Nachdem ich gerade diesen schönen Erklärbär-Artikel von Anatol Stefanowitsch gelesen habe, möchte ich dem Thema über die ermüdenden Auseinandersetzungen zur Frage „Ist Diskriminierung wirklich so schlimm oder warum versteht Ihr keine Witze“ gerne noch einen Aspekt hinzufügen, der mir seit einer Weile im Kopf herumgeht.
Und zwar die Ermüdungserscheinungen, die ich in letzter Zeit immer häufiger nicht nur an mir, sondern unter vielen Feministinnen meiner Generation (also der schon etwas Älteren) beobachte. Vielleicht interessiert es ja jemanden, zu erfahren, dass wir längst keinen Bock mehr haben, ständig die Ruferinnen in der Wüste zu sein.
Denn es ist ja nicht so, dass die Kritik an diskriminierenden Strukturen und Stereotypen gerade vorgestern erfunden wurde. Ich kann mich dran erinnern, wie prickelnd und begeisternd es für mich in den 1980er Jahren noch war, als uns das alles erstmals klar wurde. Wie begeistert ich war, dass mir feministische Analysen ermöglichten, Strukturen zu durchschauen, Mechanismen zu verstehen, neue Perspektiven zu finden.
Inzwischen ist mir das alles selbstverständlich, es kann alles nachgelesen und herbeigegoogelt werden. Und ich bin wirklich genervt davon, die Debatten immer wieder bei Adam und Eva beginnen zu müssen.

Und nicht nur ich. Neulich saß ich mit einer Bekannten beim Kaffee, die ebenfalls seit über zwanzig Jahren feministische Aktivistin ist. Und sie empfand das ganz ähnlich wie ich. Es ist einfach nervig, immer die einzige zu sein, die in Sitzungen auf inklusiver Sprache besteht, zum Beispiel. „Ich hab da keinen Bock mehr drauf“, sagte sie. „Bevor ich mich dauernd mit irgendwem rumstreite, gehe ich doch lieber ins Kino.“
Nur mal so ein Beispiel: Am Samstag war ich beim Stoffel, das ist ein eigentlich sehr nettes Freiluftfestival, das es sommers immer in Frankfurt gibt. Bühne, Musik, gute Laune, kostet nicht mal Eintritt. Aber es werden Spenden gesammelt. Und zwar, wie uns so ein angestrengt lustiger Schnösel von der Bühne herunter ankündigte, von „entzückend schönen Frauen“, die mit entsprechenden Beuteln gleich durchs Publikum gehen würden.
Das ist so eine Situation: Soll ich mich aufregen? Es nützt ja nichts. Ist doch nur witzig gemeint. Ist ja nicht so wichtig. Wahrscheinlich hat er nicht richtig nachgedacht. Schwamm drüber.
Ja, ich habe mich aufgeregt, aber fast mehr noch habe ich mich darüber aufgeregt, dass ich mich aufgeregt habe. Denn ich habe keine Lust mehr, ständig die Genderpolizei zu spielen. Es ist doch nicht MEIN Problem, wenn Ihr eure Kinder mit dummen Stereotypen vollpumpt (es waren viele Eltern mit kleinen Kindern da). Es ist doch nicht MEIN Problem, wenn Männer und Frauen ihre Energie mit Klischeeerfüllungsanstrengungen verschwenden, anstatt was Sinnvolles zu tun. Immer stärker wird in mir der Impuls zu sagen: Bleibt halt einfach dumm.
Was mich also so nervt (und ich glaube eben, es geht nicht nur mir so) ist NICHT, dass manche Menschen andere Meinungen haben als ich, ich gehe keiner ernsthaften Diskussion aus dem Weg. Was mich nervt ist, dass in den Debatten dauernd der Eindruck erweckt wird, wir Feministinnen würden Interessenspolitik und Frauenlobbyismus betreiben, es ginge uns vor allem um uns selbst.
NEIN, ES GEHT NICHT UM MICH. Mir persönlich, danke schön, geht es gut. Ich habe persönlich überhaupt kein Problem mit männlicher Sprache und nicht mal mit sexistischer Kackscheiße wie rosa Lego oder Mädchen-Überraschungseiern. Das geht mir vollkommen hinten vorbei.
In meiner Welt gibt es genug interessante Dinge, interessante Menschen, mit denen ich sehr gut beschäftigt bin. Es fällt mir überhaupt nicht schwer, Leute, die bis heute nicht die minimalsten Grundkenntnisse davon haben, was feministische Reflektion in den vergangenen vierzig Jahren an Erkenntnisfortschritten gebracht hat, einfach zu ignorieren. Ich halte sie schlicht für ein bisschen dumm und gehe ihnen aus dem Weg.
Aber es geht eben nicht um mich. Es geht darum, in welcher Welt wir leben wollen.

Was meinst du?