Die Frauenbewegung im Geschichtsbuch

Grade habe ich das neue Reclam-Büchlein „Die Geschichte der Frauenbewegung“ von Michaela Karl gelesen, und ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Einerseits ist es ja schön, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, all das mal schön säuberlich aufzuschreiben: Die ganzen Versammlungen, die Namen der Berühmtheiten, die Jahreszahlen. Andererseits, ich weiß nicht, bleibt ein schaler Geschmack. Ist das die Frauenbewegung?

Mit Geschichtsbüchern hatte ich schon immer so meine Probleme, egal ob es um die alten Griechen ging oder um die Sumerer, die, soweit ich erinnere, noch früher waren. Ich konnte mir diese Sachen einfach nicht merken. Durch Prüfungen habe ich mich durchgemogelt. Zum Beispiel erinnere mich noch dran, wie ich bei meiner Grundstudiums-Klausur in Kirchengeschichte auf dem Weg zur Uni mir die wesentlichen Zahlen von meiner besser bewanderten Kommilitonin aufsagen ließ, ich behielt sie genau so lang, bis die Klausur geschrieben war. Besagte Kommilitonin fiel aus allen Wolken, als ich nicht mal das Jahr der Französischen Revolution wusste.

Heute kann ich mir gar nicht vorstellen, wie man das Jahr der Französischen Revolution nicht wissen kann, aber das liegt daran, dass mir die Französische Revolution etwas bedeutet. Sie war das Datum, zu dem die Gleichheit der Männer sich als politische Idee in Europa durchsetzte und der Ausschluss der Frauen aus der Politik besiegelt wurde. Das steht natürlich in keinem dieser Geschichtsbücher.

Die Punischen Kriege sagen mir was, seit ich mit großem Vergnügen „Hannibal“ von Gisbert Haefs gelesen habe und seither ein Fan von Kathargo bin und das Römische Imperium in die zehn größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte einordne. Im Geschichtsunterricht war mir hingegen nie klar geworden, was für einen Sinn es haben soll, sich mit punischen Kriegen zu beschäftigen.

Die Geschichtsbücher waren für mich vielleicht auch deshalb so langweilig, weil praktisch keine Frauen drin vorkamen. Ungefähr Mitte der 1980er Jahre begann unter Frauen die Diskussion darüber, dass das ja eigentlich unsäglich ist, und los ging die Welle der historischen Frauenforschung. Seither sind Unmengen von Sachen erforscht worden, die die Männer vorher „vergessen“ hatten, und das ist natürlich gut so. Trotzdem blieb das Ganze für mich etwas unbefriedigend, irgendwie wirkte die Geschichte der Frauen so „drangeklatscht“ an die Männergeschichte. Dazu habe ich schonmal einen Vortrag geschrieben, den es auch als Podcast gibt.

Und jetzt gibt es also auch die Geschichte der Frauenbewegung von der Aufklärung bis heute auf handlichen 250 Seiten zum Nachschlagen. Sicher irgendwie eine feine Sache, aber andererseits genauso dröge wie die Geschichte der punischen Kriege.

Es liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache. In Geschichtsbüchern werden komplexe Ereignisse auf kurze Spotlights zusammengeschnurrt. Differenzierte soziale Bewegungen mit Unmengen von Akteurinnen werden kristallisiert zu den vier, fünf „wichtigen“ Persönlichkeiten, vielschichtige Debatten in zwei, drei „Hauptkonfliktlinien“ kondensiert, und das Ergebnis ist dann einfach falsch.

Manchmal richtig falsch, weil die Autorinnen solcher Bücher die Ereignisse ja nicht wirklich selbst erforschen, sondern aus der sich schon als maßgeblich etabliert habenden Literatur das Wichtigste abschreiben, auch wenn es falsch ist. In diesem Fall wird zum Beispiel für die amerikanische Frauenbewegung mal wieder Victoria Woodhull verschwiegen (auch über die gibt’s von mir einen Podcast) und ihre Wahlrechtskampagne Susan Anthony ans Revers geheftet. So steht es halt überall, also muss es wahr sein. Ist es aber einfach nicht.

