„… der selbst Vater ist…“

Gerade geht eine Meldung herum über einen Konflikt im Thüringer Landtag, wo eine Abgeordnete der Grünen, Madeleine Henfling, den Saal verlassen musste, weil sie ihr Baby dabei hatte und das laut Geschäftsordnung nicht erlaubt ist.

Skandal, Skandal, aber das Neue ist ja nicht, dass das verboten ist, sondern dass eine es trotzdem macht und alle das skandalös finden. Und dass extra der Ältestenrat getagt hat und dass jetzt vielleicht bald die Geschäftsordnung geändert wird und dass in der Zwischenzeit Henfling zwar mit Baby nicht den Saal betreten darf, aber bei Abstimmungen eine CDU-Abgeordete (warum übrigens eine Frau?) auf das Abstimmen verzichtet, was ein interessantes Konstrukt. Good News also das Ganze. Vielleicht könnte man ja auch noch auf die Idee kommen, dass alle Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge draußen vor der Tür rundum auf das Baby aufpassen?

Besonders interessant finde ich in der Meldung des MDR allerdings folgenden Satz über den Landtagspräsidenten, der Henfling rausgeschickt hat: „Zudem würde er aus Kinderschutzerwägungen jedem Abgeordneten empfehlen, sich um eine Betreuung für sein Kind zu kümmern, sagte Carius, der selbst Vater ist.“

Dass „er selbst Vater ist“ soll ihn offensichtlich dafür qualifizieren, den Sachverhalt beurteilen zu können, da er auch Kinder hat. Aber es geht hier nicht um einen Konflikt um die Frage, was gut ist für Kinder, sondern es geht um einen Konflikt um die Frage, ob Menschen, die sich um Kinder kümmern, gleichzeitig in der Öffentlichkeit präsente und aktive Menschen sein können, oder ob sich beides gegenseitig ausschließt.

Mütter und Väter sind eben in dieser Sache nicht einfach die weibliche und männliche Variante desselben Phänomens, sondern Väter und Mütter sind hier zwei verschiedene „Sorten“ von Eltern. Und dass er „Vater“ ist, DISQUALIFIZIERT Carius dafür, diese Angelegenheit zu beurteilen, weil Väter waren es eben schon immer, die gesagt haben, Mütter müssten sich um Kinder kümmern und dürften deshalb nicht in der Öffentlichkeit herumlaufen geschweige denn mittreden wollen.

12 Antworten

  1. Sehr cooler text, liebe Antje. Wie so viele. Aber das solltest du mal als Feedback haben. Liebe Grüße u d bis ganz bald Ulle

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  2. Es ist leider sogar noch bitterer. Denn die Geschäftsordnung sagt nur, wer im Plenarsaal sein darf und dass es für weitere Anwesenheiten die Zustimmung des Präsidenten braucht. So hat er beispielsweise genehmigt, dass der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, der blind ist, seine Assistentin mitbringen darf. Im Falle von Säuglingen ist es nur so: Er, der Präsident, will es nur einfach nicht zulassen. Und argumentiert dann auch noch mit Kindeswohl. Ein Schlag ins Gesicht der Selbstbestimmung… im Bundestag ist Jan übrigens weiter. Auch wenn es dort ebenfalls keine Regelung in der Geschäftsordnung dazu gibt. Dort dürfen Säuglinge bei Abstimmungen mit in das Plenum gebracht werden…

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  3. Barbara Loch-Braun

    Im Text der Geschäftsordnung geht es eigentlich um nichtgewählte Besucher/innen des Landtages, damit der Datenschutz gewahrt werden kann bei Sitzungen ! Von einem Säugling ist doch nicht der Datenschutz gefährdet, ich glaube es geht hier um Frauen/Grünen Ausgrenzung!
    Und daß er als Vater die Mutter ins traute Heim verbannen will als Erziehungsort… nur noch lächerlich!

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  4. detlef.naumann@blauer-weihnachtsmann.de

    In der Tat, was für ein Skandal. Und wenn demnächst die leitende Oberärztin während der Herzoperation ihr Kind in den Op mitnehmen will, dann haben wir den nächsten Skandal.

    Und dass er „Vater“ ist, DISQUALIFIZIERT Carius dafür- wieso eigentlich? Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, da spielt die Qualifikation doch keine Rolle. Oder ist hier der blinde Feminismus wieder am Werk?

