Erster Mai: „Tag der unsichtbaren Arbeit“

Der erste Mai als Kampftag der Arbeiterbewegung hat traditionell nur die Erwerbsarbeit im Blick, also die bezahlte Arbeit, jene Arbeit also, die den Status des echten Proletariers ausmacht. Oder, in marxistischer Terminologie, es geht am ersten Mai um die „Produktionsarbeit“, und nicht um die daraus nur abgeleitete so genannte „Reproduktionsarbeit“. Mit dieser Unterscheidung hat auch die Tradition der Arbeiterbewegung dazu beigetragen, die – größtenteils von Frauen geleistete – unbezahlte Care-Arbeit (Pflegen, Putzen, Essenkochen, Kinder versorgen und so weiter) auch in Arbeitskämpfen unsichtbar zu machen.

Dass Care-Arbeit unsichtbar ist, zieht sich dabei noch durchgängiger als Motiv durch die symbolische Ordnung, als dass sie nicht bezahlt wird. Denken wir nur an die mysteriösen „helfenden Hände“, die dafür sorgen, dass bei Festen immer genug Kuchen da ist und nie zu viel verschmutztes Zeug herumsteht, oder an die Heinzelmännchen, die ebenfalls über Nacht für Ordnung sorgen und nie gesehen werden.

Auch wenn Care-Arbeiten bezahlt werden, was heute ja zunehmend der Fall ist, sollen sie unsichtbar bleiben, nicht stören, nicht auffallen, nicht im Weg stehen. Gehörte es zu den Pflichten einer bürgerlichen Hausfrau, die Kinder ruhig zu halten, damit der Vater in seinem Arbeitszimmer nicht gestört wurde, so müssen heute Reinigungskolonnen Büros mitten in der Nacht putzen, damit die wertvollen Büroarbeiter_innen nicht bei ihrer wichtigen Arbeit belästigt und abgelenkt werden.

Arbeit, die systematisch unsichtbar gemacht wird, gerät logischerweise auch aus dem Blick politischer Verhandlungen, gilt als unwichtig, vernachlässigbar. Deshalb macht das Netzwerk Care-Revolution den ersten Mai zum „Tag der unsichtbaren Arbeit“. Geplante Aktionen in diesem Jahr sind:
*Frankfurt am Main, 9.30 Uhr, Günthersburgpark
*Berlin, 10 Uhr, Hackescher Markt
*Freiburg, 11 Uhr, Stühlinger Kirchplatz
*Hamburg, 11 Uhr, Rödingsmarkt

Außerdem ist das Netzwerk bei der 1. Mai-Demo in Berlin dabei.

 

4 Antworten

  1. […] Lesenswerter Beitrag von Antje Schrupp | Erster Mai: “Tag der unsichtbaren Arbeit” […]

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  2. […] Gleichzeitig gilt die Care-Arbeit als “unsichtbare” Arbeit. Sie wird weder gesehen noch Wert geschätzt. Unsichtbarkeit führt in diesem Fall zu sozialer Exklusion. Und wenn die Fürsorgearbeit von Eltern behinderter Kinder gesehen wird, dann als heldenhaftes, übermenschliches Opfer. Beides entspricht aber nicht der Wirklichkeit – und schafft ebenfalls eine psychische Distanz, die zur sozialen Exklusion führt. Um die unsichtbare Care-Arbeit sichtbar zu machen – und damit einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben –, ruft das Netzwerk Care-Revolution am heutigen 1. Mai den “Tag der unsichtbaren Arbeit” aus. Über die geplante Aktionen und Hintergründe informiert Antje Schrupp auf ihrem tollen Blog Aus Liebe zur Freiheit. […]

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  3. Also gerade am 1. mai sollte sich mehr tun als sonst, andernfalls kann man den tag auch abschaffen als „kampf und feiertag der arbeiterklasse“, die es wohl eh nicht mehr gibt, da sie zur sklavenklasse degenerierte.

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  4. […] ist der 1. Mai, der Tag der unsichtbaren Arbeit, und passend dazu könnt Ihr das Interview in der aktuellen Ausgabe von Brandeins lesen, in dem […]

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Foto: Heike Rost

Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebe in Frankfurt am Main. Mein Thema ist besonders weibliche politische Ideengeschichte. Im Sommer 2025 erschien mein neues Buch „Unter allen Umständen frei“ über revolutionären Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman.

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