Kriminelle Antifa (GIlded Age 3)

Willkommen zum dritten Teil meiner Reihe über die frappierenden Ähnlichkeiten zwischen dem vergoldeten Zeitalter der USA (1870–1920) und der aktuellen Trump-Regierung. Nach Teil 1 über die Skrupellosigkeit im Umgang mit armen und vermeintlich illegalen Menschen und Teil 2 über die Missachtung der Rede- und Meinungsfreiheit widme ich mich heute einer dritten Parallele: der Kriminalisierung politischer Ideologien.

Donald Trump hat bekanntlich den Krieg gegen die Antifa ausgerufen – ein Framing, das eine bestimmte politische Positionierung, nämlich antifaschistisch zu sein, als inhärent kriminell darstellt. Auch diese Strategie ist direkt abgeschaut von der Politik am Ende des 19. Jahrhunderts, wo dasselbe mit Anarchist*innen und dem Anarchismus geschah.

Der Haymarket-Skandal von 1886

Der entscheidende Wendepunkt war der sogenannte Haymarket-Skandal. Am 4. Mai 1886 explodierte während der Demonstrationen für den Achtstundentag auf dem Chicagoer Heumarkt eine Bombe. Es wurde nie herausgefunden, wer sie geworfen hat, dennoch wurden beim anschließenden Prozess pauschal Anarchisten zur Verantwortung gezogen.

Ich schreibe ausführlich darüber in einem Kapitel meines neuen Buches „Unter allen Umständen frei“, denn der Ehemann meiner Protagonistin Lucy Parsons, Albert Parsons, gehörte zu den verurteilten und Ende 1887 dann hingerichteten Männern.

Im Prozess wurden die Angeklagten tatsächlich verurteilt, weil sie Anarchisten waren, und nicht, weil man ihnen irgendeine Beteiligung an dem Attentat hätte nachweisen können (oder dies auch nur versucht hätte). Der Staatsanwalt brachte es auf den Punkt:

„Die Anarchie steht vor Gericht. Diese Männer wurden ausgewählt, von den Geschworenen ausgesucht und angeklagt, weil sie Anführer waren. Meine Herren Geschworenen, verurteilen Sie diese Männer, statuieren Sie ein Exempel an ihnen, hängen Sie sie – und Sie retten unsere Institutionen, unsere Gesellschaft.“

Genau so argumentiert Donald Trump jetzt, indem er Menschen für ihre Meinungen kriminalisiert – und zwar unter Zuweisung einer Ideologie, die inhaltlich überhaupt nicht klar abgegrenzt werden kann. Heute die Antifa, damals der Anarchismus.

Damals führte die Kriminalisierung des Anarchismus zunächst dazu, dass niemand mehr in die USA einwandern durfte, dem man anarchistische Positionen nachweisen konnte. Dieser Aspekt ist heute weniger relevant, da die Einwanderung in die USA ohnehin massiv eingeschränkt ist.

Möglicherweise wird es jedoch eine Entsprechung bei der Frage geben, welche Menschen man beispielsweise für ein Studium oder für Professuren oder andere Arbeits- und Forschungsvisa ins Land lässt. Es wäre amerikanische „gilded-Age“-Tradition, Menschen mit „falschen“ politischen Ansichten die Einreise zu verweigern.

Später führte die Kriminalisierung des Anarchismus dann sogar dazu, dass Menschen mit legalem Aufenhaltsstatus und sogar auch amerikanische Staatsbürger*innen aus den USA ausgewiesen wurden, weil sie Anarchisten waren – unabhängig davon, ob man ihnen irgend eine kriminelle Handlung nachweisen konnte.

Ein prominentes Beispiel (auch aus meinem Buch): Emma Goldman, die 1919 mit Anfang Fünfzig in die Sowjetunion abgeschoben wurde, obwohl sie durch ihre Ehe mit einem amerikanischen Staatsbürger eigentlich die Staatsbürgerschaft besaß. Sie musste den Rest ihres Lebens als Staatenlose in Europa verbringen (nachdem sie die Sowjetunion wegen deren autoritärer Politik ebenfalls verlassen hatte).

Es gibt also eine weitere klare Parallele zwischen Trumps aktueller Politik und dem sogenannten vergoldeten Zeitalter vor über 100 Jahren: die systematische Kriminalisierung politischer Überzeugungen und die Schaffung von Feindbildern, die als existenzielle Bedrohung für die Gesellschaft dargestellt werden – unabhängig davon, ob konkrete Straftaten vorliegen.

Eine Antwort

  1. Hai und ahoi Antje,

    Der Präsidentendarsteller aus den Vereinigetsn Staaten von Neu-England macht mir da allerdgins weniger Sorgen als die Gewerkschaft der Polizei im DGB, die das Wort von der „kriminellen Antifa“ ja ebenfalls im Munde führt und ihre Mitgliederzeitung damit letztes Jahr becoverbildert und beleitartikelt hat.

    Irgendjemand ist eben immer der Jude, und wenn gerade kein Jude greifbar ist, dann wird alle Schuld für die real existierenden und erfundenen Probleme der Welt eben auf die Moslems, die Christen, die Linken, die Liberalen, die Einwanderer, die Beamten, die Manager, die Sozialhilfeberechtigten oder die kleinen grünen Männchen geschoben.

    Wo kämen wir denn da auch hin, wenn wir die Verantwortung für unseren eigene Mist mal selbst übernehmen würden – wozu haben wir denn die anderen einselfdrölff!!!?

    -110

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Foto: Heike Rost

Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebe in Frankfurt am Main. Mein Thema ist besonders weibliche politische Ideengeschichte. Im Sommer 2025 erschien mein neues Buch „Unter allen Umständen frei“ über revolutionären Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman.

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