„Endlich wird mal wieder über Feminismus diskutiert“ – mit solchen und ähnlichen Kommentaren haben einige versucht, dem medialen Strohfeuer nach dem (Anti-)Feminismus-Interview von Bundesministerin Kristina Schröder im Spiegel irgendetwas Positives abzugewinnen.
Ich kann mich dem nicht anschließen. Die Art und Weise, wie das Thema schon seit Längerem diskutiert wird, hat mich davon überzeugt, dass das Wort „Feminismus“ derzeit unbrauchbar ist. Offenbar scheint sich der Bullshit-Faktor erheblich zu erhöhen, wenn es benutzt wird.
Die Idee, dass das Wort „Feminismus“ für die politische Debatte unbrauchbar geworden ist, ist für mich nicht neu. Ina Praetorius, mit der ich ja in vielem übereinstimme, benutzt es schon länger nicht und bezeichnet sich stattdessen als „postpatriarchale Denkerin“. Ich hingegen war bisher der Meinung, dass es sinnvoll ist, wenn ich mich selbst als Feminstin bezeichne und mein Denken in die Tradition des Feminismus stelle, gerade um entsprechenden Klischeebildungen entgegen zu wirken. Und natürlich auch, um diejenigen zu würdigen, die unter diesem „Label“ in der Vergangenheit Großartiges geschrieben, gedacht und geleistet haben.
Natürlich war das schon immer etwas ungenau, weil ganz kluge und originelle Denkerinnen sich vom Feminismus distanziert haben (Hannah Arendt zum Beispiel), und weil andererseits bestimmte Galionsfiguren des Feminismus Ansichten vertreten, die ich für völlig falsch halte.
Aber inzwischen ist es noch mehr, was mir an diesem Begriff Unbehagen bereitet. Und zwar die Beobachtung, dass fast immer, wenn das Wort „Feminismus“ benutzt wird, ein Scheingefecht folgt, das geradezu verhindert, die eigentlichen Themen wirklich in den Blick zu nehmen.
Also: Statt über geschlechtersensible Pädagogik zu diskutieren, statt über die Chancen und Gefahren von Quoten zu diskutieren, statt über die Frage zu diskutieren, welche Bedeutung Kleidung und Mode haben, statt über wirtschaftliche Ungleichheit von Frauen und Männern zu diskutieren und so weiter und so fort – wird darüber diskutiert, welche Position und Meinung zu diesen Themen nun eigentlich „feministisch“ ist und welche nicht.
In ihrem Buch „Unverbrauchte Worte“ hat die italienische Sprachwissenschaftlerin und Diotima-Philosophin Chiara Zamboni gezeigt, wie Worte durch die Art und Weise ihres öffentlichen Gebrauchs untauglich werden, um die Realität und die Sprache in einen fruchtbaren Austausch miteinander zu bringen. Sie erstarren zu Floskeln, zu Definitionshülsen, die leer und nichtssagend werden – Beispiele wären etwa auch „Demokratie“ oder „Gerechtigkeit“. Zamboni plädiert dafür, im politischen Diskurs stattdessen nach „unverbrauchten Worten“ zu suchen, die noch nicht so festgezurrt sind, die Raum lassen für Austausch und für eine kreative Begegnung von Sprache und Realität. Und die deshalb in der Lage sind, Vermittlungen zu schaffen für einen Gedanken, eine Erfahrung, ein Urteil – und also etwas in Bewegung zu bringen.
Vielleicht sind wir tatsächlich an einem Punkt, wo sich der Begriff „Feminismus“ in die Reihe der „verbrauchten Worten“ einfügt. An einem Punkt, wo „Feminismus“ zu einem Wort geworden ist, das nichts in Bewegung setzt, sondern im Gegenteil reflexartigen Schlagabtausch provoziert und uns daran hindert, über das zu sprechen und nachzudenken, was eigentlich wichtig ist.
Ich sage „vielleicht“, weil ich noch immer nicht ganz entschieden bin. Deshalb habe ich vor, einen kleinen Selbstversuch zu starten. In den nächsten sechs Monaten werde ich das Wort „Feminismus“ einmal probehalber aus meinem Sprachgebrauch verbannen. Und mich auch auf Diskussionen über „Feminismus“ nicht mehr einlassen – sondern meine Aufmerksamkeit auf die Themen dahinter richten. Mal sehen, wie das so ist. Und mal sehen, ob mir was fehlt.


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