Die Gewalt von Köln und was zu tun ist

Vermutlich habt ihr schon mitbekommen, dass ich Montag abend  was über die Sache in Köln geschrieben habe – der Text ist ziemlich weit herumgereicht worden, inzwischen über 120.000 Klicks (die Kommentare wollt ihr eher nicht lesen). Am Mittwoch früh ist er etwas aktualisiert auch nochmal auf Stern.de erschienen. Dem Deutschlandfunk habe ich dazu ein Interview gegeben, das noch ein paar Tage in der Mediathek steht. Außerdem sprach ich am Mittwoch morgen noch mit der Freiheitsliebe über den Rassismus in der aktuellen Debatte.

Anfangs freute mich, als mein Text viral ging, und ich dachte, vielleicht kann es ein klein bisschen eine Gegenstimme sein. Heute, nachdem ich gesten so viel dazu gelesen habe, inklusive Kommentare und Mails an mich, glaube ich nicht mehr, dass es was nützt. Das rassistische Narrativ „schwarzer Mann vergewaltigt weiße Frau“ ist volle Kanne durchgeschlagen, und das lässt sich erstmal nicht mehr einholen. Ich hoffe, das ist jetzt nicht der Tipping-Point, an dem der unterschwellige Rassismus in Deutschland flächendeckend in offenen, gesellschaftlich legitimierten Rassismus umschlägt. Heute morgen sagte ich am Frühstückstisch: Und am Ende sind wir Feministinnen Schuld, weil wir so erfolgreich dafür gekämpft haben, dass der Kampf gegen sexuelle Gewalt ernstgenommen wird. Aber mir wurde – zu Recht – entgegen gehalten, dass das Quatsch ist, dann wäre es eben irgend ein anderer Anlass gewesen. Außerdem ist das Phänomen nicht neu, die „Frauenfrage“ ist schon immer rassistisch vereinnahmt worden. Aber ich bin dennoch heute sehr erschöpft, sehr traurig, sehr angeekelt, sehr ratlos.

Daher an dieser Stelle aus der Masse der Sachen erst mal nur ein paar Links zu anderen lesenswerten Texten zum Thema, die muss man ja leider mit der Lupe suchen (ich habe auch sicher nicht alles mitbekommen, helft in den Kommentaren gerne mit).

Die Prinzessinnenreporter über Journalismus
Enno Park mit Nüchternheit
Teresa Bücker bei Edition F
Hilal Sezgin: Ich bin es leid
Kommentar von Sonja Mikich
Altpapier: Jeder spielt seine Rolle
Anne Wizorek im Interview mit der Frankfurter Rundschau
Kolumne von Sascha Lobo
Ingrid Strobl: Eiertanz
Hannah C. bei der Mädchenmannschaft
Musa Okwonga: Let’s keep sticking up for the women
Stephanie Lohaus und Anne Wizorek über Rape Culture
Hengameh Yaghoobifarah: Willkommen in der Hölle, Ladies
Margarete Stokowski: Des Rudels Kern
Shehadistan: Arabisch und nordafrikanisch aussehende Menschen (TM)

Vielleicht dann in den nächsten Tagen noch mehr.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

24 Gedanken zu “Die Gewalt von Köln und was zu tun ist

  1. Liebe Antje Schrupp, küss‘ die Hand die Dame! Ich bin immer wieder beeindruckt von Deiner nüchternen, sachlichen und so präzisen Art, Umstände und Sachverhalte und was nicht alles zu betrachten! Ein wunderbares Jahr 2016 wünsche ich Dir! (Ich bin so frei) MfG Hung-min Krämer

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  2. Als ich heute die Info-Mail zu Deinem gestrigen Artikel bekommen habe war ich sehr gespannt: Danke für Deine kluge Einschätzung, bin beeindruckt!

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  3. Danke dafür! Das es „Ausländer“ waren,kommt wahrscheinlich denen zu Gute, die im „Westen“ Frauenfeindlichkeit forcieren. Es wurde die letzten Jahre gefühlt schlimmer, aber das machen meist nicht die „Ausländer“, sondern unsere einheimischen Tonangeber. Außerdem, wenn solche Handlungen einer Kultur zugeschrieben werden, ist der Verhandelbarkeit von weiblichem Leben und von weiblicher Freiheit auch in „unserer“ Kultur (und warum bemühen wir uns so, den Islam als einen von unserem getrennten Kulturkreis zu sehen, wenn es so viele Parallelen gibt!) wieder Tür und Tor geöffnet. Jede Person kann sich entscheiden, in welchen Aspekten sie ihre Kultur annimmt. Ich glaube fest daran, dass wir über unsere Kultur hinaus ein Sein haben.
    Ich kann mich leider noch gut erinner, wie ich in meiner Jugend mit Geschichten von Frauenfeindlichkeit in anderen Kulturen zugemüllt wurde, mit der Botschaft, das dürfe ich nicht beurteilen, weil ist ja durch eine KULTUR! legitimiert. Was diese rassistischen Kulturisten jetzt sagen, geht in diese Richtung. Was bei uns Frauen dürfen, ist eben eine Spielart von Kultur, die wir hier so haben wollen. Oder schärfer formuliert: Wie Frauen hier behandelt werden, ist unsere Kultur. Dabei geht es aber um grundlegende Menschenrechte, die durch diese EInstellung eigentlich schon wieder negiert werden.
    Gute Nacht und frohes neues Jahr!

