
Seit einiger Zeit hörte ich immer mal wieder hier oder da nebenbei von dieser TV- und Buchserie namens „A Game of Thrones“. Als ich im November dann vor der Frage stand, was ich mir als Urlaubslektüre auf den Reader laden soll, dachte ich: Les ich das doch mal.
Seither denke ich nun über etwas nach, das ich vorläufig mal „Die neue Lust auf Patriarchat“ nenne.
Denn obwohl das Buch die rechte Strandlektüre war – liest sich so ratzfatz weg – wurde ich doch immer verwunderter darüber, dass jemand heutzutage, am Anfang des 21. Jahrhunderts, so ein Setting wählt: Tiefstes Patriarchat im Stile des europäischen Mittelalters. Und dass das dann auch noch so ein Publikumserfolg wird.
Ich mag sowas nämlich eigentlich gar nicht lesen, ich bin doch froh, dass diese Zeiten hinter uns liegen. Nicht, dass wir heute im Paradies der weiblichen Freiheit angekommen wären, es gibt ja immer noch vieles zu tun und viele Probleme im Verhältnis der Geschlechter, mit denen wir uns rumplagen müssen. Aber sowas doch eben nicht mehr.
Warum also soll ich mich in meiner Freizeit, wenn ich mich einfach nur mal mit einer actionreichen Story unterhalten will, mental in eine Umwelt begeben, in der Frauen rechtlos sind? In der sexistische Gewalt nicht nur zum Alltag gehört (das tut sie weithin heute auch noch), sondern auch noch allen ganz richtig und wie die natürliche Ordnung der Dinge erscheint?
Ich meine: Wenn wir schon Geschichten erfinden, warum dann nicht lieber Utopien davon entwerfen, wie die Welt anders aussehen könnte? Gerade im Fantasy-Genre eröffnen sich doch Trillionen von Möglichkeiten!
Mit solchen Fragen im Kopf sah ich mich dann in den vergangenen Wochen, zurück aus dem Urlaub, vom Patriarchat geradezu umzingelt. Anke Domscheit-Berg twitterte zum Beispiel eine Serie von Bildern, in der der männliche gewaltsame Gestus Frauen gegenüber zur Werbung für Männeruhren dient. Dann kam die Nachricht, dass Tele 5 allen Ernstes eine Serie namens „Who wants to fuck my girlfriend?“ ausstrahlen will. Lucie hat drüben auf kleinerdrei grade noch mehr Beispiele.
Hallo?
Ich denke nicht, dass dieser Trend zur Patriarchats-Inszenierung ein Beweis dafür ist, dass die Verhältnisse immer noch genauso schlimm sind wie damals im Mittelalter. Vielmehr glaube ich, dass wir es hier mit einem Phänomen am Ende des Patriarchats zu tun haben. Denn diese Geschichten und Motive würden so wie sie sind natürlich nicht funktionieren, wenn die Verhältnisse tatsächlich noch so wären, wie sie hier dargestellt werden.
Als „witzig“ oder „spannend“ kann zu Bildern oder Geschichten verdichteter Sexismus nur vor dem Hintergrund durchgehen, dass er symbolisch bereits ad acta gelegt ist (jedenfalls nach Auffassung derer, die sich sowas mögen). Patriarchale Gesellschaften alten Stils feiern und zeigen Männergewalt selten so offen, denn das würde sie ja entlarven, indem es die Ungerechtigkeit sichtbar macht. Klassisch patriarchale Gesellschaften rechtfertigen ihre Zustände im Allgemeinen mit dem Verweis darauf, dass die weibliche Unterordnung doch der natürliche Zustand der Dinge sei, dass er gerade dem Schutz der Frauen diene und so weiter.
Post-Patriarchale Gesellschaften hingegen können sich sowas gewissermaßen leisten, denn sie verweisen dann darauf, dass doch in Wirklichkeit Frauen längst gleichgestellt sind. Das, so behaupten sie, sei doch gerade der Witz dabei – mehr Humor, einself!
