Drüben im 10 vor 8-Blog habe ich heute etwas über den Markt geschrieben, das ich hier noch um einen Aspekt ergänzen möchte, den ich dort nicht untergebracht habe, nämlich dass es auch eine feministische Strömung gibt, die den Markt ablehnt, und zwar im Umfeld der Gift-Economy.
Während mir manche auf meinen Artikel hin vorgeworfen haben, ich würde einen falschen Gegensatz zwischen Frauen und Männern in Bezug auf den Markt aufmachen, würden diese Theoretikerinnen vermutlich kritisieren, dass mein Gegensatz nicht deutlich genug ist: dass vielmehr das „weibliche“ Wirtschaften grundsätzlich anders funktioniere als das männliche, nämlich nicht auf Tausch basierend, sondern auf dem Schenken, dem Geben ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.
Das ist meiner Ansicht nach aber nur die andere Seite derselben Medaille. Meiner Ansicht nach sind Schenken und Tauschen nicht zwei einander ausschließende Prinzipien, sondern das Schenken ist sozusagen eine Untervariante des Tauschens.
Wenn ich hier das „Marktprinzip“ verteidige, dann weil ich glaube, dass es ein Kontinuum gibt, dessen eines Extrem das völlig uneigennützige Schenken ist, und dessen anderes Extrem das exakt auf ein genaues Äquivalent ausgerichtete Austauschen ist, wo also der Gegenwert dessen, was ich gebe, exakt dem Wert dessen entspricht, was ich bekomme.
Ich gebe Dorothee Markert recht, die in ihrem Büchlein „Fülle und Freiheit in der Welt der Gabe“ darauf hinweist, dass es wichtig ist, zwischen beidem zu unterscheiden und Geschenke nicht mit Tauschwaren zu vermengen, sich also in einer konkreten Situation bewusst zu machen, ob man sich im Bereich des Schenkens oder des Tauschens bewegt. Und dass dies eine Kulturpraxis ist, die wir viel zu wenig geübt haben, was zu viel Durcheinander, Konfusion und Ärgernissen führt – insbesondere weil die gängigen Wirtschaftstheorien dem Geben im Unterschied zum Tauschen praktisch keinerlei Beachtung schenken (haha).
Allerdings bin ich auch der Ansicht, dass diese begriffliche Unterscheidung nichts daran ändert, dass beides in der Realität doch immer vermischt vorkommt, dass also die Extreme „reines Schenken“ und „reines Tauschen“ nur äußerst selten vorkommen, sondern sich die meisten Interaktionen irgendwo auf dem Kontinuum zwischen beidem ansiedeln.
In meiner Rezension zu Dorothees Büchlein schreibe ich:
So kommt selten ein Geschäft völlig ohne eine »Gabenebene« aus – wenn etwa zusätzlich zum Honorar auch ein Strauss Blumen überreicht wird oder ich für einen Auftrag mehr Zeit aufwende, als vom Honorar eigentlich abgedeckt wäre. Und auch das Geben und Schenken enthält eine Verhandlungsebene, zumindest die mit mir selber darüber, ob ich – zum Beispiel bei fehlender Wertschätzung und Dankbarkeit für meine Gaben – in Zukunft noch weiter schenken will.
Der Markt steht für mich genau für dieses „Mischmasch“, bei dem eben über alles verhandelt wird und nichts feststeht, schon gar nicht ein objektiver „Wert“, den eine Sache hat.
Was jedenfalls ganz falsch wäre, das ist, die Alternative „Tauschen/Schenken“ in Maßstäben von „schlecht/gut“ zu diskutieren, denn – und da hat Dorothee unbedingt recht – es kommt auf die jeweilige Situation an. In manchen Situationen ist Tauschen richtig und in anderen falsch, und in manchen Situationen ist Schenken angemessen und Tauschen falsch.
Über dieses Thema haben wir auch beim Schreiben des ABC des guten Lebens viel diskutiert und gestritten, worauf wir am Ende gekommen sind, steht in den Artikeln Tausch und Gabe.
Ebenfalls in dem Zusammenhang von Interesse ist eine Folge des Podcasts Besondere Umstände, bei dem ich mit Benni genau über das Thema Tauschen diskutiere (wobei er es ablehnt, ich es verteidige).
PS: Ebenfalls fehlt in dem FAZ-Artikel die genaue Quelle meiner Inspiration, nämlich das neue Buch von Annarosa Buttarelli. Es heißt „Sovrane“ (Souveräninnen) und ist eine Ausarbeitung ihres gleichnamigen Artikels aus dem Buch „Macht und Politik sind nicht dasselbe“. Leider gibt’s das nicht auf Deutsch, ich habe es grade ausgelesen und hoffe, demnächst darüber mehr zu schreiben. Ein bisschen mehr über Buttarellis Thesen zu weiblicher Souveränität gibt aber schonmal hier.

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