Die Gleichheit ist sehr verlockend, vor allem für junge Frauen. Gerade habe ich die „Alphamädchen“ (von Meredith Haaf, Susanne Klinger und Barbara Streidl) gelesen – zugegeben, mit etwas Verspätung – und war einerseits gerührt von diesem flammenden Appell zum feministisch Werden, andererseits doch etwas verwundert, dass das Versprechen der Gleichheit für junge Frauen heute immer noch so eine große Anziehungskraft hat.

Schließlich hat die feministische Theoriearbeit der letzten zwanzig, dreißig Jahre in ganz unterschiedlicher Weise und auf allen möglichen Ebenen genau dieses problematisiert – sowohl die Queer-Theorie im Anschluss an Judith Butler, als auch die postpatriarchalen, vom italienischen Differenzfeminismus inspirierten Denkerinnen einer neuen symbolischen Ordnung, um nur die zwei wichtigsten zu nennen. Auch wenn sie sonst in vielem konträr sind, zumindest an DIESEM Punkt herrscht Einigkeit: Die Gleichheit ist nicht die Lösung.
Schon seit einiger Zeit geht es mir auf die Nerven, dass zum Beispiel in der Sprache ständig darauf geachtet wird, Männer immer zu benennen, wo man sie emanzipatorisch korrekt gerne hätte, speziell in allem, was mit Kindern, Erziehung usw. zu tun hat. Elternzeit statt Mütterzeit und so weiter. Gerade die jungen Frauen legen darauf höchsten Wert, und das, obwohl sie es sonst überhaupt nicht mit der inklusiven Sprache haben. Wie selbstverständlich subsumieren sie zum Beispiel sich selbst und andere Frauen unter das generische Maskulinum – klar: Frauen sind „mitgemeint“. Männer können das aber irgendwie immer noch nicht: sich mitgemeint fühlen. Sobald im Mütterkreis auch nur ein Vater ist, muss von „Eltern“ geredet werden. Und eigentlich sogar auch dann, wenn kein einziger Vater da ist, allein deshalb, weil er da sein sollte.
Das ist kein Eitelkeitsproblem, sondern berührt den Kern dessen, was ich meine: Das Weibliche taugt nicht als Allgemeines. Weiblichkeit steht für Partikularität, Männlichkeit für Universalität – und DAS ist das Kernproblem des Patriarchats, nicht der Ausschluss der Frauen von diesem oder jenem. Das war/ist nur ein Symptom. Wir beseitigen momentan das Symptom und lassen so die Krankheit selbst schön weiterwuchern.
Die nicht vorhandene Fähigkeit des Männlichen, in einer „weiblichen“ Beschreibung der Welt sich „mitgemeint“ zu fühlen (etwas, das den Frauen andersrum nicht zufällig ganz leicht fällt), ist ein zentraler Punkt. Es ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass das weibliche Andere sich artikulieren kann, ohne in einer „Frauenecke“ zu stehen. Und da geht es nicht um die Einsicht oder Fähigkeit einzelner Männer, sondern um einen symbolischen Denkrahmen, der über das Wissen und Können einzelner Personen hinausreicht. (Lesenswert dazu ist ein Artikel von Andrea Günter zum „Fall“ Andrea Ypsilanti).
Der Wunsch, Männer für die ehemals als „weiblich“ verstandenen Sphären zu interessieren, ist natürlich wichtig und richtig. Aber der Weg dazu ist eben gerade NICHT, sie einfach symbolisch und sprachlich einzuschließen, indem man sie explizit benennt. Das führt nur dazu, dass die Männer sich in ihrer alten Universalitätslogik nun auch noch dafür zuständig fühlen. Das heißt, es verschlimmert das Problem, anstatt es zu lösen. Und auf diesem Weg sind wir zur Zeit, wenn man zum Beispiel all die männlichen Gender-Experten und Gleichstellungsbeauftragten betrachtet, die plötzlich geradezu aus dem Boden sprießen, seit für Genderkram Staatsknete zu bekommen ist.
Sprachkosmetik im Sinne einer symbolischen Aufwertung und Einbeziehung und Ermutigung der Männer ist nicht die Lösung. In dem Artikel über Krabbelstuben, den ich gerade schreibe, wird deshalb auch nur von Erzieherinnen die Rede sein und nicht von „Erzieherinnen und Erziehern“, denn die Erzieher machen nur einen sehr geringen Anteil aus (das werde ich erwähnen). Eine geschlechtsneutrale Formulierung würde diesen Umstand schlicht und einfach verschleiern.
Die männlichen Erzieher dürfen sich vielmehr unter der Bezeichnung „Erzieherinnen“ mitgemeint fühlen. Nicht, um’s ihnen mal zu zeigen, sondern weil das zu Lernen notwendig ist, damit das „Weibliche“ irgendwann mal als etwas Allgemeines denkbar wird, als etwas, das für die Menschheit insgesamt unverzichtbar ist. Etwas, wofür Männer sich von sich aus und aus echtem Interesse interessieren können, auch wenn es gerade nicht in ihrer Einheits-Gleichheits-Universalismus-Logik aufgeht. Letzten Endes geht es einfach nur darum: Weiblichen Menschen aus Fleisch und Blut zuzuhören, sie zu sehen und sprachlich zu benennen, die Geschlechterdifferenz also „arbeiten“ zu lassen und sie nicht als x-beliebiges „Thema“ anzusehen, das aus neutralem Abstand „behandelt“ werden kann.
Ich denke schon, dass das möglich ist. Schließlich ist es den Frauen ja auch von sich aus und aus echtem Interesse gelungen, sich die ehedem männlichen Sphären zu erobern, ohne dafür gehätschelt und gelobt zu werden.

Was meinst du?