Später in die Rente, warum nicht!

Vor zwanzig Jahren habe ich mich ein paar Jahre lang sehr intensiv mit dem demografischen Wandel beschäftigt (und u.a. ein Buch darüber geschrieben: „Methusalems Mütter“). Schon damals habe ich dafür plädiert, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Denn die Lebenserwartung steigt einfach so stark, dass das traditionelle Rentensystem dafür nicht ausreichen kann.

Es ist mathematisch und auch logisch nicht sinnvoll, die gewonnen Jahre einfach nur „hintendran“ zu hängen. Der ganze Lebenslauf muss sich ändern – Stichworte: entzerrte Erwerbsarbeitsphasen, lebenslanges Lernen – und eben auch späterer Renteneintritt. Zumal die Leute statistisch gesehen eben nicht nur einfach älter werden, sie werden auch gesünder älter. Die Phase der „Morbidität“, also dass man wirklich mit starken Einschränkungen und Krankheiten lebt, verschiebt sich mit und betrifft statistisch die letzten Lebensjahre überproportional.

Aber: Was sich im Lauf des Lebens auch verändert, das ist die Spanne zwischen unterschiedlichen Befindlichkeiten. Während sich 6-Jährige Kinder in Bezug auf Gesundheit, Fähigkeiten etc. ziemlich ähnlich sind, klafft das bei 60-Jährigen sehr weit auseinander. Zu einem sehr großen Anteil hat das bei uns auch soziale Gründe. Arme Menschen sterben früher als reiche Menschen, leider ist es so einfach.

Deshalb finde ich die Idee gut, das Renteneintrittsalter nicht einfach an das kalendarische Alter zu knüpfen, sondern hier differenziertere Kriterien anzulegen. Ob das pauschal über „Beamte“ usw. laufen muss, wie das diese Ökonomen hier vorschlagen, weiß ich nicht, aber der Vorschlag geht in die richtige Richtung. Ich würde auch die Höhe des Einkommens veranschlagen – zumal viele wohlhabende Menschen sich mit ihrem Wohlstand auch noch einen vorgezogenen Ruhestand gönnen, während Menschen mit niedrigem Einkommen gar nicht genug Geld haben, um vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter mit der Erwerbsarbeit aufzuhören.

Also, mein Appell ist, dass wir aufhören, das Thema so pauschal zu diskutieren wie „pro und contra höheres Renteneintrittsalter“. Sondern dass wir anfangen, darüber zu diskutieren, was ein sinnvolles Renteneintrittsalter ist und welche Kriterien dabei wichtig sind.

2 Antworten

  1. Grundsätzlich finde ich das eine gute, schlüssigie Idee. Doch ‚pauschal‘ in Bezug auf Gesetze, Regeln und gesellschaftliche Vorgaben war noch nie populär.

    Klingt für viele nach Bürokratie(monster) und Schlupflpoch, Steuergrab etc. und wird ggf. auch so „verkauft“ werden.

    Davon abgesehen bleibt die Lobby der Wohlständigen als Hindernis.

    #umverteilungjetzt

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Foto: Heike Rost

Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebe in Frankfurt am Main. Mein Thema ist besonders weibliche politische Ideengeschichte. Im Sommer 2025 erschien mein neues Buch „Unter allen Umständen frei“ über revolutionären Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman.

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