Aber falsch sind diese Geschichtsbücher nicht nur, weil sie Fehler, die sich einmal etabliert haben, immer und immer wieder wiederkäuen, sondern weil sie auch dann, wenn die Fakten stimmen, ein falsches Bild abgeben. Geschichte ereignet sich nicht in historischen Daten und historischen Persönlichkeiten.

Die Frauenbewegung hat das mit ihrer Kritik an der männerzentrierten Geschichtsschreibung eigentlich entlarvt gehabt. In dem Moment, als klar wurde, dass sie falsch sein muss, weil eine Hälfte der Menschheit überhaupt nicht drin vorkam, wäre das eigentlich eine Chance gewesen, das Konzept „Geschichtsbuch“ einmal grundsätzlich zu hinterfragen. Und zu überlegen, wie man das mit der Erinnerung und der Bezugnahme auf die Vorgängerinnen und Vorgänger vielleicht sinnvoller bewerkstelligen könnte.

Stattdessen wurden die Frauen „gleichgestellt“. Einige von ihnen wurden in die Geschichtsbücher aufgenommen (immer noch ziemlich wenige übrigens), und auch ihre soziale Bewegung bekommt jetzt ein Geschichtsbuch. Mit dem Ergebnis, dass die Falschheit des Konzeptes „Geschichtsbuch“, so wie wir es kennen – also entlang von Jahreszahlen bedeutender Ereignisse und Würdigungen bedeutender Personen – noch ein bisschen mehr verschleiert wurde. Dumm gelaufen, eigentlich.

Michaela Karl: Die Geschichte der Frauenbewegung. Reclam Sachbuch, Ditzingen 2011, 6 Euro. 


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

35 Gedanken zu “Die Frauenbewegung im Geschichtsbuch

  1. Ah, das sind Reihen, in denen Themen, die eigentlich sehr komplex sind, auf einigen wenigen Seiten abgehandelt werden. Das Büchlein, das du gerade kritisierst, kenne ich nicht, ich habe aber „a very short introduction to feminism“ aus der „very short introduction“-Serie von Oxford University Press. Ich habe es nur quergelesen, weil ich vieles schon kannte, aber manches aus der Geschichte der englischen Frauenbewegung eben noch nicht. Spannend war auch, dass dieses Büchlein vor Judith Butler aufhörte.

    Ich lese solche Bücher eigentlich sehr gern, wenn ich einen Einstieg in ein Thema brauche. (Deswegen war es wahrscheinlich Unsinn, mir ein Buch zu Feminismus zu kaufen. Aber ich bin schon so lange draußen, dass ich dachte, ich bräuchte was aktuelles.) Ich habe dann ein wenig Ahnung vom Thema und kann schon etwas einordnen, was andere Leute sagen. Das wichtigste an solchen Büchern sind aber die Literaturtips am Ende.

    Als ich jung war, gab es „Lesebücher“ zum Thema Feminismus, mit vielen Aufsätzen von verschiedenen Frauen. „Inspektion der Herrenkultur“ und „Denkverhältnisse“ habe ich immer noch.

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  2. So, war es halt. Frauen wurde der Zugang zur Bildung verwehrt. Politik, Kunst und Wissenschaft waren Männersache. Da ist es ja kein Wunder, daß nur wenige Frauen in Geschichtsbüchern auftauchen. Lediglich berühmte Königinnen hatte es zahlreiche gegeben: Maria Stuart, Elizabeth die Große von England, Maria Theresia, Marie Antoinette, Katharina die Große von Rußland und viele andere.

    Jene Dame war bestimmt genauso talentiert wie ihr Bruder Felix, steht aber weit unter seinem Schatten. Dasselbe gilt für das „Nannerl“, also Mozarts Schwester, die man nur deshalb kennt, weil sie in deren Kinderzeit gemeinsam an den Fürstenhöfen so schön musizierten, daß man heute noch davon spricht. Bemerkenswert waren da nur Sonja Kowalewskaja, die Neuberin, Clara Schumann, deren Kompositionen auch unter dem Schatten von Robert Schumann standen, aber dafür weit besser Klavier spielen konnte, was Robert Schumann depressiv stimmte. Einige ganz wenige Schriftstellerinnen und Salondamen hat es noch gegeben. Damit ist die Aufzählung fast zu Ende.

