Big Ugly Parteien zum Wählen: Da waren’s nur noch drei

Vor sechseinhalb Jahren, im Januar 2017, veröffentlichte ich hier im Blog einen Appell zum Wählengehen – untypisch für mich als Anarchistin. Vor dem Aufstieg der AfD bin ich oft nicht wählen gegangen, zum Beispiel dann, wenn mich niemand gerade mal über alle Parteien geärgert hatte und keine von ihnen mit meiner Stimme unterstützen wollte. Ich bin nicht der Meinung, dass Nichtwählen etwas Undemokratisches ist, sondern es ist eine sehr demokratische Option.

Aber seit 2017 habe ich an jeder einzelnen Wahl teilgenommen, und zwar aus den im oben verlinkten Blogpost angegebenen Gründen, lest den ruhig.

Inzwischen haben sich die Dinge verändert. Die AfD hat ihre faschistische Grundhaltung nachhaltig und wiederholt bewiesen. Zu ihr gehören inzwischen immer mehr Menschen, die man gerichtsfest als Faschist*innen bezeichnen darf. Ihre Jugendorganisation ist laut Verfassungsschutz als Ganze gesichert rechtsextrem. Die AfD folgt unter Alice Weidel bis ins kleinste Detail dem Drehbuch, das die Neue Rechte als Strategie entworfen hat, um den Diskurs kontinuierlich nach rechts zu verschieben, erst jüngst wieder im Sommerinterview, in dem sie den Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland als „Niederlage“ bezeichnete. „Anschlussfähige Provokation“ nennt das zum Beispiel der identitäre Faschist Martin Sellner in seinem Buch „Regime Change von rechts“ – dies habe ich hier bereits analysiert.

Und in genau dieser Situation nutzt die CDU im Landtag von Thüringen die AfD als Mehrheitsbeschafferin für einen Gesetzesentwurf, den sie gegen die Landesregierung durchsetzen will. Das ist ein Tabubruch und zeigt, dass die vollmundigen Versprechen von wegen „Brandmauer nach rechts“ keine fünf Pfifferlinge wert sind. Die FDP, die ja ohnehin keinerlei moralisches Rückgrat hat, macht natürlich mit.

Von daher muss ich meinen Blogpost von vor sechs Jahren leider korrigieren: Wer ab heute CDU/CSU oder FDP wählt, stärkt nicht mehr den Zusammenhalt des demokratischen Teils der Gesellschaft, sondern verhilft den Faschisten zu realem gesetzgeberischen Einfluss. Aus den Ugly Big Five sind nur noch Ugyl Big Three geworden.

Ja, wer sich nicht von der Neuen Rechten vor den Karren spannen, sondern ihr etwas entgegen setzen will, muss unbedingt wählen gehen. Und zwar die Grünen, die SPD oder die Linke.

Update 1:

Noch ein Grund, warum ich persönlich die Grünen wähle. Nicht nur, weil sie das Hassobjekt der Rechten sind und daher schon deshalb meine erste Wahl. Sondern auch aus einem strategischen Grund: Die konservative Radikalisierung unter Merz und Co. ist wirklich gefährlich, und das einzige, was sie momentan im Bund bremsen kann, sind grün-schwarze Landesregierungen. Deshalb glaube ich, es wäre gut, wenn in Hessen weiter schwarz-grün regiert wird und nicht schwarz-rot.

Update 2:

Zum radikalisierten Konservatismus empfehle ich nochmal das tolle Buch von Natascha Strobl zu dem Thema (hier)

4 Antworten

  1. […] Big ugly Parteien. Aber wem erzählen wir das. Sie und ich wissen es eh, der Rest liest es nicht. […]

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  2. Danke für die klaren Worte!

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  3. Wenn sich die Linke bald endgültig selbst zerlegt hat, sind es wohl nur noch zwei.
    Bin froh, hier im Norden mit dem SSW eine gute Möglichkeit mehr zu haben.

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Foto: Heike Rost

Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebe in Frankfurt am Main. Mein Thema ist besonders weibliche politische Ideengeschichte. Im Sommer 2025 erschien mein neues Buch „Unter allen Umständen frei“ über revolutionären Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman.

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