    Guten Morgen Frau Schrupp

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  5. Danke für den Text. Mir wäre auch keine Bestimmung bekannt, dass auf Kleinkinder der Datenschutz angewendet werden müsste. Das ist entweder bewusste Ausgrenzung – oder der Herr Carius hat ein Kindheitstrauma zwecks dem Bactus und meint deshalb, auf seine konservative Art besonders überfürsorglich sein zu müssen. Oder er hat sich einfach nicht getraut zu sagen, dass es ihn stört, wenn Mütter nicht zu Hause bleiben bei den Kindern. Dass diese (und auch Väter übrigens) selbst sehr gut entscheiden können, zu welchen Veranstaltungen sie ihre Kinder mitnehmen, ist offensichtlich auch nicht in der Gesellschaft angekommen – um hier noch kurz auf den bescheuerten Kommentar mit der Oberärztin einzugehen.

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  6. Die leitende Oberärztin wird ja sicher Mutterschaftsurlaub bekommen. So ewas gibt es bei Parlamentarierinnen nicht. Es handelt sich hier meines Wissens um ein Neugeborenes. Mutterschaft und Beruf zu vereinbaren ist in der Politik noch schwerer als in anderen Berufen. Der Landtagspräsident sollte sich mal Gedanken darüber machen, wie er Eltern bei der Ausübung ihrer politischen Arbeit unterstützen kann. Blöde Sprüche helfen nicht.

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  7. […] dessen Mama nun zu “#Babygate” twittert und über den ein bekannter feministischer Blog schreibt, ist am Donnerstag draußen im Kinderwagen unterwegs und erholt sich dann in Henflings Büro. Das […]

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  8. Ich bin sehr dankbar über diese Diskussion. Es ist tatsächlich differenzierter zu betrachten. Wenn mann mit Säugling ein politisches Mandat hat, ist man schlechter gestellt als die restliche Elternpopulation. Das ist eigentlich ein Skandal, wenn man bedenkt, dass politisches Engagement gefördert werden soll. Fremdbetreuung von Säuglingen ist unter bindungstheoretischer Sicht eher eine Gefährdung des Kindeswohls.
    Ich selbst habe mit zwei Kindern in meiner berufspolitischen Arbeit gute Erfahrungen gemacht: die Kinder haben durch das „Gemurmel“ als Säuglinge in Sitzungen besser geschlafen als sonst und ich hatte das Gefühl, Dinge weiter tun zu können, die ich gerne mache. Mit einer ausreichenden Organisationsstruktur im Hintergrund ist dies in der Regel gut möglich und Frauen können auch in der Familiengründungsphase weiter in verantwortungsvollen Positionen sein. Natürlich müssen dabei die Bedürfnisse der Säuglinge und Mütter/Väter berücksichtigt werden, was aber sicher möglich ist, wenn man Rahmenbedingungen für diese Zeit anpasst. So kann die politische Teilhabe von Frauen/Männern/Eltern in dieser Zeit gefördert werden. Ich würde mir wünschen, dass gerade die Politiker hier eine Vorbildfunktion einnehmen und nach Modellen suchen, die auch für andere Frauen/Mnner/ Eltern machbar sind.

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  9. Ja.
    Genau.
    Aus „Kinderschutzerwägungen“ sein Kind zur Betreuung in fremde Hände zu geben, statt es im Landtag … wahrscheinlich zu stillen, oder wie alt bzw jung ist das Steinchen des Anstoßes?

    In den 1980ern stillte eine Abgeordnete der Grünen im Bundestag und es war ein Skandal, aber das ist 30 Jahre her. Hat sich denn gar keiner der Herren Volksvertreter seitdem locker gemacht?
    Mannmannmann.

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  10. mittreden ist falsch geschrieben, sollte mittreten heißen

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  11. […] In deutschen Parlamenten geht es so zwar nicht zu, aber zumindest tolerieren die meisten Kurzaufenthalte in ihren Sitzungssälen. Zumal das mit der fehlenden Kinderbetreuung kein spezielles Problem des Erfurter Landtages ist, sondern ein generelles. Dies zu verbessern hat sich die Initiative Eltern in der Politik auf die Fahnen geschrieben. Aber noch sind wir nicht soweit. Noch sind wir immer noch ein Land, das Kinderfreundlichkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher ankündigt, als sich wirklich dazu zu bekennen und es umzusetzen. Noch sind wir ein Land, in dem unter dem Vorwand, man interessiere sich für das Wohlergehen des Kindes, eigentlich die Frage verhandelt wird, “ob Menschen, die sich um Kinder kümmern, gleichzeitig in der Öffentlichkeit präsente und aktive M…” […]

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Foto: Heike Rost

Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebe in Frankfurt am Main. Mein Thema ist besonders weibliche politische Ideengeschichte. Im Sommer 2025 erschien mein neues Buch „Unter allen Umständen frei“ über revolutionären Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman.

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