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  3. War nicht Geschichtsschreibung vor der „nouvelle histoire“ nicht sowieso die Geschichte der Großen, Erfolgreichen? Ganz egal, ob es Männer oder Frauen waren? Während die, die nicht vorkamen, nicht etwa Frauen waren, sondern eben der „gewöhnliche“ Mensch?

    Und ich persönlich verbinde mit „nouvelle histoire“ nun wirklich nicht Feminismus – sondern so große Namen wie Marc Bloch, Lucien Febvre, Fernand Braudel … deren Verdienste dem Feminismus auf die Fahnen zu schreiben, finde ich etwas verfehlt.

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  4. @Georgi – Und hinzu kommt noch, dass alle „berühmten“ Leute andere haben, die ihnen zuarbeiten, sei es, dass sie sich um die alltägliche Hausarbeit kümmern, oder dass sie durch Gespräche und Austausch dazu beitragen, dass sich die „großen Ideen“ überhaupt erst herausbilden usw.

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  5. Ja, die Zuarbeit – wenn man heutzutage feministische Geschichtsschreibung liest, dann könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass Tolstoi nur aufgeschrieben hat, was Frau Tolstoi ihm diktierte. Goethe nur seine Liebschaften ausnutzte. Einstein alles seiner Frau verdankt hat.
    Ein englischer Geschichtsprofessor meinte einmal, die offenkundige Überschätzung solcher Einflüsse führe zu einer völlig falschen Darstellung von Geschichte.

    In meinen Augen ist derartige feministische Funktionalisierung von Geschichtsschreibung im Sinne der Bereitstellung von Identifikationsfiguren für heutige Frauen ein enormer Rückschritt gegenüber dem, was Geschichtsschreibung heute tatsächlich sein kann – vor allem macht einen die offensichtliche Konkurrenz um die Zahl der Berühmtheiten stutzig, die doch angeblich überwunden sein soll, da wir die Menschen individuell schätzen, und nicht etwa langweilig finden und lächerlicherweise nichts von ihnen lesen wollen, weil sie Frau oder Mann sind.

    Manchmal sogar wirklich aufklärungsfeindlich – man denke nur an die unsägliche Vereinnahmung des „Hexenthemas“ durch Schwarzer und co., die dazu führte, dass das Thema von der seriösen Wissenschaft lange gar nicht betrachtet wurde.

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  6. Dass Zusammenfassungen von persönlich Erlebtem falsch werden, habe ich neulich auch bei einer Tagung empfunden. Zu den persönlichen Erzählungen der Teilnehmenden zu einem Thema wurden Stichworte an eine Pinnwand geheftet, maximal zwei bis drei pro Person. Was nachher an der Pinnwand stand, war etwas ganz anderes, als das, was erzählt worden war. Und mir schien das Ergebnis total falsch. Weiterdiskutiert wurde dann aber mit diesem falschen Ergebnis, obwohl ja die konkreten Erzählungen von allen gehört worden waren.
    Noch ein Beispiel für die unsichtbare weibliche Zuarbeit zu den großen Denkern: Der Philosoph Karl Jaspers hat immer betont, dass er seine Philosophie mit seiner Frau Gertrud zusammen entwickelt hat. Das hat aber nicht dazu geführt, dass das bekannt und tradiert wurde, da eine solche Information in einer Philosophiegeschichte der großen Denker keinen Platz hat.

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  7. @Andreas – auf so etwas Ähnliches wollte ich ja in meinem Blogpost hinaus. Der Punkt, dem ich diesem Geschichtsprofessor entgegen halten würde, wäre jedoch, dass die traditionelle Geschichtsschreibung halt ebenfalls falsch ist. Also wäre es doch besser, statt zwei falscher Wege einen richtigen oder richtigeren zu suchen? Und, ehrlich gesagt, wenn eine „seriöse“ Wissenschaft damit herausredet, ein Thema nicht zu bearbeiten, weil es von irgend jemandem mal vereinnahmt wurde, na, das ist schon ein sehr schwaches Bild.

