mit jeder Forderung bestärkt man die Macht und Wichtigkeit des Gegenübers. In der Tat war die Quoten-Forderungs-Initiative der Medienfrauen auch postwendend eine willkommene Gelegenheit für den einen oder anderen Herren Chefredakteur, sich mit seiner Meinung contra oder pro zu Wort zu melden. Der eine macht den Frauen wohlwollend von oben herab Versprechungen, sichert ihnen sein Mitgefühl und seine Unterstützung zu. Der andere erklärt ihnen, warum ihre Forderung dumm und falsch ist. So oder so: Papa erklärt die Welt und entscheidet, ob die Kinder das Bonbon bekommen oder nicht.
Ich freue mich natürlich, wenn Männer sich für die Ansichten von Feministinnen interessieren, gerne dürfen sie sich auch für Quoten einsetzen und Frauen fördern. Aber wenn sie das tun, dann ist das ihre Sache. Sie sollen es nicht mir oder „den Frauen“ zuliebe tun, sondern weil sie verstehen, warum die Abwesenheit von Frauen ein Problem ist und weil der Einsatz für mehr weiblichen Einfluss ihrer Überzeugung entspricht. Nur dann ist es etwas wert. Aber dann muss ich auch nichts mehr von ihnen fordern, denn sie sind ja sowieso schon bei der Sache.
Männer hingegen, die immer noch im Patriarchatsmodus leben und meinen, sie seien die Herren der Welt und die Repräsentanten der Normalität und könnten sowieso alles besser und seien auf Frauen nicht angewiesen – nun, solche Männer nehme ich hin wie schlechtes Wetter oder eine Lungenentzündung: Ich muss damit zurechtkommen, ich muss Gegenmaßnahmen ergreifen, ich muss sie, wo möglich, bekämpfen und versuchen, sie zu entmachten. Aber von ihnen zu fordern, sie mögen doch bitte eine Frauenquote einführen, ist in etwa so sinnvoll, wie der Lungenentzündung einen Brief zu schreiben, sie möge doch bitte weggehen oder wenigstens nicht so weh tun.
Aber auch wenn ich die Form des Protestes der Medienfrauen ganz falsch finde, so finde ich natürlich das Anliegen vollkommen richtig: nämlich dem lange angestauten Unmut über die Zähigkeit und Ignoranz der so genannten „Leitmedien“ Ausdruck zu verleihen und etwas dagegen unternehmen zu wollen.
Hier ist also mein Aktionsplan, was wir dagegen unternehmen können (und was ich bereits dagegen unternehme):
- Ich praktiziere in meinem persönlichen Einflussbereich eine 50 Prozent Frauenquote. Das heißt, ich achte bei allen Aufträgen, die ich zu vergeben habe, bei allen Menschen, über die ich berichte, bei allen Stellen, über deren Besetzung ich mit zu entscheiden habe, bei allen Podien, an deren Konzeption ich beteiligt bin, darauf, dass Frauen qualitativ und quantitativ mindestens die Hälfte ausmachen. Wenn ich mich aufgrund der herrschenden Machtverhältnisse nicht durchsetzen kann, mache ich klar und unmissverständlich deutlich, dass ich mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden bin und kündige gegebenenfalls meine Mitarbeit auf.
- Ich weise bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit öffentlich und privat darauf hin, dass die absurde Männerdominanz in den Führungspositionen von deutschen Medienhäusern Ausdruck ihrer Inkompetenz und zunehmenden Bedeutungslosigkeit ist.
- Ich kooperiere nicht mit Männern, die nicht aus freien Stücken heraus ebenso handeln. Ich suche wo immer möglich die Auseinandersetzung mit ihnen und bemühe mich, die Gründe meiner Entscheidung zu vermitteln. Ich gebe diesen Männern aber keinerlei Unterstützung (auch nicht bei anderen Themen), sondern versuche, ihren Einfluss, wo immer es mir möglich ist, zurückzudrängen und ihre Autorität zu untergraben.
- Ich unterstütze Frauen, die sich für Führungspositionen in Medienhäusern interessieren, nach allen Kräften und mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Ich fördere sie unter Einsatz meiner Ressourcen, setze mich mit ihnen kritisch auseinander, stehe ihnen als Mentorin zur Verfügung und suche mit ihnen zusammen nach Wegen, wie sie ihren Wunsch auch gegen die Ignoranz der Strukturen und ihrer Kollegen und Chefs umsetzen können.
- Ich frage Frauen, die sich für Führungspositionen in Medienhäusern nicht interessieren, nach ihren Gründen und nehme ihre Kritik, ihre Vorbehalte, ihren Unmut aufmerksam zur Kenntnis. Ich setze mich in meinem Einflussbereich aktiv dafür ein, die dabei zu Tage gekommenen Verhältnisse und Strukturen zu verändern und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Wünschen von Frauen besser entgegenkommen.
- Ich weiß, dass ein solches Engagement mit Konflikten und möglicherweise mit Nachteilen für meine eigene berufliche Karriere verbunden ist. Ich bin bereit, diese Konflikte einzugehen und mich mit meinem Engagement bei Chefs und Kollegen unbeliebt zu machen. Ich weiß, dass dieser Konflikt nicht zu umgehen ist und werde von Fall zu Fall versuchen, die Grenzen dessen was mir möglich ist, auszutesten und eventuell sogar zu überschreiten.

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