(Update: Wenn Ihr es gerne lustiger habt, könnt Ihr statt diesem Post auch das hier lesen: http://bov.antville.org/stories/1989046/)
Gerade hab ich mir im Livestream das Panel „Sexismus im Netz“ bei der Re:publica angeschaut (dieser Blogger_innen-Konfererenz in Berlin) und ja, es war schade, dass die Diskussion dann zu Ende war. Glücklicherweise konnte ich mir das Ganze ganz entspannt anschauen, denn mein Computer hat den Chat gar nicht erst übertragen, @piratenweib ging es nicht so gut, über den Shitstorm, der da ablief, hat sie hier gebloggt).
Interessant fand ich den Hinweis mehrerer Männer (aus dem Publikum und vom Podium), dass diese Troll-Phänomene, von denen die Rede war, nicht nur in feministischen Blogs die Laune verderben, sondern dass es sie überall im Internet gibt. Natürlich ist der Hinweis von Anna Berg richtig gewesen, dass es einen Unterschied macht, ob einfach nur so getrollt wird, oder ob Frauen aufgrund ihres Frauseins gedisst werden, und ebenso, dass es auch weibliche Trolle gibt (habe eben gelernt, dass sie Trullas heißen).
Unabhängig davon finde ich aber den Hinweis trotzdem interessant, insbesondere in Zusammenhang mit der impliziten Schlussfolgerung, dass dieses Trollphänomen, weil es doch überall vorkommt, irgendwie dann auch normal sei und infolgedessen kein Grund, sich darüber besonders aufzuregen. Das ist nämlich die Stelle, an der ich widersprochen hätte: Denn nur dass Männer etwas normal finden, heißt ja noch lange nicht, dass es auch normal ist.
Jedenfalls beobachte ich an genau diesem Punkt einen Unterschied in den Vorlieben von Frauen und Männern, der eventuell auch ein Grund dafür ist, warum Frauen im Netz weniger aktiv, exponiert, präsent sind. Ich glaube, dass mehr Frauen eine niedrige Toleranzschwelle gegenüber Trollen (und Trullas) haben als Männer. Zumindest bin ich immer wieder sehr erstaunt, wenn ich mal auf die Diskussionen mancher von Männern gemachten Blogs und Foren komme, dass da schon ziemlich viele trollige Kommentare stehen bleiben – Posts, die in den meisten von Frauen betriebenen Blogs (und auch in meinem) nicht durchgelassen werden.
Es geht bei diesem Thema also nicht nur darum, inwiefern Frauen Opfer von Sexismus sind, sondern auch darum, welche Art von Diskussionskultur wir wollen und wie gelassen wir gegenüber Leuten sind, die nichts zur Diskussion beitragen, sondern einfach nur mal ihre Meinung raushauen, und wenn sie auch nur darin besteht, die anderen doof zu finden. Je höher hier die Toleranzschwelle ist, desto langweiliger sind die Diskussionen („Dummheit ist langweilig“ brachte es eine Teilnehmerin aus dem Publikum auf den Punkt) und desto schwieriger, zu den wirklich spannenden Themen und Argumenten zu kommen.
Das Ganze betrifft im Übrigen nicht nur die ausgewiesenen Trolle, denen man ja mit einfachem Löschen beikommen kann und über deren Gagaheit auch Konsens mit den meisten Männern im Netz bestehen dürfte. Sondern es betrifft den Diskussionsstil allgemein. Nicht nur platter Sexismus, auch Besserwisserei, Überheblichkeit, Arroganz, nicht Eingehen auf die bereits vorgebrachten Argumente nerven mich. Auch das Monologisieren, das Angeben, das Desinteresse für andere Sichtweisen usw. usw. finde ich kontraproduktiv. Das Behaupten einer „objektiven Wahrheit“ anstelle von Dialog und Offenheit für die Urteile und Perspektiven der anderen usw. usw.
Es ist nicht schwer, hier einen Konflikt zu erkennen, der sich nicht nur im Internet zeigt, sondern auch außerhalb. Und der nicht strikt zwischen Frauen und Männern verläuft, aber doch zwischen mehr Männern als Frauen auf der einen und mehr Frauen als Männern auf der anderen Seite. (Ich persönlich gehöre übrigens zu den Frauen, die – im Vergleich zu anderen – noch relativ viel Spaß an solchen, sagen wir mal, „sportlichen“ Arten des Schlagabtauschs haben. Die meisten Frauen, die ich kenne, sind da noch sehr viel ablehnender).
Meine These ist also, dass die Zurückhaltung von Frauen, sich in die „großen Themen“ auf den „relevanten Seiten“ einzumischen, nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass sie Angst hätten, sich bedroht fühlen oder durch ihr Frausein und sexistische Strukturen besonders „gefährdet“ sind. Sondern schlicht und einfach darauf, dass sehr viele von ihnen einen anderen Anspruch an eine politische Debatte haben. Sie beteiligen sich nicht, weil sie genervt sind und sich langweilen. Nicht, weil sie zu verschüchtert sind.
Und daraus folgt die Notwendigkeit, zu überlegen, wie und wodurch es gelingen könnte, in diesem Gebilde „Internet“ eine Kultur zu befördern, die diesen Wünschen besser entgegen kommt. Anstatt implizit zu erwarten, die genervten Frauen sollten sich doch nicht so anstellen, weil es „hier im Internet“ nun mal so zugeht.
Dazu habe ich auch noch keine wirkliche Antwort, aber eine erste vorläufige Idee: Das Web 2.0 bedeutet ja bekanntlich eine Vermischung der Grenzen zwischen privater Meinungsäußerung und professionellem Journalismus. Dieser Profijournalismus und seine Regeln sorgten früher bei öffentlichen Äußerungen von Männern (Journalisten) für eine gewisse Zivilisiertheit in Ton und Inhalt, von Frauen (Journalistinnen) die Bereitschaft, sich öffentlich zu exponieren.
Die private Meinungsäußerung hingegen brauchte keine weiteren Regeln, denn sie blieb ja privat und folgenlos. Für die Männer war das sozusagen der Stammtisch, für die Frauen der Kaffeeklatsch. Am Stammtisch führten die Männer groß das Wort, wussten besser, wie regiert und Fußball gespielt werden soll, hatten keine Hemmungen, sich lautstark zu streiten. Beim Kaffeeklatsch hingegen versicherten sich die Frauen untereinander ihrer Gemeinsamkeiten (meist auf Kosten Abwesender) und gingen ansonsten heiklen Themen kunstfertig aus dem Weg. Beim Kaffeeklatsch streitet man sich nicht, jedenfalls nicht laut.
Entschuldigt diese Steretypen (die früher keine waren, sondern die Realität, ich habe das selbst noch erlebt), aber ich denke, die Bilder könnten vielleicht helfen, dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Denn ich glaube, dieser erstaunliche Befund der großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei ihren Netzaktivitäten, die aufgrund der Gleichheit in den Zugangsbedingungen auf den ersten Blick doch so unerklärlich ist, hat auch damit zu tun, dass diese „Stammtisch-“ bzw. „Kaffeeklatschlogik“ hier teilweise weiter lebt, nur eben nicht mehr privat, sondern öffentlich. Und zwar vor allem in den weniger „professionellen“ Blogs, die sich eben umso weiter von den journalistischen Gepflogenheiten entfernen.
Vielleicht müssten wir diese „Stammtisch-“ bzw. „Kaffeeklatschlogik“ einmal genauso intensiv auf den Prüfstand tun, wie es ja für den Journalismus bereits geschieht. Denn dieses „Internet“ wird eben von beiden Seiten bestückt.

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