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  8. @AntjeSchrupp:

    Na ja – die „traditionelle Geschichtsschreibung“ existiert aber ja eigentlich schon ziemlich lange nicht mehr. Übrigens fand/finde ich Geschichtsschreibung als Abfolge der Taten von Leuten mit Einfluss auch ziemlich langweilig – das finden wohl die meisten. Und das bessere suchen – na, geschenkt. Da sagt ja auch keiner nein.

    Das mit der Vereinnahmung ist auch schon lange vorbei – heutzutage ist die Erforschung dieser Themen etwas, worüber man sich auch als Nichtfachmann in einschlägigen Büchern gut informieren kann.

    Was wäre denn Deiner Meinung nach ein richtigerer Weg? Hast Du Beispiele, die Du richtig findest? Und was überzeugt Dich an denen?

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  9. Danke für den Link – finde ich sehr interessant.
    Allerdings finde ich die Idee eines „Dialogs mit der Vergangenheit“ sogar als Metapher mehr als seltsam.

    Ich fasse da mal für mich zusammenzufassen ( und denke, Du meinst wahrscheinlich das gleiche ? ):

    Es gibt zwei Begriffe von „Un-/Wichtigkeit“ und „Subjektivität/Objektivität“, die völlig unterschiedliche Bedeutung,
    aber beide ihre Berechtigung haben:

    Insoweit es eine historische Person betrifft, deren Leben und Denken ich erforschen will,
    ist subjektive Befindlichkeit selber objektiver Fakt: Wovon hat sich diese Person beeinflussen lassen?
    Was hat sie gedacht, was waren ihre Motivationen? In dem Sinne ist eben „Wichtigkeit“ nichts Subjektives!
    Die subjektive Befindlichkeit, mit der ein französischer Kaiser auf eine Depesche von Bismarck reagierte,
    war doch wohl ein wichtiger Beitrag zu den Ursachen eines deutsch-französischen Kriegs, der Ereignisse in Gang setzte,
    die immer noch den Rahmen mitgeformt haben, in dem unser persönliches Leben abläuft.
    Insofern war die lancierte Depesche von Bismarck historisch wichtig.

    In einem ganz anderen Sinne kann ich aber selber darüber entscheiden, welche historischen Ereignisse mein Leben bestimmen sollen,
    ein Beispiel liefert Kierkegaard ( nur aus der Erinnerung, sowas lese ich nicht ): Die Ereignisse um einen Fischer aus Judäa
    haben die Geschichte stärker zum positiven hin beeinflusst als sämtliche römischen Kaiser zusammen ( sinngemäß ).

    Mit anderen Worten – in dem Sinne kann es gar keine objektive Wichtigkeit historischer Ereignisse geben, weil ich selber im Dialog mit anderen bestimme, welche Aspekte unserer
    Vergangenheit unsere Zukunft beeinflussen soll ( und ich überlasse meine Zukunft eben ungerne den Launen machtgeiler Neurotiker,
    wogegen mich die Geschichte von Lieschen Müller eventuell beschäftigt ). Mit der Folge, dass Lieschen Müller eventuell nachfolgenden
    Historikergenerationen als eine objektiv unglaublich wichtige Person vorkommen wird.

    Die Ausnahme ergibt sich dann, wenn ich an ein Fortschrittsmodell der Weltgeschichte glaube und meine eigene Gesellschaft
    entweder als Gipfel oder Schritt auf dem Weg zum Gipfel der Zivilisation ansehe ( die traditionelle Geschichtsschreibung: was wichtig ist, ist damit klar ), oder aber
    als zu überwindenden Zwischenschritt ( alles vorherige ist im Grunde gleich unwichtig ).

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  10. Apropos Römisches Imperium: Ohne dem, wäre das „Christentum“ wohl kaum über die Alpen gekommen. *zwinker* 😉

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  11. Ohne die Römer hätten sich die Germanen viel früher ausgebreitet und die Sterne hiessen heute nicht Saturn und Merkur, sondern Hans-Dieter und Jochen.“ (Alfred Dorfer)

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  12. Heute kann ich mir gar nicht vorstellen, wie man das Jahr der Französischen Revolution nicht wissen kann, aber das liegt daran, dass mir die Französische Revolution etwas bedeutet. Sie war das Datum, zu dem die Gleichheit der Männer sich als politische Idee in Europa durchsetzte und der Ausschluss der Frauen aus der Politik besiegelt wurde. Das steht natürlich in keinem dieser Geschichtsbücher.