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  4. „….der Text ist ziemlich weit herumgereicht worden. Die Kommentare wollt ihr eher nicht lesen.“
    Doch, habe mich mal durch nicht wenige Kommentare bei ‚fisch und fleisch‘ durchgelesen. Zu einigen konstruktiven und zustimmenden finden sich sehr viele, die mutmaßliche sexuelle Übergriffe zu eigenen Zwecken instrumentalisieren durch Schüren von Ängsten Schuldzuweisungen, Vorverurteilungen in Richtung Migranten und Flüchtlinge.
    Perfide wie absurd, dass pauschal Feministinnen beschuldigt werden diese Silvester-Vorfälle zu tabuisieren.

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  5. Ich bin im Moment vor allem entsetzt über die Reaktionen der Kölner Oberbürgermeisterin. Ganz abgesehen davon, dass Verhaltensregeln für Frauen prinzipiell victim-blaming darstellen, bedeuten die von ihr vorgeschlagenen Regeln auch ein Ausgehverbot für Frauen, die nicht innerhalb einer Gruppe unterwegs sind (wie ich meistens.)

    Was die Vorfälle insgesamt anbelangt, möchte ich erst einmal warten, bis mehr bekannt ist.

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  6. Grade die Kommentare auf fischundfleisch gelesen. Immerhin gabs auch was zu Lachen, da kommentierte nämlich einer:

    „Wo sind eigentlich die Feministinnen? Man sieht und hört nichts von denen!“

    Mega-Facepalm… (hab‘ ihn darauf hingewiesen, was er kommentiert)

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  7. Meinen Artikel habe Sie wie schon so oft nicht gebracht. Ich hatte Ihnen geschrieben, dass man auch in Zukunft damit rechnen muss, dass sich ausländische Männer ) jetzige Flüchtlinge, die zur Zeit in Ghettos leben, in Zukunft dafür auf die eine oder andere Art rächen werden, von uns in so unmenschlichen Unterkünften über Monat gepfercht zu werden.
    Ich zitiere aus dem Kölner Stadtanzeiger: „Maßnahmen der Kräfte begegneten einer Respektlosigkeit, wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nie erlebt habe.“
    Es waren mehrere organisierte Migrantengruppen. Wenn Sie, Frau Schrupp oder auch andere ihrer Kommentatoren, den Kopf in den Sand stecken und nur von A – B denken, kann ich das sagen, das ist üblich bei den meisten Bürgern. Es muss erst richtig knallen.
    Dann wachen auch Sie auf , denn Ihr Titel: „Die Gewalt von Köln und was zu tun ist“ ist ja eigentlich eine Frage, die man aber nicht beantworten kann.
    Mehrmals sollen die Vernommenen sogar sich damit hervorgetan haben: „Ihr könnt mir nix – hole mir morgen einen neuen.“ Oder: „Ihr müsst mich freundlich behandeln, ich bin Syrier. Frau Merkel hat mich eingeladen.“
    Solche Aussagen von Menschen, die hier so unmenschlich untergebracht werden, kann ich gut verstehen.Nur kann man in diesem Fall nicht von Ausnahmen sprechen.
    Dass den meisten Flüchtlingen durch solches Verhalten nur geschadet wird, erübrigt sich eigentlich zu sagen.
    Das iolt für Männer aller Nationen.
    Trotzdem wird sich innerhalb weniger Monate oder einem Jahr in diesem Land ungeheuer viel verändern und nicht nur zum Guten.
    Sie sollten sich mal mit meinem Schwiegersohn, der Kriminalkommissar in Schleswig Holstein ist unterhalten.
    Vielleicht wäre es auch angebracht, Frau Schrupp, so ein Ghetto mal in Frankfurt zu besuchen . Dann bekommen Sie einen Eindruck, unter welchen Umständen diese Menschen zusammengepfercht werden und sich eines Tages dafür auf jeden Fall rächen werden. Ich würde es tun.

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  8. Das mit der Freischaltung dauert ja ewig. Oder ist der Artikel von mir – 7. Januar 15:48 – längst wieder im Papierkorb gewandert`?

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  9. Vielen Dank für die Zusammenstellung der wohltuenden Texte! Dein Text gefällt mir, noch besser fand ich aber das Interview im Deutschlandfunk – absolut auf den Punkt.

    Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wünschte ich mit, dass ab jetzt alle Frauen und Kinder, die sexualisierte Gewalt erleiden, die Unterstützung und Hilfe erfahren, die sie schon immer benötigt hätten. Und zwar ganz unabhängig davon, ob der Täter Ehemann, Onkel, Freund, Bekannter oder Fremder ist.

