
Bloggen Frauen anders? Das Thema, das derzeit in diversen Blogs diskutiert wird (Carta, Politik.de) usw. – beim Googlen fand ich übrigens, dass das schon seit 2006 oder so immer mal wieder als Thema vorkommt), interessiert mich gewissermaßen aus historischen Gründen. Ich habe nämlich in meiner inzwischen 25-jährigen Laufbahn als Journalistin ebenfalls diverse Artikel zum Thema „Dingsen Frauen anders?“ geschrieben, allerdings liegt das schon eine Weile zurück.
Inzwischen frage ich bei so etwas immer zurück: Anders als wer? Und wenn dann die Antwort kommt: Na, anders als Männer! – winke ich dankend ab. Mag sein, mag nicht sein, interessiert mich nicht.
Und zwar nicht nur aus dem ganz offensichtlichen Grund, dass eine solche Fragestellung schon rein formal die Männer und das, was sie tun, zum Maßstab für weibliches Handeln macht. Sondern weil diese Perspektive eine andere Fragestellung ausschließt und verschleiert, hinter der sich meiner Meinung nach die eigentlich spannenden Themen verbergen: Nämlich die Frage, ob und wo Frauen etwas anderes machen – als andere Frauen!
Dass die Beschäftigung mit der sexuellen Differenz eigentlich nicht die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, sondern die Unterschiede zwischen Frauen untereinander in den Fokus rückt, ist dabei zugegeben kein ganz einfacher Gedanke. Ich habe ihn Mitte der 1990er-Jahre von italienischen Feministinnen gehört, konnte aber zunächst einmal nichts damit anfangen.
Damals war ich mitten in meiner Doktorarbeit und hatte mich festgefahren. Mein Thema im Fach „politische Ideengeschichte“ war: Frauen in der Ersten Internationale (der europäische Dachverband der Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung im 19. Jahrhundert). Ich hatte mir vier Frauen ausgesucht und wollte deren politische Ideen untersuchen, und zwar insgeheim mit dem Ziel, zu zeigen, dass Frauen „anders“ Politik machten als die Herren Marx, Engels, Bakunin und Co. Dazu hatte ich auch schon jede Menge Material aus diversen Archiven und Bibliotheken ausgegraben – allein, der Befund war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nicht nur waren die Frauen an ganz entscheidenden Punkten keineswegs einer Meinung. Es gab keinen „anderen“ weiblcihen Sozialismus. Aber viel schlimmer noch: Die Frauen waren auch irgendwie nicht so „gut“ wie die Männer. Ihre Texte waren weniger eloquent, sie kamen nicht so recht auf den Punkt, ihre Standpunkte ließen sich nicht so gut identifizieren. (Später habe ich das hier mal analysiert).
Natürlich hätte ich mich jetzt auf den Punkt der Diskriminierung zurückziehen können: Sie hatten weniger Zeit, waren mit den Kindern etc. beschäftigt, waren nicht so lange in die Schule gegangen, wurden von der Gesellschaft an allem möglichen gehindert und so fort. Aber das hat mich selbst nicht richtig überzeugt, selbst wenn es natürlich irgendwie auch stimmte. Aber das war so – unprickelnd.
Und dann kam – kurz bevor ich das Ganze schon in die Ecke schmeißen wollte – dieser Gedanke, dass das eigentlich Interessante aus feministischer Perspektive die Unterschiede zwischen Frauen sein sollten. Und damit kriegte ich dann tatsächlich die Kurve. Denn als ich mich erst einmal von der Idee verabschiedet hatte, eine gemeinsame weibliche Position herausdestillieren zu wollen und stattdessen anfing, die von mir gewählten Frauen in ihrer Subjektivität zu sehen, also nicht als Repräsentantinnen ihres Geschlechts, sondern als politisch handelnde Individuen – da konnte ich mit ihren Texten plötzlich etwas anfangen.
Am Ende wurde also die Diss dann doch noch fertig. Die Konflikte, die die verschiedenen feministischen Sozialistinnen untereinander austrugen, waren nicht nur spannend, sie rückten auch die ganze Geschichte der Ersten Internationale in ein neues Bild. Plötzlich kamen Themen zum Vorschein, die in den Debatten der Männer kaum eine Rolle gespielt hatten.