    Waren denn Frauen vorher eher an der Politik beteiligt? Ich halte das für eine Fehldeutung. Politik war von Ausnahmen abgesehen grundsätzlich Männersache. Daher ist die Französische Revolution meines Erachtens eine Kontinuität. Und natürlich in erster Linie ein Fortschritt. Die Frauen zogen dann später nach.

    Wie kommen Sie denn zu der Meinung, daß die Fr. Revolution den Ausschluß der Frauen besiegelt hätte? Aus meiner Sicht ist dies eine interessengeleitete Geschichtsdeutung, um bestimmte Dinge zu suggerieren.

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  13. @James – Mit der Französischen Revolution wurde „Gleichheit“ als politisches Prinzip in die Politik eingeführt (bzw. erneut eingeführt, in der Athenischen Demokratie hatte man das ja auch schonmal versucht). Und zu diesen „gleichen“ Menschen gehörten Frauen eben explizit nicht. Natürlich stimmt es, dass vorher auch schon der überwiegende Teil der offiziellen Politik von Männern dominiert war, aber es war eben kein Prinzip dahinter. Politischer Einfluss machte sich eher am Stand als am Geschlecht fest, d.h. es gab zwar weniger Königinnen als Könige, aber es gab nicht prinzipielle KEINE Königinnen, und eine Äbtissin hatte politisch mehr Einfluss als ein Bauer. Das heißt, Geschlecht war nur eines von vielen Kriterien, das die (formelle) Möglichkeit zu machtpolitischer Einflussnahme ausmachte. Erst mit der französischen Revolution wurde per Gesetz verbindlich festgelegt, dass alle Männer (unabhängig von ihrem Stand) als Gleiche betrachtet werden sollen, und Frauen prinzipiell (unabhängig von ihrem Stand, ihrer Tätigkeit, ihrem Vermögen) als Ungleiche.

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  14. #16:

    … es gab aber vor der Französischen Revolution prinzipiell KEINE Komponistinnen, Dirigentinnen, Ingenieusen, Wissenschaftlerinnen, Amtsmänninnen, Soldätinnen, Seemänninnen, nicht einmal Friseusen, Lehrerinnen, Buchhalterinnen, Sekretärinnen.

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  15. #18:

    …naja, aber nur in Einzelfällen. Höhere Bildung war den Damen verschlossen. Viele Berufe auch, denn Handwerker und Bauern haben ihre Werkstätten und Höfe prinzipiell an ihre Sohne vererbt. Das blieb während und nach der Französischen Revolution zunächst auch so. Insofern hat die Französische Revolution auch nicht zu einer Verstärkung des Ausschlusses von Frauen geführt.

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  16. @georgi – Naja, ein paar mehr als Einzelfälle waren es schon. Handwerksbetriebe und Bauernhöfe wurden faktisch von Familien in Gemeinschaftsbetrieb bewirtschaftet. Wenn Männer starben, war es weit verbreitet, dass die Frauen den Betrieb weiter führten. Aber auch wenn du recht hättest: Ich finde, es ist ein Unterschied, ob Frauen faktisch weniger „mächtig“ sind (in diesen Kategorien) als Männer, oder ob ihnen explizit und per Gesetz etwas prinzipiell verboten wird. Auch wenn das Erstere natürlich ebenfalls nicht toll ist. In meiner Analyse geht es um diesen Bereich des formalen Rechts. Völlig gesellschaftlich einflusslos sind Frauen ja auch nach der Aufklärung nicht gewesen 🙂

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  17. Hm – eines der großen Dramen der französischen Revolution ist aber doch, dass sich die Idee der Gleichheit aller (männlichen) Menschen noch nicht wirklich durchsetzte; relativ schnell ging es nur noch um die Gleichheit des Bürgertums, zum Schluss vielen nur noch darum, dem Bürgertum adlige Privilegien zu verschaffen.

    Und eine bürgerliche Frau hatte auch wieder schnell einiges mehr an „Gleichheit“ als etwa bäuerliche Männer oder solche aus der entstehenden Arbeiterschaft.