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  10. Sexuelle Übergriffe in Köln
    „Ein überholtes, schlimmes Frauenbild“
    Bei den sexuellen Übergriffen in Köln gehe es vermutlich auch um ein überholtes, schlimmes Frauenbild in den südlichen Mittelmeerstaaten, sagte der Politologe Asiem El Difraoui im Deutschlandfunk. Dort werde die Frau nicht als gleichberechtigter Mensch gesehen, sondern als Mensch, der schwächer sei, oder Mensch zweiter Klasse.

    Asiem El Difraoui im Gespräch mit Wolfgang Koczian
    http://www.deutschlandfunk.de/sexuelle-uebergriffe-in-koeln-ein-ueberholtes-schlimmes.2016.de.html?dram:article_id=342045

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  11. Danke fürs Verlinken meines Texts! 🙂

    Hier ist ein Link zu einem weiteren Text, den ich dieses mal bei indymedia gefunden habe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/164628

    @Ute Plass Vielen Dank für den Link – der Interviewte hat eine Menge zu sagen.

    Mir ist gestern abend eingefallen, dass ich eine andere Frage gestellt habe als die meisten anderen, die sich antirassistisch über die Vorfälle in Köln äußern. Während ich frage „wie können wir uns über die Vorfälle in Köln äußern, ohne sie zu verharmlosen, ohne die Herkunft der Täter zu verschweigen, und ohne in rassistische Klischees zu verfallen?“ scheint der Gedanke der meisten zu sein: Was muss ich sagen, um dem Rassismus anderer Menschen Vorschub zu leisten?“ Ich vermute, wenn die erste Frage beantwortet ist, brauchen wir uns um die zweite Frage keine Sorgen mehr zu machen.

    Und nachdem ich mir das gedacht hatte, fiel mir auf, wie viele Menschen dann aber doch von „Kultur“ sprechen. Aber erstens ist die Kultur in den muslimischen Ländern vielfältiger, als man denkt, zweitens ist sie nicht unausweichlich. Vielleicht wäre es besser, von Gesellschaft statt von Kultur zu sprechen. (Seit wann gehört Belästigung zu Kultur?) Zur Gesellschaft gehören dann eben auch politische und ökonomische Strukturen und die Auswirkungen von Bürgerkrieg. Wenn man von Gesellschaft spricht, ist es klar: es geht um heutige Gesellschaften in den Herkunftsländern, nicht um eine ewig gleichbleibende Kultur des Islam. Außerdem müsste jeder Versuch, die Taten mit der „Kultur“ oder der Herkunft zu erklären, auch erklären, warum der Großteil der Einwanderer und Refugees aus diesen Ländern nicht gewalttätig wird. Und dann heißt „Gesellschaft“ eben nicht nur Gesellschaft der Herkunftsländern, sondern auch Erfahrungen auf der Flucht und die Situation in Deutschland.

    (Gerade ist ein Tweet in meiner Timeline gelandet, in welchem von aggressiverer Polizei in den Heimatländern gesprochen wird. Auch nicht wirklich uralte muslimische Kultur…)

    Zweitens fällt mir auf, wie oft noch von „sexueller Frustration“ als Ursache gesprochen wird. Diese Erklärung sollte gleichermaßen tabu für alle Täter sein. Die wenigsten Männer, die lange ohne Partnerin waren, vergewaltigen Frauen, schon weil eine Vergewaltigung ihnen nicht geben würde, wonach sie sich sehnen. Das zweite ist die Rede von falschen Signalen. Wenn es nur um falsche Signale gehen würde, dann könnten Missverständnisse geklärt werden.

    Was noch interessant wäre: Nicht nur von Frauen-, sondern auch von Männerbildern sprechen.

    Aber vielleicht sollte gewartet werden, bis ein paar konkrete Täter gefasst sind und gefragt werden können.

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  12. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/sexmob-koeln-kriminalitaet-strafrecht-fischer-im-recht/komplettansicht

    Anmerkung zu dieser mit „spitzer Feder“ geschriebenen Kolumne: von Jens Berger v. den NachDenkSeiten:
    „Man merkt dem armen Thomas Fischer an, dass auch er diesen Irrsinn nur noch mittels Sarkasmus und Zynismus verarbeiten kann. Gerade deshalb ist diese Kolumne aber auch absolut brillant und ein aufklärerisches Leuchtfeuer im dichten Nebel der Idiotie. Und ich dachte schon, die Vernunft sei 2016 aus der deutschen Presselandschaft abeschoben worden.“

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  13. Danke@susanna14, für die Verlinkung des interessanten Artikels „Zum Umgang der Linken mit Rassismus und Sexismus“.
    wobei frau sich bewusst ist, dass „die Linken“ als einheitlich konform denkende und handelnde Gruppe/Partei nicht existieren.

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