Gerade bekam ich eine Mail von einer Freundin, die mich auf diesen Hammer-Artikel im Zeit-Magazin hinweist: Ursula März disst Ulla Schmidt, weil sie sich immer so einfallslos anziehe. Jacke und Jackett und Einheitsfrisur. Und nicht nur sie, sondern alle diese Damen , die es in die Machtpositionen geschafft haben. Und dann kommt, er, dieser Spruch, der mir die Haare zu Berge stehen lässt: Sie „macht“ nichts aus sich!
Wie oft habe ich das als junges Mädchen zu hören gekriegt. Und ich gebe es zu: Auch ich „mache nichts aus mir“ – jedenfalls meistens, denn es ist praktisch. Es war schon immer ein Teil meiner Aufsässigkeit. Es ist übrigens auch eine alte feministische Strategie, schon Victoria Woodhull, die erste amerikanische Präsidentschaftskandidatin, hat sich die Haare kurz geschnitten, weil das den Zeitaufwand für die tägliche Körperpflege enorm reduziert. Und sie war übrigens trotzdem ziemlich beliebt bei Frauen und Männern – in jedweder Hinsicht. – und: So revolutionär und anders-weiblich wie frau es sich nur wünschen kann. Außerdem ist die Schönheits-Verweigerung heute wieder Trend – das neue Missy Magazine hat in seiner aktuellen Ausgabe eine hübsche vorher-nachher-Story unter dem Motto „Hilfe, ich bin zu hübsch“ gebracht. Sehr notwendig angesichts all dieser aufgeputzten Mädels und Modells, von denen man manchmal den Eindruck hat, der Sinn des Lebens liege darin, sich zu „stylen“.
Klar ist es richtig, dass der Dress-Code der erfolgreichen emanzipierten Frau ein plattes Männer-Imitat ist. Und klar ist es richtig, dass die langweiligen offiziösen-Uniformen der Männer (Anzug und Krawatte) nicht dadurch besser werden, dass Frauen sie jetzt auch übernehmen. Aber das gilt ja generell von allem, was Frauen von Männern einfach übernehmen. Das erfolgreichen Frauen vorzuwerfen, ist ziemlich bescheuert, denn wären sie nicht so, wären sie nicht dort, wo sie sind. Solche Artikel wie der im Zeit-Magazin untergraben weibliche Autorität und bringen uns ganz sicher nicht näher an jenen schönen Zustand, wo Frauen so bleiben können wie sie sind und trotzdem was zu sagen haben.
Sicher wäre es schön, wenn wir all diese nach männlichen Bedürfnissen konstruierten Institutionen auch optisch durch wallende Gewänder und mit viel sonstiger Phantasie aufpeppen. Aber viel wichtiger wäre doch, wenn wir sie noch ein wenig grundsätzlicher hinterfragen. Das ist ein großes und weitreichendes kulturelles Projekt, und jede bosselt daran herum, die eine im Jackett, die andere bauchnabelfrei, die eine in Boots, die andere in Stöckelschuhen. So ist das nun mal. Und mehr revolutionären Elan würde ich mir dabei schon auch wünschen. Aber dabei fass ich mir lieber erstmal selber an die Nase, da weiß ich dann nämlich, wovon ich rede.
Das Problem, das ich mit Ulla Schmidt und ihresgleichen habe, ist jedenfalls ganz bestimmt nicht, wie sie sich anzieht. Da fallen mir erst einmal ganz viele andere und viel wichtigere Sachen ein.

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