So richtig viel Neues darüber, wie es in den Top-Führungsebenen von Unternehmen zugeht, ist aus dem Buch nicht zu erfahren, aber es ist noch einmal schön aufgeschrieben und wird anhand von allerlei konkreten Geschichten anschaulich. Die anonyme Autorin erzählt aus ihrem Leben in der oberen Managemant-Etage. Hat man in einem Tag durchgeschmökert.
Neben den schon fast schon zum Klischee verkommenen Running-Gags à la „Wer hat den Größten?“ (den größten Dienstwagen, das größte Büro, Gähn) fand ich vor allem interessant, wie sehr gutes Benehmen in diesen Ebenen offenbar abgelegt werden muss, um es „zu etwas zu bringen“. Mich in meiner Naivität können Informationen wie die noch schocken, dass man, wenn man mit Top-Managern eine gemeinsame Antipasti-Platte gereicht bekommt, keinesfalls darauf warten darf, dass sie einer was übrig lassen – wer sich nicht mit Ellenbogen seinen Anteil verschafft, knabbert am Salatblatt.
Oder auch die, dass Praktikumsplätze ganz ungeniert so vergeben werden, dass zuerst die hübschesten jungen Frauen aussortiert werden, um dann unter denen die Qualifizierteste zu nehmen – das Auge isst ja sozusagen mit. Übrigens gelte das Prinzip „Schönheit hilft weiter“ dann aber jenseits des Praktikumsplatzes nicht mehr, schreibt Anonyma. Eine Frau, die in eine Führungsposition kommen will, dürfe weder besonders hübsch noch besonders hässlich sein, sondern muss mittelmäßig aussehen. Klar: Wenn der Mann gegenüber unbedingt mit dir ins Bett will, wird er nicht zuhören, und wenn er sich bei der Vorstellung, mit dir im Bett zu liegen, ekelt, wird er dir auch nicht zuhören.
Ich kann nicht beurteilen, inwiefern das alles noch immer so stimmt, weil ich soziale Orte, an denen ich allein unter Männern bin, meide – dort gefällt es mir nicht. Aber ich finde es gut, wenn diejenigen Frauen, die dort sind und sein wollen, anfangen, über ihre Erlebnisse zu sprechen, allein schon, damit die Diskussion in Gang kommt. Wenn das dann andere dazu bringt, zu beschreiben, was sie anders erleben, umso besser.
In der Zusammenschau machen die erzählten Begebenheiten auf jeden Fall klar, dass Führungspositionen in Unternehmen immer noch sehr eng mit einer bestimmten Performanz von Männlichkeit verknüpft sind. Es geht hier nicht um die möglichst effektive Organisiation von Wirtschaftsleben, sondern es geht um ein „männliches Imaginäres“, das in einer ermüdenden Endlosschleife immer wieder reproduziert wird.
Und das ist auch das Dilemma jeder Frau, die sich hier bewegt: Ein Mann, der Chef wird, vergrößert seine Männlichkeit. Eine Frau, die Chefin wird, vergrößert jedoch nicht ihre Weiblichkeit, im Gegenteil, sie setzt sie aufs Spiel. Solange das so bleibt, werden diese Positionen für Frauen unweigerlich weniger attraktiv sein. Sie haben dort einfach viel weniger zu gewinnen als Männer.
Anonyma bringt das so auf den Punkt: „Im Prinzip muss man als Frau ein Mann sein, um Karriere zu machen, doch man darf sich keinesfalls so verhalten wie ein Mann. Man muss es schaffen, als Frau geschlechtsneutral betrachtet zu werden und trotzdem die Kompetenzen, die man als Frau mitbringt, einzubringen. Dann kann es funktionieren.“
Anonyma: Ganz oben. Aus dem Leben einer weiblichen Führungskraft. H.C. Beck, München 2013, 160 Seiten, 14,95 Euro.

Was meinst du?