
Über den Blog der Mädchenmannschaft bin ich auf eine Studie aufmerksam geworden, die – zum gefühlt achthundertsten Mal – untersucht, warum Frauen nicht in gleichem Maße wie Männer in „Führungspositionen“ vertreten sind. Darüber berichtet hat das Hamburger Abendblatt – und über den Bericht beziehungsweise über die Art und Weise, wie darüber berichtet wird, muss ich jetzt mal meckern. (Über solche und ähnliche Sachen rege ich mich öfter auf, das Hamburger Abendblatt ist kein Einzelfall, aber es kriegt’s jetzt nun mal ab).
Los geht es mit der Information, dass „immer mehr Studentinnen“ aus den Hochschulen auf den Arbeitsmarkt „strömen“ – oh jemine, das klingt schon mal bedrohlich. Und:
Man kann Frauen noch nicht einmal vorwerfen, dass sie sich in den Geistes- und Kulturwissenschaften verschanzen.
Schade eigentlich, das wäre doch eine so praktische Erklärung gewesen, die verschanzten Frauen, die man da einfach nicht rauskriegt aus ihren Frauenenklaven. Nein, aber jetzt studieren die auch Wirtschaft und Jura und all die wirklich wichtigen Fächer – Technik allerdings immer noch nicht, weil da drin haben sich ja die Männer verschanzt, haha.
Immerhin, sie sind also nicht selbst an ihrer Benachteiligung schuld, die Frauen (man soll wohl dankbar sein für diesen Freispruch), allerdings lässt uns die ungeklärte Schuldfrage auch ein wenig ratlos zurück, denn schließlich geht es darum, zu erfahren:
Wo bleiben Frauen, wenn es um die echten Jobs in Führungsetagen geht?
– Ups, offensichtlich treiben sie sich in den unechten herum! Aber die zählen nicht, es sind die echten Jobs, um die es geht, also her mit den Gründen:
Befragt, was sie als Managerinnen am Aufstieg hindert, nennen immer noch 24 Prozent Vorurteile gegenüber Frauen. Das lässt alle anderen Hindernisse weit hinter sich: 16 Prozent der Frauen nannten an zweiter Stelle Probleme mit Vorgesetzten und erst auf Platz drei Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere.
Ach, echt? Wer hätte das gedacht: Das Vereinbarkeitsproblem, von dem doch immer so ein Tamtam gemacht wird, ist offenbar gar nicht der Hauptgrund, weshalb Frauen nicht dieselben Karrieren machen wie Männer (wie viele es genau sind, die darüber klagen, erfahren wir leider nicht, denn die Studie selbst ist hinter einem bezahlpflichtigen Link versteckt).
Aber das andere ist ja auch interessant: Nur ein knappes Viertel klagt über Vorurteile beim Karriereaufstieg. Klar, das ist nicht wenig und erklärt manches. Aber es ist eben auch nicht gar so viel, und daher erklärt es das meiste nicht: Schlappe 50 Prozent der Gründe für die weibliche Führungspositionenabstinenz bleiben im Dunkeln. Die Frau, ein Mysterium. Oder doch nicht?
Nicht immer sind es äußere Faktoren, die Frauen vom Aufstieg abhalten. Bei vielen funkt auch das Selbstbild oder das Lebensmodell dazwischen: Hatten zu Beginn ihres Berufslebens immerhin 42 Prozent der Männer ganz selbstverständlich daran gedacht, auch mal eine Führungsposition zu übernehmen, waren es bei den Frauen nur 24 Prozent.
Aha, da kehrt die Schuldfrage also doch durch die Hintertür zurück. Das Selbstbild und das Lebensmodell der Frauen „funkt dazwischen“, das böse. Wie kommen diese Frauen auch dazu, sich einfach Lebensmodelle auszusuchen, bei denen nicht die Führungsposition ein selbstverständlicher Bestandteil ist? Will nicht jeder normale Mensch schon im Kindergarten Vorgesetzter werden? Und es kommt noch schlimmer:
Rückblickend auf fünf Studien resümiert Professorin Sonja Bischoff: Das von Frauen am häufigsten genannte Karrierehindernis sind seit 1986 die Vorurteile gegenüber Frauen als Führungskräfte. Gleichzeitig wollen kaum mehr Frauen als in der Vergangenheit weiter aufsteigen.
Also wirklich. Da richtet man ihnen Gleichstellungsstellen ein, macht Mentoringprogramme ohne Ende, erfindet Girls Days und was nicht noch alles und dann: wollen diese Frauen heutzutage partout nicht weiter und häufiger aufsteigen als vor 25 Jahren. Aber halt. Das kann’s nicht sein. Denn Frauen wollen ja nicht. Das können die gar nicht, wollen. Was immer Frauen zu wollen meinen hat in Wirklichkeit äußere Ursachen.
Vielleicht liegt es daran, dass es zu wenig Vorbilder gibt…
Ja, das wird’s sein. An Frau Merkel gucken wir nämlich absichtlich seit fünf Jahren stur vorbei. Auch sonst sieht man ja praktisch nirgendwo erfolgreiche Frauen. Da hat sich ü-b-e-r-h-a-u-p-t nichts geändert seit 1986. Naja, das ist vielleicht nicht sehr plausibel, aber halt immer noch besser, als der bitteren Wahrheit ins Auge zu blicken, die am Ende des Artikels beiläufig erwähnt wird:
… und wenn es sie gibt, sind sie noch nicht einmal rundum glücklich: 49 Prozent der Führungsfrauen sagen, dass sie mit ihrer Arbeitssituation nur teilweise oder gar nicht zufrieden sind.
Autsch. Das könnte natürlich eine klitzekleine Erklärung sein. Sollte das Problem am Ende daran liegen, dass Frauen inzwischen nicht zu wenige, sondern zu viele Beispiele für Frauen in Führungspositionen kennen? Nur halt: abschreckende?
Aber nein. Da wollen wir mal lieber gar nicht weiter drüber nachdenken. Am Ende müssten wir noch überlegen, wie man diese Führungs-Arbeitsplätze so ummodeln könnte, dass frau sie einnehmen und zufrieden sein kann.
Und das würde nun wirklich zu weit führen. Die Zufriedenheit von Frauen ist ja wohl kein Argument. Frauen sollen sich nützlich machen, das war schon immer so. Die Wirtschaft braucht sie eben. Und diese teure Uniausbildung, die können sie doch nicht einfach so im Mittelfeld verplempern. Also: Ab in die Führungsetagen. Ob es ihnen da gefällt oder nicht. Und bloß nicht rummeckern.
Denn, nicht vergessen: Sie strömen nur so auf den Arbeitsmarkt, die Frauen. Sie sind also potenziell gefährlich. Da wollen wir sie gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen lassen. Nicht, dass sich das ausbreitet. Am Ende fällt den Männern auch noch auf, dass sie in ihren Führungsjobs eigentlich gar nicht so zufrieden sind, wie sie immer dachten. Dass ihnen der ganze Drang zum Führertum bloß ansozialisiert worden ist.
Und dann könnten sie sich verbünden, die unzufriedenen Frauen und die unzufriedenen Männer. Und wo kämen wir da hin?


Was meinst du?