    Im übrigen @AntjeSchrupp, die Feststellung, Frauen wurden zu „Ungleichen“ erklärt, kommt mit einigem Vorwurf daher – ich kenne die Ereignisse leider nicht genau genug, aber wenn es so war, dann würde mich mal interessieren, was denn die Gründe dafür waren.

    Als Gründe kann man sich nämlich so einiges vorstellen – wurden Frauen zu Ungleichen erklärt, um sie von gleichen Rechten fernzuhalten, oder um sie davor zu schützen, zu ähnlichen Pflichten wie der durchschnittliche Mann herangezogen zu werden?
    Wie hat auf den durchschnittlichen Mann das Erlebnis gewirkt, dass Frauen in der Revolution durchaus an „vorderster Front“ zu finden, aber Frauen eben doch stark in Unterzahl unter den Revolutionären vertreten waren – wurde das von den Männern vielleicht so empfunden, dass die Frauen eben eher auf Seiten der Mächtigen waren?

    Des weiteren gab es ja relativ schnell nach der Revolution eine Tendenz der bürgerlichen Frauen, es den adligen gleichzutun – also z.B. auf eigenen Beruf zu verzichten, etwas später, teilweise mit zeitlichen Nachwirkungen bis in die Bundesrepublik, von den Frauen von Arbeitern nachgelebt … was war der Preis solchen Verlangens, von Männern ernährt zu werden?

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  18. ich weiß, dass es in dem beschriebenen buch um die geschichte geht. für die neue frauenbewegung ab mitte der 60er gibt es doch aber das dicke buch von ilse lenz „die neue frauenbewegung“ eine quellensammlung – eine rezension findet sich hier: http://www.perlentaucher.de/buch/32598.html
    und eine gekürzte version gibt es da auch! vielleicht liest sich das besser?
    liebe grüße, melanie von gluecklichscheitern.wordpress.com

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  19. @Andreas – die Gründe waren hauptsächlich, dass man befürchtete, die Frauen würden ihren „Pflichten“ bei der häuslichen Versorgung der Kinder und Ehemänner nicht mehr nachkommen, wenn sie politisch aktiv wären. Alle anderen „Argumente“ (zu emotional etc.) wurden erst später erfunden als Gegenreaktion zu dem Protest vieler Frauen.

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  20. @Andreas – diese Tendenz zur Verbürgerlichung ging vor allem von den Männern aus. Große Teile der Männer befürworteten ein Verbot der Frauenerwerbsarbeit, die Feministinnen hatten als Hauptziel den Zugang zur Erwerbsarbeit (Wahlrecht war demgegenüber zweitrangig).

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  21. #24 (Antje):
    ein gewisser Teil von Gewerkschaftern trat für Frauenarbeitsverbote ein. Unternehmer hingegen beschäftigten ganz gern Frauen (und Kinder), weil die so schön billig waren. Gegen diese Konkurrenz hatten manche Gewerkschafter etwas. In Bebels bekannter Schrift,
    irgendwo hier oder an einer anderen Stelle steht was dazu. Das Recht auf Erwerbsarbeit für Proletarierinnen mußte nicht erkämpft werden. Der Zugang zu den freien Berufen und zu höherer Bildung aber sehr wohl.

    Ganze Steinbrüche von Vorurteilen mußten da abgetragen werden. Das ist ja auch logisch. Niemand auf der Welt hatte je etwas von einer Anwältin oder einer Physikerin gehört. So glaubten die Leute einfach, es gäbe einen natürlichen Grund für die Abwesenheit der Frauen, einer der im „Wesen der Frauen“ begraben läge. Dieses „Wesen der Frau“ ist wiederum die Begründung dafür, Frauen von höherer Bildung auszuschließen, so daß sie nicht Anwältin oder Physikerinnen werden konnten.

    Übrigens, heute bei arte habe ich eine Aufzeichnung eines Konzertes gesehen aus dem Jahre 1974. Das Orchester bestand ausschließlich aus Männern. Heute wären die Violinen zum großen Teilen, die Harfen fast immer, Bässe, Klarinetten manchmal mit Damen besetzt. Wie sich in den letzten 37 Jahren die Welt verändert hat!