Dass die weibliche Gleichstellung bisher nur bestimmte privilegierte Gruppen von Frauen umfasst (und solche Motive und Geschichten daher verletzend sind für diejenigen Frauen, die im Alltag hierzulande auch heute noch ganz real geschlagen, vergewaltigt, benachteiligt und so weiter werden) ist das eine.
Das würde schon reichen, um so etwas abzulehnen. Aber auch wenn es stimmen würde, auch wenn die Gleichheit der Frauen tatsächlich bereits erreicht wäre, finde ich solche Motive und Geschichten schädlich. Denn sie halten uns fest in einer Symbolwelt, die die weibliche Freiheit negiert, und verhindern auf diese Weise, dass wir andere Bilder und Alternativen entwickeln und erfinden.
Denn es reicht ja nicht, das Patriarchat zu überwinden, sondern es ist notwendig, dass dann auch etwas anderes da ist, das an dessen Stelle treten kann. Ansonsten entsteht nämlich genau die symbolische Unordnung, die derzeit in Punkto Geschlechterverhältnis herrscht: Wir haben und wollen das Alte nicht mehr, aber was wir denn stattdessen wollen, bleibt unklar und undiskutiert.
In dieses Muster passt übrigens auch Tarantinos neuer Film „Django Unchained“. Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen Film über Rassismus und Sklaverei in den USA halten. In Wirklichkeit ist es aber ein Film, der das Setting der Sklaverei nur als Hintergrund benutzt, um die Frage zu diskutieren, unter welchen Umständen Männer andere Männer erschießen können, dürfen oder müssen. Der Film ist eine luprenreine Revisualisierung des Patriarchats, dessen Kern ja eben nicht darin liegt, was Männer und Frauen voneinander halten oder miteinander tun, sondern darin, dass die einzigen Beziehungen, auf die es ankommt, die der Männer untereinander sind.
Die Reinszenierung des Patriarchats bringt es unweigerlich mit sich, dass im Zentrum der Konflikte die der Männer untereinander stehen und Frauen dabei nur die Rolle männlicher Statussymbole spielen: Who want’s to fuck my girlfriend, wer hat die fetteste Uhr.
Es wäre aber natürlich ganz falsch, anzunehmen, dass nur Männer dieser schädlichen Lust am Patriarchat verfallen würden. Häufig sind es genauso Frauen, die diese Geschichten lieben und diese Motive „witzig“ finden.
Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass sie sich gerne der Freude darüber hingeben, dass es ihnen heute besser geht als unter den damaligen Verhältnissen. Zum Beispiel waren in den achtziger und neunziger Jahren unter Frauen Bücher sehr populär, die Geschichten erzählten von mutigen Frauen, die sich gegen das Patriarchat auflehnen und ihm ein Schnippchen schlagen. Die Päpstin Johanna zum Beispiel, oder eben alle möglichen Heldinnen, die gegen die Regeln ihrer Zeit Erfolg hatten. Die ganze „Starke-Frauen“-Literatur eben.
Diese Geschichten konnten als Folie dafür dienen, mutige Frauen zu feiern, sich als Vorbilder zu wählen, und das war vielleicht anfangs auch notwendig. Und auch in „Game of Thrones“ gibt es ja solche „starken Frauenfiguren“, die ihr Ding machen, obwohl die Verhältnisse so krass patriarchal sind. Mit denen mitzufiebern, sich mit ihnen zu identifizieren, hat durchaus etwas Stärkendes.
Ich meine aber, dass wir inzwischen darüber hinaus sind, dass wir dringend andere Bilderwelten in unsere Köpfe bringen müssen. Ich wünsche mir Geschichten, die eine andere Art von „starken Frauen“ featuren: Frauen nämlich, die unter den Bedingungen des Post-Patriarchats ihren Weg gehen, die in dieser Hinsicht phantasiereich sind, Szenarien und Strategien entwerfen.
Denn ja: Wir sind noch nicht im Paradies der weiblichen Freiheit angekommen. Es gibt noch vieles zu tun. Aber dabei kommen wir nicht weiter, wenn wir uns symbolisch ständig in den alten patriarchalen Szenarien bewegen.

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