In Leipzig habe ich auf Einladung des Frauenzentrums MonaLiesa neulich einen Vortrag zum Thema Antifeminismus gehalten. Es war das erste Mal, dass ich öffentlich zu dem Thema gesprochen habe, und daher sind meine Thesen dazu vielleicht auch noch ein bisschen unausgegoren. Denn bei den meisten Themen ist es so, dass sich meine Meinung dazu im Laufe der Diskussionen noch weiter entwickelt.
Meine vorläufige These, die ich jetzt gerne auch hier im Blog zur Diskussion stellen möchte, ist Folgende:
Es ist sinnvoll, zwischen Anti-Feminismus und Un-Feminismus zu unterscheiden. Die beiden Haltungen unterscheiden sich dabei nicht so sehr durch die Inhalte, die vertreten werden, als vielmehr durch einen bestimmten Habitus:
Antifeministisch nenne ich Bewegungen, Argumente und Initiativen, die zum Ziel haben, weibliche Subjektivität zu bekämpfen, und die daher versuchen, den öffentlichen Einfluss von frei handelnden Frauen zu unterbinden. Antifeministen und Antifeministinnen (die gibt es leider auch) sprechen Frauen, die von sich selbst und ihren Erfahrungen ausgehend zu Ansichten kommen, die außerhalb des gesellschaftlichen Mainstreams liegen, die Position eines ernst zunehmenden Gegenübers ab. Anstatt sich inhaltlich mit ihnen auseinander zu setzen, qualifizieren Antifeministen solche Frauen zum Beispiel als unwissenschaftlich, irrational oder lächerlich ab.
Unfeministisch hingegen sind Menschen und Positionen, die sich entweder mit Feminismus noch kaum beschäftigt haben – sei es, dass sie noch nie damit konfrontiert waren, dass sie sich für das Thema nicht interessieren oder dass sie die Geschlechterdifferenz für irrelevant halten – oder aber die sich zwar damit beschäftigt haben, jedoch zu einer inhaltlich anderen Ansicht gelangt sind, als die Feministin, mit der sie es gerade zu tun haben.
Die Unterscheidung zwischen Antifeminismus und Unfeminismus ist wichtig, weil sich daran festmacht, ob es sich lohnt, mit dem betreffenden Gegenüber in eine Beziehung zu treten oder nicht – also zum Beispiel sich auf eine Diskussion einzulassen oder einen Kommentar freizuschalten. Es ist sinnlos, mit einem Antifeministen diskutieren zu wollen, weil er mich als Gesprächspartnerin ja gar nicht ernst nimmt. Mit unfeministischen Menschen hingegen ist eine Diskussion möglich, da sie zwar andere Ansichten vertreten, aber wahrnehmen und akzeptieren, dass ich ein eigenständiges Gegenüber bin, mit dessen Freiheit und Subjektivität sie rechnen müssen.
Das heißt natürlich nicht, dass eine Feministin mit unfeministischen Menschen diskutieren muss. Es kann ja viele Gründe geben, sich nicht auf eine Diskussion einzulassen, obwohl es prinzipiell möglich wäre – keine Lust, keine Zeit, was auch immer. Antifeministen erkennt man übrigens auch daran, dass sie eine solche „Beziehungsverweigerung“ nicht als selbstverständliche Option akzeptieren. Sie gehen davon aus, dass sie ein Recht darauf haben, dass eine Frau, die andere Meinungen hat als sie, ihnen das solange erklärt, bis es ihnen persönlich nachvollziehbar ist – eben weil sie nicht akzeptieren, dass da eine Differenz sein könnte, die man eben einfach stehen lassen muss, und dass das in einem pluralen politischen Diskurs etwas ganz Normales ist.
Kompliziert wird das Ganze auch dadurch, dass Antifeministen relativ gemäßigte Positionen zum Verhältnis der Geschlechter vertreten können, während Unfeministen sehr sexistische Ansichten haben können. Nicht alle, die zum Beispiel der Meinung sind, dass Kinder am besten von der biologischen Mutter versorgt werden, sind deshalb schon antifeministisch. Vielleicht haben sie einfach nur zu viele Bücher von Evolutionsbiologen gelesen. Hingegen gibt es durchaus Antifeministen, die für die Gleichberechtigung eintreten – sofern Frauen sich dabei an die von ihnen vorgegebenen Spielregeln halten.
In der Realität kommen die beiden Formen „Antifeminismus“ und „Unfeminismus“ natürlich häufig vermischt vor. Aber dennoch meine ich, dass die Unterscheidung klar und prinzipiell ist. Es gibt ja viele Phänomene, die eng beieinander liegen, wie zum Beispiel Tauschen und Schenken, oder wo der Grat, wo das eine ins andere umschlägt, sehr schmal ist, wie der zwischen Macht und Politik.
Als praktisch bei der Unterscheidung zwischen Antifeminismus und Unfeminismus hat sich für mich die „Rechtfertigungsprobe“ ergeben: Habe ich den Impuls, mich für meine Ansicht zu rechtfertigen? Werde ich wütend? Bin ich genervt? Fühle ich mich schlecht? Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier um Antifeminismus geht. Oder fühle ich mich herausgefordert? Habe ich Lust, mich auf ein „argumentatives Kräftemessen“ einzulassen? Dann habe ich es wahrscheinlich einfach nur mit einem Menschen zu tun, der anderer Meinung ist als ich.
Zumindest ist das die These, von der ausgehend ich das Thema experimentell weiter verfolgen werde.

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