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  22. @AntjeSchrupp:

    Das überzeugt aber als Motiv der damaligen Männer wenig, finde ich, weil ja schliesslich die Versorgung von Männern und Kindern nicht weibliche Hauptaufgabe vor der Revolution war; Kinder wurden wohl in unserem Sinne ( Hauptaufgabe einer erwachsenen Person ) gar nicht versorgt, Männer und Frauen bildeten sowieso Wirtschaftsgemeinschaften, in denen einer vom anderen abhängig war ( während interessanterweise die sexuelle Treue keine große Rolle spielte ).

    Ausserdem ging doch die Entwicklung später genau in die gegenteilige Richtung – während Frauen immer mehr Freiheit gewannen, die „Versorgung“ von Männern und Kindern nach Gusto einzustellen, müssen selbst heute noch in einigen Ländern Männer Frauen versorgen, ob sie wollen, oder nicht.

    Und drittens ist doch politische Aktivität gar nicht unterdrückbar, wie die Revolutionäre ja an sich selbst studieren konnten – im Gegenteil erwartet jeder denkende Mensch eine Politisierung von Frauen bei Ausbleiben gleicher Rechte. Es wundert einen eher, dass diese Politisierung dann so lange brauchte, um effektiv zu werden und eigentlich mit den Feministinnen einen immer nur sehr kleinen Teil aller Frauen umfasste.

    Also, ich finde das Thema interessant – aber ich glaube, beste AntjeSchrupp – Du neigst dazu, es durch eine Brille zu betrachten; wir hatten das Thema ja auch glaube ich mal bei der Diskussion des Ursprungs des Ehegattensplittings in der BRD, den Du ja ganz eigen darstellst 😉 …

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  23. Lieber @Andreas – ich betrachte das Thema durch die Brille meiner eigenen Forschung, denn über die Arbeiterbewegung im 19. Jhd. und ihr Verhältnis zur Frauenbewegung habe ich promoviert. Gerade damit kenne ich mich also wirklich sehr gut aus – und nicht nur aus zweiter Hand.

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  24. @Georgi – Ja, dass sich Arbeiter- und Frauenbewegung im 19. Jhd. haben auseinanderdividieren lassen war eines der Dramen. Schuld gab es auf beiden Seiten. Was heute nicht mehr viele wissen: Am Anfang des 19. Jhd. war beides noch ziemlich Hand in Hand gegangen.

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  25. @AntjeSchrupp:

    Ich glaube, angesichts der Tatsache, dass drei Viertel aller Jobs in der Industrie bei weitem nicht den Sinngehalt versprühen ( so las ich in einem Bericht über die USA ), den die meisten Frauen aus Tätigkeiten ziehen, die eben gerade nicht der Erwerbsarbeit zuzurechnen sind, sind die meisten Frauen ganz froh, dass die „Arbeiterbewegung“ und die „Frauenbewegung“ nicht Hand in Hand gehen.

    Leider produziert unsere Gesellschaft jede Menge Jobs, die Sch.. sind, aber gemacht werden müssen … und die passenden Menschen werden gleich dazu produziert, schliesslich bekommt man ja Schulversager etc. nicht geschenkt.

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  26. @AntjeSchrupp:

    Deine eigenen Forschung in Ehren, aber eigene Forschung haben auch die Leute betrieben, die vom natürlichen Schwachsinn des Weibes ausgingen. Ich glaube kaum, dass Du die „eigene Forschung“ in dem Fall als Argument gelten lassen würdest – …

    Interessant finde ich den Aufriss der Ideengeschichte von Brigitte Rauschenbach ( http://web.fu-berlin.de/gpo/pdf/brigitte_rauschenbach/brigitte_rauschenbach_.pdf ), Zitat:

    „Die Tatsache,
    dass politische Philosophie in dem Maße, in dem sie zum
    Wortführer der politischen Gleichheit ward, sich zum entschiedenen
    Anwalt geschlechtlicher Ungleichheit machte,
    gehört zu den ebenso erstaunlichen, wie kaum hinterfragten
    Phänomen politischer Ideengeschichte.“

    Mit anderen Worten, die Ungleichheit der Frauen wurde ebenso wie die französische Revolution in der Ideengeschichte vorbereitet ( der Artikel zeigt dies ganz interessant auf ) – und ich denke, der tiefere Grund ist der, dass die männlichen Ideengeber ein tiefes Misstrauen gegen Frauen in dem Sinn hatten, dass sie dachten, männliche Gleichheit wäre nicht zusammen mit weiblicher Gleichheit denk- und machbar – ob sie Recht oder Unrecht hatten, ist noch gar nicht entschieden.

