Diese Woche sah ich abends den Film „Letzes Jahr in Marienbad“, einen alten Film von 1961, in dem sehr häufig das Wort „Balustrade“ vorkam. Das Wort hakte sich irgendwie in meinem Kopf fest, und als ich tags drauf durch die Stadt lief, hielt ich Ausschau nach Balustraden. Ich fand natürlich keine. Dafür fand ich ein Plakat, das für eine Tagung zum Thema „Sozialraumorientierung“ warb. Und neben dem schönen Wort „Balustrade“, das mich an jenem Tag begleitete, fand ich dieses Wort „Sozialraumorientierung“ so unglaublich häßlich.

Die Schönheit und Hässlichkeit von Wörtern ist ein Phänomen, über das ich immer mal wieder nachdenke, seit ich Chiara Zambonis Buch „Unverbrauchte Worte“ gelesen habe. Sie schreibt darin über die Möglichkeit einer gegenseitigen Öffnung zwischen den Worten, der Sprechenden und den Dingen, die benannt werden. Worte sind nicht einfach nur neutrale „Platzhalter“ für eine angeblich objektive und unverrückbare Realität, sondern beides wirkt aufeinander ein und beeinflusst sich gegenseitig. Wie wir sprechen, welche Worte wir verwenden, um die Realität zu erschließen und uns mit der Welt in Beziehung zu setzen, ist ihrer Ansicht nach eine politische Praxis.
„Unverbrauchte Worte“ zu finden (und zu hören) ist dabei keine Frage des Willens, der Technik, der Methode, sondern – so ein Bild von Zamboni – wie ein Schwimmen im freien Meer: „Wir sprechen und bekommen keine Klippe zu fassen, an der wir hochklettern könnten, um uns von oben sprechen zu sehen. Es ist, als wären wir immer draußen im offenen Meer.“
Meine These: Wenn wir die Realität im Sinne eines Besseren verändern wollen, ist es hilfreich, schöne Worte zu finden und hässliche zu meiden. Denn mit hässlichen Wörtern kann die Welt nicht schön werden. Ich glaube, es war Kant, der schrieb, dass über Ästhetik kein abstraktes Urteil möglich ist. Schönheit erkennt man an Beispielen, in der Situation. Man kann nicht definieren, was schön ist, aber man kann das Schöne erkennen, wenn es einer begegnet.
Deshalb wollte ich wissen, welche Wörter andere schön finden und welche sie hässlich finden und startete vor zwei Tagen bei Twitter eine kleine Reihe „Schöne Wörter, Scheißwörter“. Inzwischen hat sich unter dem Hashtag #swsw schon einiges angesammelt. Schön gefunden werden zum Beispiel die Wörter Wischmop, Augenstern, Aubergine, hässlich die Wörter Mobbing, Anpassungsstörung, Liebling…
Mich interessiert auch die Frage, wie weit die Urteile darüber, welche Wörter schön und welche hässlich sind, auseinandergehen. Bisher waren zwei umstritten: Das Wort „Eiterbeule“ findet jemand hässlich, ich finde es hingegen ganz schön. Und ich finde das Wort „Lebertran“ schön, jemand anderes versieht das mit einem Fragezeichen. Wobei man natürlich unterscheiden muss zwischen dem Wort als Wort und dem möglicherweisen unangenehmen Inhalt, der damit bezeichnet wird. Also das Wort „Lebertran“ kann ja nichts dafür, dass der eklig schmeckt.
Hiermit ist die Beispielsammlung samt Diskussion nun auch im Blog eröffnet. Ich bin gespannt.

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