Kürzlich wurde über eine neue Studie des Sinus-Institutes berichtet, bei der 30 männliche Führungskräfte in Tiefeninterviews nach ihrer Haltung zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ befragt wurden. Die Ergebnisse, von denen der verantwortliche Soziologe Carsten Wippermann im Interview mit Zeit-online berichtet, sind interessant.

Zunächst einmal haben sich alle Befragten im Prinzip sehr positiv über Frauen in Führungspositionen geäußert. Das sollte man nicht einfach nur als bloßes Zugeständnis an die politische Korrektheit im heutigen Gleichstellungsparadigma abhaken. Es ist für Frauen, die sich innerhalb von Unternehmen bewegen, durchaus nicht unwichtig, dass sie mit prinzipieller Ablehnung, wie sie ambitionierten Frauen noch vor wenigen Jahrzehnten entgegenschlug, heute nicht mehr zu rechnen haben.
Bei tieferen Nachfragen zeigte sich jedoch, dass es durchaus Vorbehalte gibt, und zwar in drei Typen, die Wippermann so beschreibt: „Alle 30 von uns befragten Manager konnte man einem Typus zuordnen. Der eine ist sehr konservativ. Bei ihm kann man eine kulturelle und funktionale Ablehnung von Frauen qua Geschlecht ausmachen. Zitate aus den Interviews sind: Frauen seien eine Irritation im inner circle und unerwünscht im Vorstand. Der andere Typus hat eine emanzipierte Grundhaltung und geht davon aus, dass Frauen chancenlos gegen die Machtrituale seien. Das Topmanagement verlangt Härte und das steht im Widerspruch zum Frauenbild in unserer Gesellschaft. Es fielen Formulierungen wie: Ein Vorstandsposten ist eine andere Sportart – und Frauen hätten nicht die Härte dafür. Frauen, die entsprechend auftreten, wirken dann nicht mehr authentisch – und für diesen Typus ist aber Authentizität ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor. Der dritte Typus zeigt einen radikalen Individualismus. Diese Männer sagen, dass das Geschlecht eigentlich keine Rolle dabei spielt, wenn es um die Besetzung einer Führungsposition geht. Aber es gebe nicht genügend Frauen, die authentisch und flexibel genug dafür seien.“
In der Berichterstattung über diese Studie dominierte das Klagen darüber, dass diese Haltungen Frauen nach wie vor durch eine „gläserne Decke“ davon abhalten, in Führungspositionen vorzudringen. So schreibt Heide Oestreich in der taz: „Kurz gesagt haben wir hier einen hübschen Teufelskreis der Vorurteilsstrukturen: Frauen können per „Weiblichkeit“ nicht Chef werden. Ändern sie ihr Verhalten Richtung „Männlichkeit“, können sie erst recht nicht Chef werden, weil sie dann nicht authentisch sind. wonach Frauen von (männlichen) Führungskräften auch heute noch oft als „Störfaktoren“ angesehen werden.“
Aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist das natürlich zu bedauern. Ich hingegen finde es ziemlich gut, dass Frauen innerhalb der Wirtschaftsunternehmen als „Störfaktoren“ angesehen werden – und es möglicherweise sogar hin und wieder auch tatsächlich sind. Denn so, wie diese Kreise derzeit agieren, kann es dort ja gar nicht genug Störungen geben. Das „störende“ Potenzial von Weiblichkeit birgt daher – gerade in Kombination mit einer prinzipiellen Aufgeschlossenheit für mehr Frauen in Führungspositionen“ – aus meiner Sicht eine Chance für Veränderung, die es zu nutzen gilt. Damit das gelingt, ist aber wichtig, zu verstehen, woher sie kommt.
Bei den Positionen der befragten Männer handelt es sich nämlich nicht einfach nur um „Vorurteile“, die in der Realität völlig unbegründet sind und nur ihrer insgeheim immer noch patriarchalen Phantasie entspringen. Vielmehr fassen sie hier eine Realität in Worte, freilich auf unbeholfene und unbefriedigende Art und Weise, die verstanden werden muss, wenn es überhaupt eine Chance geben soll, dass sich an der Situation einmal etwas ändert.
Vor allem ist es wichtig, irreführende und falsche Argumentationen zu vermeiden. Wenn zum Beispiel auf reine Assimilation der Frauen gesetzt wird, hilft uns das nicht weiter. In diesen Strang gehört sowohl das Bemühen, Frauen dazu zu bringen, sich „männliche“ Verhaltensweisen anzueignen (auch dann, wenn sie das eigentlich nicht wollen) als auch der Versuch, Männern klar zu machen, dass Frauen „eigentlich“ doch gar keine Störfaktoren seien. Vielmehr ist beides politisch zu verhandeln: Die Frauen sollten darüber reden, wenn sie mit bestimmten Verfahrensweisen, Abläufen, Ritualen und Maßstäben in einem Unternehmen nicht einverstanden sein, und die Männer sollten darüber reden, wann und wo und eventuell warum sie sich von Frauen „gestört“ fühlen.