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  27. @Andreas – Den einen Abschnitt Feminismus-Bashing hab ich aus deinem Kommentar gelöscht, du weißt ja, warum.

    Ansonsten: Klar ist „der tiefere Grund ist der, dass die männlichen Ideengeber ein tiefes Misstrauen gegen Frauen in dem Sinn hatten, dass sie dachten, männliche Gleichheit wäre nicht zusammen mit weiblicher Gleichheit denk- und machbar“ – aber die Frage ist doch, wie sie auf diese Idee kamen, die ja keineswegs naheliegend ist. Das mit der Angst um das Abhandenkommen weiblicher Fürsorge ist ein Erklärungsversuch, der auch aus zeithistorischen Quellen nachweisbar ist.

    Ich denke auch, dass noch nicht raus ist, ob männliche und weibliche Gleichheit vereinbar ist, ich denke, eher nicht, wie man an den negativen Folgen des Emanzipationismus und der „Gleichstellungspolitik“ sieht. Ich denke, das männliche Modell der „Gleichheit“ hat grundlegende Konstruktionsfehler, die nicht zu beheben sind.

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  28. @AntjeSchrupp:

    „…die Frage ist doch, wie sie auf diese Idee kamen, die ja keineswegs naheliegend ist….“

    Dass Du bestimmte Dinge bzgl. des Feminismus nicht wahrnehmen willst, weiss ich, ja … Du bedauerst ja auch, dass vor 300 Jahren Frauen in der Erwerbstätigkeit eingeschränkt waren, aber nicht, dass heutige Männer zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden … ansonsten denke ich, ist die Antwort auf diese Frage nur für Dich als Frau nicht naheliegend, da Du wohl kaum die üblichen Erfahrungen von Männern teilst.

    Ich schätze mal, wichtiger als der Verlust von Fürsorge sind die männlichen Erfahrungen mit weiblicher Sexualität, die mit männlicher Gleichheit nichts anfangen kann, sondern eben immer den Mächtigeren, Reicheren, Kreativeren verlangt und unterstützt, dies aber halt nur im Sinne der Eigenermächtigung.

    Die weibliche Fürsorge war ja, wie gesagt, schon immer etwas, was es sowieso nicht umsonst gab.

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  29. Dass der Grund die Sexualität ist, spricht übrigens Euripides aus, zitiert bei Rauschenbach:

    „Nachkommen schaffen
    sollten sich auf anderm Weg/ die Menschen, nicht mehr
    sollte sein der Frauen Geschlecht/So träfe niemals Ungemach
    die Sterblichen“

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  30. @Andreas – ja, mit diesem Zitat hast du dich eben genau in die Linie gestellt, in die du eben gehörst: Die Frauen erinnern Männer an ihre eigene Abhängigkeit, und deshalb wünschen sie sich seit Euripides ungefähr eine Welt, in der es keine Frauen gibt. Nicht alle Männer zum Glück, aber offensichtlich auch heute immer noch welche. Du wirst verstehen, dass mit diesen Männern keine Übereinkunft möglich sein kann, wenn man selbst eine Frau ist.

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  31. *Lach* – ja, das ist die Linie, in die ich gehör; und Du musst zugeben, verglichen mit dem ja mittlerweile ganz gut bekannten und erforschten Naturzustand, in dem sich Männer, wenn sie sich nicht gerade um die Nahrung, dann um Frauen schlugen und entweder sich mit Harems rumstreßten oder von Frauen fallen gelassen wurden und kinderlos waren, hat diese Linie einfach ganz tolle kulturelle und zivilisatorische Leistungen hervorgebracht.

    Klar, Frauen waren unterdrückt. Aber wären sie es nicht gewesen, wäre man halt über den Zustand „Frau schliesst sich mächtigem Hautots Harem an“ gesellschaftlich nie hinausgekommen ….

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