Noch ein anderes Beispiel: Vor einiger Zeit nahm ich an einer Konferenz zum Grundeinkommen teil, wir waren etwa 40 Männer und vielleicht fünf, sechs Frauen. Die Diskussion plätscherte dahin, es ging um Finanzierungsfragen und darum, von wem man sich abgrenzen muss und so weiter. Ich sagte auch mal was, aber meistens langweilte ich mich. Die anderen Frauen sagten auch nur wenig.
In der Pause war ich auf dem Klo, als eine Frau zu mir kam und sagte: Sie fände das, was ich gesagt hatte, völlig falsch, aber sie hätte mich nicht dort in der großen Runde kritisieren wollen, denn wir wären doch eh so wenige Frauen und müssten daher solidarisch sein. Erstmal fand ich das eine nette Geste, aber hinterher wurde mir klar, dass genau das das Problem war: Hätte sie mich in dieser Runde öffentlich kritisiert, hätte das der ganzen Konferenz vielleicht einen anderen Charakter gegeben. Wir hätten die Chance gehabt, über unsere Themen und Konflikte zu reden (und nicht über die, die die Männer wichtig fanden), und wahrscheinlich wäre es für uns weniger langweilig und für die Konferenz insgesamt fruchtbarer gewesen.
Was hat das jetzt alles mit der Frage zu tun, ob Frauen anders bloggen?
Das weiß ich nicht. Denn mir ist noch nicht wirklich klar, wo die Konflikte unter bloggenden Frauen liegen. Das liegt vermutlich auch daran, dass ich außer mir selbst bisher keine andere Frau persönlich kenne, die regelmäßig bloggt (die anderen Bloggerinnen kenne ich nur „aus dem Netz“, es ist noch keine wirkliche Beziehung und politische Auseinandersetzung daraus entstanden).
Mein Hauptkonflikt rund um das Thema „Bloggen Frauen anders“ liegt daher momentan noch an dem Punkt, wo ich die anderen Frauen um mich herum frage: „Warum bloggt ihr eigentlich alle nicht, obwohl ihr doch so kluge Gedanken habt?“ Diesen Konflikt trage ich gerne und herzhaft aus, aber aus nahe liegenden Gründen nicht im Netz 🙂
Möglicherweise ist das bei euch anderen Bloggerinnen, die ihr euch untereinander schon besser kennt, anders? Immerhin gab es ja inzwischen einige Barcamps und Vernetzungstreffen. Und das würde mich interessieren: Über welche Sachen und Themen wart ihr da unterschiedlicher Meinung? Wo sind eure Differenzen im Bezug auf Netzpolitik? Das wäre etwas, worüber ich wirklich gerne mehr erfahren würde. Ich vermute zum Beispiel, dass es die eine oder andere Differenz zwischen mir und Anne Roth im Bezug auf Datenschutz geben könnte. Oder zwischen mir und der Mädchenmannschaft im Bezug auf die Gleichstellung. Oder zwischen mir und Kathrin Ganz im Bezug auf Geschlechterkonstruktionen. Oder zwischen mir und Piratenweib über die Frage der Identitätsaufdeckung. Mit Jana Herwig und würde ich mich übrigens gerne mal streiten, weiß aber noch nicht genau, über was. Und mit Frau Stricktier habe ich neulich sogar schon mal kurz disputert 🙂 Oder, oder, oder. Und, und, und.
Ein kleiner erster Ansatz waren schon die Diskussionen rund um das Thema Frauen und Piraten, an denen sich ja klar viele Frauen mit gegensätzlichen Meinungen beteiligt haben. Leider ist das unter’m Strich nicht sehr fruchtbar verlaufen, was meiner Meinung nach auch daran lag, dass diese Diskussion in einem von Männern dominierten Umfeld stattfand, die die Frauen, die Pro-Piraten argumentierten, ständig zu Kronzeuginnen für ihre eigenen Positionen machten. Ich jedenfalls hatte dadurch das Gefühl, ständig auf zwei parallelen Ebenen zu diskutieren.
Also, wir üben halt noch. Aber ich wette, wenn wir erstmal anfangen, unsere Konflikte im Netz sichtbar zu diskutieren, ergeben sich ganz von selbst spannende Entwicklungen. Ob dabei dann herauskommt, dass Männer möglicherweise „anders“ bloggen, wird sich ja zeigen. Aber quasi nur als Nebenprodukt.


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