Ganz genauso wichtig ist es aber, dass diese „Störungen“, dort, wo sie auftreten, nicht auf eine angeblich „natürliche“ Differenz der Geschlechter zurückgeführt werden, nach dem Motto „Frauen sind eben so“ oder „Männer sind eben so“. Denn damit werden die konkreten Konflikte zum Klischee gemacht und der Notwendigkeit einer politischen Verhandlung entzogen. Worum es geht, das sind immer die beteiligten Personen in einer bestimmten, konkreten Situation. Diese Konflikte und Differenzen sind fruchtbar zu machen, und sie dürfen weder an einem vorab gegebenen Maßstab der „Gleichheit“ noch an einem vorab gegebenen Maßstab der „Differenz“ gemessen werden.
In unserer 1999 erschienenen Flugschrift „Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn“ haben wir das Phänomen, um das es hierbei geht, das „männliche Imaginäre“ genannt. Dort schreiben wir: „Männer nutzen öffentliche Ämter und Funktionen – genau wie den Bereich der beruflichen Tätigkeit – um sich ihre männliche Größe zu spiegeln. Die Erfahrung der Frauen, dass die Politik der Frauenförderung in Wirtschaft und Politik auf so hinhaltenden männlichen Widerstand stößt, hat nicht nur mit konkreten materiellen und Macht-Interessen zu tun. Es geht vielmehr um das männliche Imaginäre: Männer verteidigen Männer-Räume, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Männlichkeit unter Männern zu spiegeln. In unserer Kultur ist das männliche Imaginäre nun aber fest mit der Besetzung der gesellschaftlichen Macht- und Einflussbereiche sowie mit einer inhärenten Frauenfeindlichkeit verknüpft. Deshalb wird das Vordringen von Frauen … als Bedrohung für die Männlichkeit überhaupt interpretiert.“ (S. 44f)
Genau das ist es, was die neue Sinus-Studie erneut bestätigt hat. Es geht bei dem hier zu verhandelnden Konflikt zwischen der männlichen Kultur der Unternehmensführungen und dem „Störfaktor“ Weiblichkeit nicht um „natürliche“ Geschlechterunterschiede und auch nicht nur um ansozialisierte Differenzen im Verhalten, sondern darum, wie „Männlichkeit“ mit diesen Bereichen verknüpft sind, sodass Weiblichkeit dort per se ein Störfaktor ist, völlig unabhängig davon, was eine konkrete Frau tut oder nicht tut, ob sie sich anpasst oder nicht.
Dies erklärt sehr gut die nach wie vor bestehenden männlichen Vorbehalte gegen Frauen in Führungspersonen, die ansonsten angesichts des gleichzeitigen prinzipiellen Bekenntnis zur Gleichstellung ja gar nicht erklärbar wären. Es erklärt aber auch die Schwierigkeiten und das Unbehagen vieler Frauen, sich auf dieses konfliktreiche Feld überhaupt noch zu begeben, das meiner Ansicht nach heutzutage ebenso zur „Wieder-Vermännlichung der Welt“ beiträgt, wie die Widerstände seitens der Männer. Denn aufgrund des männlichen Imaginären finden Männer in Führungspositionen eine doppelte Belohnung: Einmal die konkrete Macht, das Geld und den Einfluss, den eine solche Position mit sich bringt, dann aber auch den imaginären Bonus der Bestätigung ihrer Männlichkeit. Für Frauen fällt dieser Bonus weg. Sie bekommen zwar in Führungspositionen ebenfalls Macht und Geld, aber eben keine imaginäre Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Genau das ist es, was in den Interviews des Sinus-Institutes zum Ausdruck kam.
Im Paradigma der Gleichheit lässt sich dieses Dilemma nicht lösen. Der einzige Ausweg ist es, den mühsamen Weg der Differenz zu gehen, die – um es noch einmal zu sagen – weder eine natürliche, noch eine bloß ansozialisierte Differenz ist, sondern eine, die der Logik dieser Institutionen und Positionen inhärent ist. Sich das bewusst zu machen, ist der erste Schritt. Frauen sind „Störfaktoren“ in diesem Betrieb, und nur, wenn diese Störung gesellschaftlich und politisch thematisiert wird, besteht die Chance, an dieser Situation etwas zu ändern. Es ist ein Schritt, den sowohl die einzelnen Frauen gehen können, die Führungspositionen anstreben, als auch die einzelnen Männer, die mit der männlichen Monokultur der Unternehmensspitzen unzufrieden sind. Und gleiches gilt für jede Politik, die geschlechterbewusste Maßnahmen plant, sowie für alle, die sich theoretisch und analytisch mit diesem Thema beschäftigen.

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