Selbst als Feministin kann man sich ja nicht über alles aufregen. Seit Jahren – ach was, seit Jahrzehnten! – zum Beispiel ärgere ich mich jedes Jahr beim Abgeben der Steuererklärung, denn obwohl ich seit meinem 19. Lebensjahr versicherungspflichtig erwerbstätig bin (und also Steuern zahle), bin ich doch die wenigste Zeit meines Lebens eine Steuerpflichtige gewesen.
Denn die meiste Zeit seither bin ich heterosexuell verheiratet und damit lediglich die Ehefrau eines Steuerpflichtigen. Und zwar völlig unabhängig davon, ob dieser betreffende mit mir verheiratete Steuerpflichtige überhaupt erwerbstätig war. Auch wenn er keinen Pfennig Geld verdiente, war er der Steuerpflichtige, ich die Ehefrau.
Das ist durchaus lästig, weil zum Beispiel Finanzämter und Steuerberatungsbüros die Akten niemals unter dem Buchstaben „S“ wie „Schrupp“ abhefteten, sondern immer unter irgendwelchen anderen Buchstaben wie „X“ oder „Y“ oder „Z“, je nachdem, wie mein jeweiliger Ehemann eben hieß. Aber wollte ich mich wirklich darüber beklagen, wo doch dies eine vergleichsweise kleine Ungerechtigkeit ist gegenüber den vielen Paaren, die, weil sie in ihrer Beziehung nicht die unterschiedlichen Geschlechtervarianten vorzuweisen haben, viel mehr Steuern zahlen müssen als ich? Immerhin habe ich die meiste Zeit vom Ehegattensplitting profitiert.
Trotzdem wird diese Praxis je länger wir schon Emanzipation haben, umso absurder. Gestern dann kam ein Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich ab sofort zwei Steuernummern hätte, eine für meine festangestellte, eine für meine freiberufliche Seite. Und ich sollte deshalb doch bitte noch eine „Erklärung zur gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung“ abgeben, was immer das sein mag.
Dank Internet fand ich heraus, dass dies nur notwendig sei, wenn der „Unternehmenssitz“ (lol) in einem anderen Finanzamtsbezirk läge wie der private Wohnsitz des Unternehmers (sic!). Was bei mir natürlich nicht der Fall ist, mein Arbeitszimmer liegt schön praktisch Tür an Tür mit meinem Schlafzimmer.
Also rief ich im Finanzamt an und fragte die zuständige Sachbearbeiterin, ob sie sich vertan hätte. Nein, so die Auskunft, die doppelte Steuernummer sei notwendig, weil ich ja nicht der Steuerpflichtige sei, sondern nur seine Ehefrau. Ein wenig perplex fragte ich nach, um ganz sicher zu sein und, ja, wäre der Fall anders herum, also mein Mann freiberuflich tätig, würde eine Steuernummer für alles völlig in Ordnung gehen.
Auf meine Nachfrage, wie das denn Rechtens sein könne, wo wir doch schon seit ein paar Jährchen Gleichberechtigung hätten in Deutschland, bekam ich die Antwort „Ja, aber anders ist es leider technisch nicht möglich“. Keine Ironie, sie meinte das in vollem Ernst.
Die – übrigens wirklich freundliche – Dame erzählte dann noch, dass es ja neuerdings „auch diese gleichgeschlechtlichen Paare“ gäbe, und da würde das auch so gehandhabt, nur dass da das Alphabet und nicht das Geschlecht ausschlaggebend dafür sei, wer von beiden als „Person A“ geführt werde.
Ja, sagte ich, ist doch prima, dann müsste man das doch nur bei allen Paaren so handhaben, also nach Alphabet und nicht nach Geschlecht vorgehen, dann wäre das Ganze doch sogar noch hübsch einheitlich.
Aber nein, lautete der Bescheid, wie gesagt, das sei technisch leider nicht möglich. Wo ich mich denn beschweren könnte, denn ich sei der Meinung, diese Praxis sei rechtswidrig. Ich könne ja ans Ministerium schreiben. Oder Verfassungbeschwerde einlegen. Das war der Moment, wo ich mich geschlagen gab.
Falls das mal jemand machen sollte, würde ich applaudieren. Persönlich bin ich da aber eher nicht so der Typ für. Ich fülle jetzt erstmal die Erklärung zur gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung aus. Nicht, dass da irgendwas draufstünde. Nur zwei Felder für die Adressen, die des Unternehmenssitzes und die des Privatwohnsitzes des Unternehmers. Ich dürfe aber die Felder für die zweite Adresse durchstreichen. Sie sei ja in meinem Fall identisch.
Hallo, Finanzamt?

Was meinst du?