Als gestern die Nachricht vom Promillegrad Margot Käßmanns hereinkam, hatte ich gleich so ein Gefühl: „Die schmeißt hin.“ Frauen kleben nicht an Ämtern, jedenfalls solche Frauen wie Käßmann nicht. Also Frauen, die innerhalb der Kirche (oder sonst irgendwelcher von Männern erfundener Institutionen) nicht nur einfach mitmachen, sondern etwas verändern wollen.
Es ist ja sowieso selten, dass solche Frauen überhaupt in solche Ämter gelangen. Die allermeisten kandidieren nämlich gar nicht erst. So toll ist die Arbeit in diesen Positionen nun auch wieder nicht. Vor einiger Zeit hörte ich einen Vortrag von Bärbel Wartenberg-Potter, einer Bischöfin im Ruhestand. Sie erzählte bei einer Frauenveranstaltung, dass sie die meiste Zeit den Eindruck hatte, dass sie „nur Bischöfin spielt“. Sie musste eine Rolle verkörpern , die sie eigentlich gar nicht haben wollte, und ihre Einflussmöglichkeiten, das Potenzial, etwas zu verändern, sei viel kleiner gewesen, als sie sich das gewünscht hatte.
Man könnte auch sagen: Es gibt eine grundlegende „Inkompatibilität“ zwischen Frauen und solchen Ämtern. Ein Mann, der Bischof (oder General oder Bundeskanzler oder sonst ein König) wird, bekommt dadurch eine Bestätigung seiner Männlichkeit. Bischöfe (Kanzler, Generäle etc.) sind sozusagen Super-Männer. Eine Frau, die Bischöfin (Kanzlerin, Generalin) wird, bekommt dadurch aber keine Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Sie wird keine Super-Frau, sondern eher so eine Art neutrales Mittelding. Wenn sie sich über ihre Geschlechtsrolle keine großen Gedanken macht, sondern sich in erster Linie als „Mensch“ versteht, hat sie damit auch nicht unbedingt ein Problem. Ist sie aber Feministin, will sie also nicht einfach nur auch an die ehemals den Männern vorbehaltenen Fleischtöpfe gelangen, sondern diese im Gegenteil kritisch hinterfragen und verändern – dann schon.
Und das ist der Grund, warum Käßmann nach dieser alkoholisierten Autofahrt tatsächlich nicht einfach so im Amt bleiben konnte. Denn: Sie braucht, um als Ratsvorsitzende das zu tun, was sie tun will, ungleich mehr Autorität und Rückendeckung als andere. Sie kann nichts verändern, wenn irgend etwas an ihr „klebt“. Deshalb ist ihr Rücktritt konsequent: Sicher, sie hätte Ratsvorsitzende bleiben können. Aber sie hätte sich nichts wirklich Systemkritisches mehr erlauben dürfen, sie hätte funktionieren müssen. Und dazu hat sie wohl keine Lust, was ich gut verstehen kann. Einfach nur ein Amt haben um es zu haben – das finden die meisten Frauen eben nicht unbedingt prickelnd.
Die absurde gesellschaftliche Situation ist nun die, dass die alten Institutionen solche „anderen“ Frauen dringend bräuchten, gleichzeitig aber interne Mechanismen ausgebildet haben, die es schwer machen, solche Frauen zu finden: Die Nachfolgerinnen stehen ja nicht unbedingt Schlange. Und so ist die EKD in der Zwickmühle, denn eines ist ja nur allzu offensichtlich: Die Kirche braucht Margot Käßmann mehr als umgekehrt.
Die eher halbgare Erklärung, die der Rat der EKD abgegeben hat, war deshalb nicht genug, um Käßmann zu halten. „In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll“, hieß es. Das hätte vielleicht genügt, damit ein Mann weitergemacht hätte, der richtig stolz auf sein Amt ist und es unbedingt behalten will. Für eine Frau wie Käßmann war es vermutlich nicht genug.
Aber ich hätte da mal eine Idee: Die Synode der EKD könnte Käßmann ja einfach wieder wählen. Also nicht ihr die Entscheidung großmütig überlassen, sondern laut und deutlich sagen: Frau Käßmann, wir wollen Sie. Trotz allem. Ich wette, dann würde sie es sich noch einmal überlegen. Frauen tun sich ja bekanntlich schwer damit, Nein zu sagen, wenn sie gebraucht werden.

Was meinst du?