
Seit einigen Jahren habe ich vor, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Genauer: Über den Zusammenhang zwischen Freiheit und Liebe. Seit ich diese Idee hatte, redete ich viel darüber, und inzwischen werde ich von allen möglichen Leuten immer öfter gefragt, was denn eigentlich mein Buch macht. Ich hätte doch schon so viel Interessantes über das Thema erzählt. Wann ich das denn endlich mal aufschreiben würde.
Manchmal weht dabei ganz seicht auch eine Kritik mit, die in etwa lautet: Ich vernachlässige sicherlich mein Buchprojekt, weil ich mich zu viel im Internet herumtreibe. Ich zerfasele mich zwischen hunderten kleinen Blogposts und Twitter-Debatten, anstatt mich mal am Stück hinzusetzen und ein ordentliches Buch zu produzieren.
Ja, und natürlich ist das irgendwie auch so. Und irgendwann klopfte bei jeder interessierten Nachfrage ein kleines Teufelchen namens schlechtes Gewissen an. Wie weit ich denn nun sei?
Jetzt habe ich kapituliert und gebe zu, was viele schon vermuteten: Ich schreibe vermutlich kein Buch mehr. Ich bin nämlich kein Fan von Disziplin. Ich denke mir, es wird schon irgendeinen Grund haben, dass ich in dieser Hinsicht so lustlos bin. Es war noch nie mein Ding, pflichtgemäß Sachen abzuarbeiten, wovon ich glaube, dass ich sie tun „muss“. Mit Sachen, bei denen „Strom drauf“ ist, bin ich meist effektiver (das Begehren!)
Seit ich mir diesen Gedanken erlaubt habe, hat er viele Kinder gekriegt. Zum Beispiel ist mir klar geworden, dass ich zwar nichts über das Liebesthema geschrieben habe, dass ich aber dennoch dazu geforscht habe. Neulich habe ich mal alle meine gesammelten Ideen und Notizen ausgedruckt, und herausgekommen sind stattliche 200 Seiten. Man kann also nicht sagen, dass ich in der Sache vollkommen untätig war.
Nein, das Thema interessiert mich weiterhin sehr, und offenbar hat mich das Internet nicht davon abgehalten, konzentriert an dem zu forschen, was ich mir vorgenommen hatte. Meine Lustlosigkeit bezieht sich nicht darauf, über den Zusammenhang von Freiheit und Liebe gründlich nachzudenken und Sachen darüber zu lesen und zu sammeln, sondern sie bezieht sich darauf, das Ergebnis all diesen Tuns zu einem Buch zu verarbeiten.
Vielleicht sind Bücher ja einfach nicht mehr ein zeitgemäßes Medium (zumindest Sachbücher, für Romane sehe ich weiterhin Bedarf). Man schreibt und schreibt vor sich hin und präsentiert am Ende ein fertiges Werk. Das wird dann gedruckt und ist fixiert für alle Ewigkeit.
Diese Art, eigene Ideen und Forschungsergebnisse anderen zur Verfügung zu stellen, also zu publizieren, ist doch eigentlich bloß eine Mangelverwaltung. Notgedrungen machte man das früher so, weil es ja gar keine anderen Publikationsmöglichkeiten gab. Man sammelte Kapitel für Kapitel an, um an einer bestimmten Stelle willkürlich zu sagen: Jetzt ist Schluss, jetzt ist das Buch fertig. (Wie viele Bücher sind übrigens nicht geschrieben worden, weil die Leute diesen Schnitt nicht machen wollten, in der ja völlig zutreffenden Annahme, dass sie niemals an dem Punkt ankommen, das Thema erschöpfend behandelt zu haben!).
Das Herumtreiben im Internet hat mich jedenfalls nicht nur vom Buchschreiben abgehalten, es hat auch dazu geführt, dass ich inzwischen einfach ganz andere Formen des Denkens und Publizierens gewohnt bin. Ich bin anspruchsvoller geworden. Es kommt mir komisch vor, wenn ich auf einen Text, den ich schreibe, nicht sofort eine Rückmeldung bekomme. Ich fühle mich bei dem Gedanken unwohl, dass ich da etwas hinschreiben und drucken lassen soll, ohne dass andere vorher die Möglichkeit hatten, Ergänzungen vornehmen, Einwände vorzubringen, mich auf Fehler hinzuweisen. Ich glaube, das (und nicht Faulheit oder Internetsucht) ist der eigentliche Grund, warum ich mich nicht ans Buchschreiben gemacht habe.
Deshalb habe ich mein Liebe-Projekt jetzt in einen eigenen Blog geschoben. All die vielen Ideen und Sachen, die ich darüber gesammelt habe, bekommen dort nach und nach ein Zuhause. Momentan stelle ich mir vor, dass das organisch wächst, dass die verschiedenen Aspekte sich im Lauf der Zeit verbinden und neue Erkenntnisse zutage befördern. Wer weiß, vielleicht kann man das am Ende ja sogar auch noch ordentlich ausdrucken.
Ob das dieselbe Ernsthaftigkeit und „Forschungstiefe“ erreicht, wie ein „richtiges Buch“? Oder ob es mich faul macht und schlampig macht, meine die Gedanken kurzlebig und oberflächlich? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich will es mal ausprobieren.


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