Bei Diskussionen über Frauen und Männer, den Feminismus und die Welt stört es mich sehr, wenn darüber gesprochen wird wie über das Wachstum der Butterblume oder die Konstruktionspläne eines Automotors – also sachlich, distanziert, „objektiv“. So als seien Frauen, Männer und die Geschlechterdifferenz ein „Thema“, das von irgendwelchen ExpertInnen „wissenschaftlich“ untersucht, analysiert und kategorisiert werden kann.
Besonders schlimm ist das natürlich im biologistischen Umfeld, wo Hirn- oder GenforscherInnen irgendwelche Versuchsreihen veranstalten und am Ende kommt heraus, dass Frauen so und Männer so sind und dass Gene, Hormone, Gehirnströme oder was auch immer dafür verantwortlich wären, aber jedenfalls nicht die Frauen und Männer selber.
Aber auch die meisten sozialwissenschaftlichen Annäherungen sind nicht wesentlich besser. Zwar sehen sie immerhin, dass Frausein und Mannsein gesellschaftliche Konstruktionen sind, allerdings verzetteln sich dann leicht in dem Bemühen, die Art und Weise dieser Konstruktionen zu beschreiben. Am Ende führt das zu dem Ergebnis, dass sich eigentlich überhaupt keine sinnvollen Aussagen zur Geschlechterdifferenz treffen lassen und man die Worte „Frau“ und „Mann“ eigentlich nur noch in Anführungszeichen benutzen kann.
Beide Diskurse geben vor, einander zu kritisieren und scheinen auf entgegen gesetzten Enden des diskursiven Spektrums zu stehen. Aber an diesem Punkt sind sie eben Jacke wie Hose: Sie behandeln das Frausein und Mannsein sowie die darin liegenden Konflikte und Themen als „Untersuchungsgegenstand“ und beanspruchen, ihn von einer distanziert-neutralen Warte aus zu erfassen.
Aber das geht nicht. Denn wir alle – inklusive der Forscherinnen und Forscher selbst – sind ein Teil des Themas. Ich bin eine Frau. Ich kann über Frausein nicht objektiv sprechen, denn dieses „Objekt“ ist Teil meines Subjektseins. Das, worüber dabei verhandelt wird, ist nichts, was mich unbeteiligt und neutral dabei stehen ließe, sondern es betrifft mich unmittelbar persönlich.
Das hört sich auf den ersten Blick an, als würde die Sache dadurch noch komplizierter. Aber in Wirklichkeit wird sie dadurch sehr viel einfacher. Denn ich weiß nicht nur theoretisch etwas über die Geschlechterdifferenz, sondern ich verkörpere sie. Sie „durchquert“ mich, sie begleitet mich im Alltag, sie überrascht mich, sie ärgert mich, sie langweilt mich – aber sie ist niemals objektiv und unabhängig von mir vorhanden. Ich selbst bin das Korrektiv jeder Forschung (und auch jedes Klischees), und zwar aufgrund der simplen Tatsache, dass ich eine Frau bin, woran nichts auf der Welt etwas ändern kann.
Ich muss mein Frausein nicht definieren oder gar durch irgendeine Performance von Weiblichkeit unter Beweis stellen. Es ist einfach so. Und mehr noch: Diese Tatsache stattet mich mit Erkenntnismöglichkeiten aus, die keine Wissenschaft jemals haben könnte. Ich bin die Forscherin und der Untersuchungsgegenstand in ein und derselben Person. Perfekt.
Viele Menschen scheinen dieses unabänderliche persönliche Verwobensein in das Frau-Mann-Thema als Problem zu sehen. So nach dem Motto: Was für ein Skandal, dass wir als kleine wehrlose Babies zur Welt kommen und sofort in dieses Zwangskorsett der „Heteronormativität“ gequetscht, also für weiblich (oder männlich oder uneindeutig) erklärt werden, mit dem ganzen Rattenschwanz der da dranhängt.
Sicher, vieles von dem Rattenschwanz ist tatsächlich Mist, den es beiseite zu räumen gilt, und da sind wir ja auch längst dabei. Aber was das Prinzip betrifft, so bewerte ich es genau andersrum: Dass ich „betroffen“ bin, dass ich also eine Frau bin, egal was ich tue oder was andere tun, ermöglicht es mir, in diesem Diskurs souverän zu bleiben. Denn egal, was irgendjemand über das Frausein erzählt, es muss sich im konkreten Leben, anhand meiner Person also, bewähren, oder es ist bedeutungslos. Wenn mir zum Beispiel einer erzählt, Frauen wären nicht aggressiv, kann ich ihn meine grade Rechte spüren lassen (muss aber nicht). Wenn mir eine erzählt, der Platz der Frau sei an der Seite eines Mannes, kann ich sie auslachen oder bemitleiden oder zum Feminismus bekehren.
Diese Souveränität, die daraus resultiert, dass mein Frausein eine Tatsache ist, die mir nicht verloren gehen kann, ermöglicht mir letzten Endes dann sogar eine gute Portion Gelassenheit im Bezug auf alle möglichen Forschungsergebnisse. Biologistische Studien können ja in der Tat recht aufschlussreiche Erkenntnisse bringen, und sozialwissenschaftliche Theoreme entwickeln oft Gedankengänge, auf die ich selber noch nicht gekommen bin, bei denen mir aber das ein oder andere Licht aufgeht. Ich muss weder über das eine noch über das andere echauffieren. Für wissenschaftliche Erkenntnisse welcher Art auch immer bin ich dankbar und aufgeschlossen – vorausgesetzt allerdings, sie erheben nicht den Anspruch, besser über mein Frausein Bescheid zu wissen als ich selber.
Denn diesbezüglich habe ich das letzte Wort. Und sonst niemand.
Okay, dann kommt natürlich eine andere und behauptet etwas anderes, und dann diskutieren wir und streiten uns, überzeugen einander oder auch nicht, lernen voneinander oder auch nicht. Mit anderen Worten: Wir machen Politik. Subjektiv, souverän und in aller (weiblicher) Pluralität. Aber genau darum geht es ja.


Was meinst du?