Gerade lese ich, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wie die taz gestern berichtet, einen neuen Vorschlag dazu vorgelegt hat, wie künftig das Sorgerecht bei unehelichen Kindern geregelt sein soll.
Ihren ersten Vorschlag hatte ich im August hier kritisiert, weil er vorsah, dass es bei unehelichen Geburten künftig automatisch ein gemeinsames Sorgerecht geben soll, auch dann wenn der Vater gar kein Interesse hat. Demnach hätte jede Frau, die außerhalb einer heterosexuellen Paarbeziehung Mutter werden will, vor Gericht das alleinige Sorgerecht eigens beantragen müssen.
„Vaterschaft ist mehr als Sex gehabt haben“ schrieb ich damals, und wies darauf hin, dass Vatersein immer eine soziale Angelegenheit ist. Während eine Frau nämlich nur dann ein Kind zur Welt bringt, wenn sie sich aktiv dafür entscheidet (sie muss das Kind austragen und nicht abtreiben, zum Beispiel), können Männer Kinder zeugen, ohne – vom Sex abgesehen – an diesem Prozess ansonsten irgendwie beteiligt zu sein. Sie können nach dem Sex verschwinden. Oder die betreffende Frau kann die Schwangerschaft verheimlichen oder ein Kind auch gegen den Willen des „Erzeugers“ zur Welt bringen. (Die kontroverse Kommentardiskussion nachzulesen ist lohnend).
Nach dem neuen Vorschlag soll nun, zumindest in jenen Fällen, in denen der betreffende Mann überhaupt kein Interesse an einer Vaterschaft hat, das Sorgerecht weiterhin automatisch bei der Mutter bleiben. Wünscht er das Sorgerecht, so muss er darauf einen Antrag stellen, und dann hat die Frau acht Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen, wenn sie nicht einverstanden ist. Worüber dann gerichtlich entschieden wird.
Spontan gefällt mir dieser Kompromiss ganz gut. Natürlich ist diese Rechtlage immer noch problematisch für Frauen, die keine Beziehung zu diesem Mann wünschen. Andererseits wird die Lage für Mann-Frau-Paare einfacher, die ohne verheiratet zu sein aber doch „kleinfamilienähnlich“ leben möchten oder sich jedenfalls die Erziehung des gemeinsamen Kindes „teilen“ möchten: Hier muss nun nur noch der Mann zu Protokoll geben, dass er das möchte, und das gemeinsame Sorgerecht ist gebongt.
Die jetzigen noch verbleibenden Einwände von Seiten der CDU (über die der Tagesspiegel berichtet, wobei ich nicht wirklich kapiere, worin der Unterschied der beiden Vorschläge genau liegt), dass ein Schweigen der Mutter auf den Antrag des Mannes nicht automatisch als Zustimmung gewertet werden könne, überzeugen mich nicht wirklich: Auch Mutterschaft ist ja nicht allein damit getan, dass eine Frau ein Kind zur Welt gebracht hat. Zwar kann sie sich, anders als der leibliche Vater es könnte, ihrer Verantwortung erst einmal nicht entziehen – denn im Unterschied zu ihm muss die Mutter bei der Geburt anwesend sein. Sie ist also unmittelbar mit dem Kind und seinen Bedürfnissen konfrontiert. Über diesen Anfangszustand hinaus ist aber auch die Mutterschaft eine soziale Angelegenheit. Und da ist es Müttern prinzipiell zuzumuten, dass sie sich im Zweifelsfall zu einem Widerspruch gegen das väterliche Sorgerecht aufraffen.
Sicher, problematisch könnte das eventuell bei Frauen aus den so genannten „bildungsfernen“ Schichten sein, oder bei emotional abhängigen oder unselbstständigen Frauen – aber diese Probleme müssten auf ihren jeweiligen Feldern gelöst werden, also zum Beispiel in der Bildungspolitik. Sie haben nichts mit dem Sorgerecht zu tun.
Ich finde allerdings schon, dass das Sorgerecht auch mit Sorgepflichten einhergehen müsste. Es ist mir etwas suspekt, dass diese Seite der Medaille bei diesen rechtlichen Diskussionen immer keine Rolle spielt. Denn das ist meiner Ansicht nach wie vor das Schiefe und Problematische an diesem Themenkomplex: Dass man Rechte einklagen kann, Pflichten im Hinblick auf das konkrete Sorgen für Kinder aber nicht (wenn man versuchen würde, einen desinteressierten Vater gerichtlich zum Windeln oder Füttern zu zwingen, wäre das ein Horrorszenario – für das Kind!) Von daher bleibt dieser ganze Versuch, Fürsorgebeziehungen zu verrechtlichen, irgendwie schief.

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