Vielleicht ist es bald so, dass wegen grassierender Fake-Infos-Flut, die durch AI nochmal besser und leicht herzustellen sind, das Internet als Recherchetool wieder komplett unbrauchbar wird. Dann müssen wir wieder rausgehen, uns Dinge selber anschauen, mit Leuten sprechen und bei historischen Themen Papierbücher in alten Bibliotheken konsultieren.
Jedenfalls wenn wir an dem Konzept „Wahrheit“ in Bezug auf Fakten festhalten wollen. Aber vielleicht richten wir uns ja auch in einer Kultur ein, die keine Fakten mehr kennt, sondern nur noch in Phantasiewelten lebt.
Oder eben in Erzählungen: Ich meine, die Bibel ist ja auch kein historisches Faktenbuch, sondern eine Sammlung von theologischen Positionen in Form von Geschichten, und ich habe im Theologiestudium gelernt, das sei auch gar nicht schlimm, weil es ja um die Geschichte und die Botschaft darin ginge und nicht um die Frage, „ob das wirklich so passiert ist“.
Was meint ihr: Wie würde eine Gesellschaft aussehen, in der wir uns über Geschichten verständigen und nicht über Fakten? Der Unterschied zu heutigen Fake-News wäre ja, dass dann alle wüssten, dass es Geschichten sind und keine Fakten.
Das zerstörerische Gaslighting der heutigen Fake-News-Verbreiter passiert ja auf der Basis der Behauptung, ihre Lügen wären wahr. Genau das haben wir ja auch beim fundamentalistischen Bibelverständnis schon erlebt: Das Schlimmste sind nicht die Geschichten, sondern Geschichten, die eben nicht als (subjektiv erlebte oder gemeinte) Geschichten verstanden werden, sondern für die (universale) Wahrheit gehalten werden bzw. als solche anderen übergestülpt.
Vielleicht üben wir das mit der Präsenz von AI-generierten Geschichten ja kulturell ein, zu verstehen, dass alles, was dir jemand zeigt und erzählt, nur eine Geschichte ist, und dass man nur in – näher zu definierenden Ausnahmefällen – auch einmal davon ausgehen kann, dass sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat.
Ich verlinke euch hier dazu auch nochmal eine Folge aus dem Podcast von Michael Seemann und Max von Webel, die ich ziemlich aufschlussreich fand dazu wie ChatGPT womöglich funktioniert. Besonders inspirierend fand ich darin die Idee, dass wir bald alle unsere eigenen Kinofilme machen können und es dann zigtrillionen Filme gibt die man schauen kann.
Etwas beängstigend fand ich den Gedanken, den ich nun kaum noch länger verdrängen kann, dass mit AI natürlich der „Coded Bias“ des Patriarchats für alle Ewigkeiten perpetuiert werden wird. Der wurde mir deutlich bei der Passage, als sie die AI nach ihren Lebensläufen befragen. Ich stellte mir dabei ständig vor, wie sie wohl diese Läufe im Fall von Frauen (mit ähnlichem professionellem Profil) beschrieben hätte. Frauen werden ja in der Literatur selten so gelobhudelt.
Es ist einfach so: Algorithmen können halt nur lernen auf der Basis dessen, was schon da war. Und da unsere Kulturproduktion in der Vergangenheit zu ganz überwiegenden Anteilen patriarchal, rassisitisch, antisemitsch etc. war wird das nun für alle Ewigkeiten auch so bleiben. Der Drops ist gelutscht ähnlich wie der mit der Klimakatastrophe kommen wird. Wir können nur noch Schadensbekämpfung betreiben, und das zu verstehen, wäre vielleicht ein erster Schritt.
Oder vielleicht gibt das ja auch eine neue Form feministischer Glaubwürdigkeit: Nur wenn etwas feministisch ist, ist es womöglich echt, wenn es patriarchal ist, ist es ganz sicher Fake, und wenn es unfeministisch ist wahrscheinlich auch.
Aber ich schweife ab, daher Tschüss und schönen Sonntag.
Ich glaube , v
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