Das Gendercamp am vergangenen Wochenende in Hüll war gleichzeitig auch mein erstes Barcamp überhaupt, an dem ich so richtig teilgenommen habe. Und ich bin ein wenig hin- und hergerissen, was ich von diesem Veranstaltungsformat halten soll.
Für alle, die es nicht kennen: Bei einem Barcamp gibt es kein vorgegebenes Programm, sondern die Teilnehmer_innen legen selbst fest, welche Themen bearbeitet werden. In Hüll war es so, dass immer vormittags im Plenum alle, die eine „Session“ anbieten wollten, ihr Thema kurz vorstellten, und dann einen Raum und eine Zeit wählten, wo das stattfand.

Es gab an den zwei vollen Tagen jeweils sechs Zeitfenster für Sessions (am Sonntag auch nochmal zwei, aber da war ich nicht mehr da), und meistens fanden so drei bis fünf davon parallel statt. Sie dauerten immer 45 Minuten, dann war eine Viertelstunde Zeit, um den Raum zu wechseln oder eben auch länger fürs Mittagessen und Kaffeetrinken. Alle entschieden sich relativ spontan, wohin sie gingen. Bei der kleinsten Session, an der ich teilnahm, waren wir zu dritt, bei der größten waren es gut zwanzig Personen. Abends gab es dann nochmal ein Plenum für Organisatorisches. Insgesamt haben so gut fünfzig Leute am Gendercamp teilgenommen. (Hier ist eine Übersicht über alle Sessions).
Im Prinzip finde ich es natürlich gut, dass Barcamps die bei Tagungen sonst übliche Aufteilung zwischen „Expert_innen“ und „Publikum“ aufheben. Allerdings hat mich das Räumchen-Wechsel-Dich auch etwas unzufrieden gemacht. Nicht unbedingt, weil man zwangsläufig die meist auch spannenden Parallel-Sessions verpasst hat, sondern eher, weil auf diese Weise die Themen immer nur grob angerissen wurden.
Ich hatte den Eindruck, dass da eine riesige Fülle von Informationen, Erfahrungen, Ideen vorhanden war, mit denen ich aber immer nur „angefüttert“ wurde, ohne mich jemals richtig satt essen zu dürfen. Das lag, glaube ich, nicht mal nur daran, dass 45 Minuten ja eigentlich für jedes Thema zu kurz sind (wobei es auch „Doppel-Sessions“ von 90 Minuten gab), sondern eher daran, dass es bei den beteiligten Menschen untereinander keine Kontinuität gab. Man hat sich ja alle Stunde wieder in anderen Konstellationen zusammengewürfelt. So konnte eigentlich keine Vertrautheit entstehen, und die Beziehungen blieben für mich im Stadium des „Sich Beschnupperns“.
Natürlich lag das auch daran, dass ich kaum jemanden schon vorher kannte, außer aus dem Internet. Es war schon toll, so viele interessante Menschen auch einmal persönlich zu treffen, aber die Gespräche verliefen eigentlich immer „in Fetzen“, und nie konnte ich sicher sein, die andere noch mal wiederzusehen.
Hinzu kommt, dass in so einem Setting viel Kraft für das Aushandeln von Regeln nötig ist. Gerade bei einem Gendercamp, wo ja der Anspruch besteht, eine bessere Diskussions- und Umgangskultur zu praktizieren als gesellschaftlich sonst üblich (à la „Der Lauteste kriegt den meisten Raum“). Da hatte ein „Awareness-Team“ großartige Vorarbeit geleistet, aber kulturelle Praktiken sind eben nicht nur eine Sache des theoretischen Wissens, sondern vor allem eine der Übung. Und es braucht eine gewisse Zeit und auch gegenseitiges Vertrauen, um sie zu verankern. Ich fand, dass es für die Umstände ziemlich gut gelungen ist, aber es war auch anstrengend, worüber Adrian schon gebloggt hat. Vielleicht entwickelt sich das ja im Lauf der Jahre, wenn sich durch Menschen, die wiederholt am Gendercamp teilnehmen, eine gewisse Selbstverständlichkeit einstellt.
Alles in allem hat sich die wohlige „Sattheit“, die ich oft nach feministischen Wochenendtagungen habe, dieses Mal nicht so eingestellt. Eher fühle ich mich wie nach einem Urlaub, wo ich zwar viele Anregungen bekommen habe, aber nicht so wirklich selbst eingestiegen und aufgewühlt worden bin.
Wobei natürlich auch nichts gegen Urlaubmachen spricht, schon gar nicht in netter Umgebung und in interessanter Gesellschaft. Wenn ich es mir einrichten kann (und das Gendercamp wieder stattfindet), fahre ich nächstes Jahr wieder hin.

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