Haha, lustig. Malte Welding erklärt den Antirassist_innen und Feminist_innen, dass es für einen ernsthaften Diskurs nicht zuträglich ist, dem Gegenüber zu sagen, er oder sie produziere sexistische und rassistische „Kackscheiße“.

Echt jetzt? Da wäre man ja von selber gar nicht drauf gekommen.
Nadia Shehadeh hat schon eine Erwiderung darauf geschrieben, in der sie den überheblichen Gestus, der Weldings Ermahnungen zugrunde liegt, gut dekonstruiert (und btw damit zeigt, dass Überheblichkeit auch nicht gerade ein gutes Stilmittel ist, um das Gegenüber von irgendwas zu überzeugen).
Aber ganz davon abgesehen geht Weldings Einwand natürlich vollkommen am Thema vorbei, weil „Kackscheiße“ inzwischen das Mem geworden ist, mit dem in einem bestimmten Kontext gerade ausgedrückt werden soll, dass hier die Diskussion am Ende ist. Es ist gerade der Sinn dieses Wortes, genau diesen Schnitt und diesen Bruch anzuzeigen.
Wenn man also das Phänomen, dass dieses harsche Wort neuerdings in bestimmten Kontexten Verwendung findet, ernsthaft analysieren will, müsste man damit beginnen, verstehen zu wollen, warum hier Leute eine Grenze ziehen und somit markieren, dass sie nicht zur Diskussion bereit sind, und dann könnte man darüber reflektieren, ob diese Diskussionsverweigerung sinnvoll ist oder nicht.
Ich selber benutze den Begriff „Kackscheiße“ selten oder nie, obwohl ich auch oft keinen Bock mehr aufs Diskutieren habe. Allerdings nicht aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten meines Gegenübers, sondern weil ich den Begriff „Scheiße“ generell nicht mehr metaphorisch benutzen möchte. Ich bin nämlich zusammen mit meinen Denkfreundinnen beim Schreiben des „ABC des guten Lebens“ zu der Einsicht gekommen, dass man viel öfter über Scheiße im realen Sinn sprechen müsste, und dass es dafür nicht gut ist, wenn das Wort eine Metapher für alles Böse und Schlechte ist.
Zurück aber zur eigentlich interessanten Frage: Wie steht es um die Notwendigkeit, Dinge zu vermitteln? (Auch das ist ein wichtiges Wort in unserem ABC.)
Richtig ist: Vermittlungen zu suchen ist die einzige Möglichkeit, Leute zu überzeugen und eine wirkliche politische Diskussion zu führen. Ihnen dabei „sexistische Kackscheiße“ an den Kopf zu werfen, ist normalerweise kontraproduktiv.
Falsch ist: Dass wir alle verpflichtet sind, ständig und überall und mit allen Leute politische Diskussionen zu führen.
Und zwar nicht nur, weil wir müde sind, keinen Bock haben und so weiter, sondern aus einem viel wichtigeren Grund: Um eine echte Diskussion zu führen, ist es notwendig, eine Beziehung zum Gegenüber einzugehen. Mit manchen Menschen und in manchen Situationen ist das aber nicht möglich, oder es wäre zwar möglich, aber nicht sinnvoll.
Die Arbeit an Beziehungen war eine der wesentlichen feministischen Praktiken, die die Frauenbewegung in den 1970er Jahren erfunden hat. Sie stellte nicht politische Programme und Forderungen, sondern den Wunsch nach guten Beziehungen in den Mittelpunkt.
Gute Beziehungen, wohlgemerkt, nicht irgendwelche Beziehungen. Dass Frauen allzu häufig ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, um schlechte und schädliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, hat die Frauenbewegung als Teil des Problems erkannt. Dass nicht jede Beziehung es Wert ist, aufrecht erhalten zu werden, ist am offensichtlichsten natürlich, wenn Gewalt im Spiel ist. Es gilt aber auch in anderen Fällen.
Zur politischen Praxis der Frauenbewegung gehörte es deshalb, sowohl bewusst Beziehungen zu anderen Frauen und feministischen Männern einzugehen, als auch – und das ist wichtig – Beziehungen aufzukündigen, in denen gutes Leben nicht möglich ist, weil sie von Gewalt und Macht dominiert sind und das Gegenüber nicht bereit ist, davon runterzukommen.
Eine sehr radikale Auswirkung davon war der Separatismus, also die Entscheidung, die politische Zusammenarbeit mit Männern generell aufzukündigen, wozu auch die Bewegung der „politischen Lesben“ gehörte. Das war eine sehr wichtige Praxis, auch wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse uns inzwischen woanders hin gebracht haben und sie, wie jede Praxis, überdacht werden muss.
Inzwischen ist das Pendel aber vielleicht schon wieder ins Gegenteil umgeschlagen, und das Mantra „Der Feminismus muss Männer einbeziehen“ wird für meinen Geschmack zuweilen etwas zu oft und laut und zu pauschal gesungen.
Vielleicht ist der zunehmende Wunsch, auch mal „Kackscheiße“ zu sagen, also die Beziehung und die Diskussion aufzukündigen, ein Ausdruck davon, dass jetzt die Frage ansteht: Mit welchen Männern wollen wir zusammenarbeiten – und mit welchen nicht? Wobei, wohlgemerkt, „zusammenarbeiten“ nicht bedeutet, dass man einer Meinung ist, sondern dass man sich gegenseitig als aufrichtigen Gesprächspartner, Gesprächspartnerin ernst nimmt.
Der Punkt ist doch, dass es keine generellen Regeln gibt, an denen man sich im politischen Handeln orientieren kann. Die Kunst in der Politik besteht darin, in einer jeweiligen Situation dies oder jenes zu tun, das ist eben eine Sache der Praxis, der Erfahrungen, die gesammelt und reflektiert werden.
Es ist, in anderen Worten, die Kunst, mal „Kackscheiße“ zu sagen (oder etwas anderes zu tun, um zu signalisieren, dass man jetzt und mit dieser Person nicht diskutieren, also sich nicht in eine Beziehung setzen möchte), und mal aber auch nicht.

Was meinst du?