In der Schweiz ist neulich etwas Tolles passiert. Und zwar hat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) aufgrund der Beschwerde einer Frau – es war Martha Beéry – die Politsendung „Arena“ dafür gerügt, wie sie das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ dargestellt hat: nämlich so, dass „zentrale Aspekte nicht zur Sprache kamen, weshalb sich das Publikum keine eigene Meinung dazu bilden konnte.“
Die Aspekte, die nicht zur Sprache kamen, waren der ganze Bereich der Sorgearbeit, und generell eine weibliche Perspektive auf das Thema: Nicht nur waren ausschließlich Männer als Diskutanten eingeladen, sie verfolgten nach Einschätzung der UBI auch „eine zu enge Optik“:
Erörtert wurden primär die möglichen finanziellen Folgen, die Vereinbarkeit mit einem liberalen Staatsverständnis und einem entsprechenden Menschenbild sowie die Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit generell. Aspekte der Initiative, welche vor allem die weibliche Bevölkerung betreffen, kamen dagegen nicht oder nur am Rande zur Sprache. Zu verweisen gilt es vorab auf den ganzen Bereich von unbezahlter Arbeit, welcher namentlich die Haus- und Familienarbeit, aber auch freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten sowie die Unterstützung von betreuungsbedürftigen Personen umfasst. Die Diskussion erweckte weitgehend den Anschein, dass die Initiative die in diesem Bereich Tätigen gar nicht betreffe. Die fehlende Transparenz diesbezüglich wirkte sich vor allem auch angesichts des fehlenden Vorwissens des Publikum zur Initiative negativ auf die Meinungsbildung aus.
Ich finde das großartig, denn das Ausblenden des Sorgebereichs ist meiner Ansicht nach tatsächlich die große Achillesferse der gesamten Grundeinkommensbewegung.
Etwa gleichzeitig entspann sich auf Twitter eine Diskussion über die Thesen von Jeremy Rifkin, der glaubt, das Ende der Arbeit sei nahe (und der, wie die anschließende Debatte auf Twitter ergab, auch ein Befürworter der Grundeinkommens ist). Anke Domscheit-Berg hatte in einem Tweet ein Interview mit Rifkin in der Stuttgarter Zeitung empfohlen, worauf sich dann ein kleines Hin-und-Her ergab, weil ich die These, die Arbeit gehe uns aus, für eine Illusion halte – beziehungsweise für eine Analyse, die einen falschen Arbeitsbegriff zugrunde legt, der Sorgearbeit ausblendet. (Ich habe Rifkin nicht gelesen, aber viele Rückmeldungen bekommen, wonach er dieses Thema in seinen Schriften durchaus berücksichtige. Aber selbst wenn das stimmt, ist der „Claim“, unter dem er seine Ideen vermarktet – das „Ende der Arbeit“ – meiner Ansicht nach einer, der die Debatte auf völlig falsche Gleise leitet und der leider inzwischen schon in großen Teilen der Grundeinkommensbewegung verbreitet ist).
Auszüge dieses Twitter-Debättchens habe ich mal auf Storify zusammengeklickt. Unter anderem schrieb Susanne Wiest (deren Engagement für das Grundeinkommen ich ansonsten großartig finde) dabei folgenden Tweet, dem ich überhaupt nicht zustimme:
Ein BGE in existenzsichernder Höhe, ich spreche von 1500€, würde mir Care- und Sorgeabeit ermöglichen.
Ich finde es grundfalsch, das Grundeinkommen als Lösung für die Frage anzupreisen, wer künftig die Sorgearbeit verrichten soll. Denn das ist erstens nämlich nicht mehr als Spekulation (wir hoffen lediglich, dass sich dann Menschen dafür finden werden) und zweitens widerspricht es der zentralen Idee des Grundeinkommens, nämlich dass es leistungsunabhängig gedacht ist.
Der Denkfehler der bisherigen ökonomischen Modelle, die Sorgearbeit systematisch ignoriert haben, weil sie davon ausgingen, dass irgendwelche Leute die schon naturgemäß machen werden, sollte nicht von Grundeinkommens-Modellen wiederholt werden. Sorgearbeiten sind ein Teil der Ökonomie, sie verdienen eigene Betrachtung, Diskussion und Aufmerksamkeit. Sie erledigen sich nicht „von selber“, weil „irgendwelche Leute“ sich schon dafür verantwortlich fühlen werden. Und ich reite jetzt gar nicht darauf rum, dass das sehr viel mehr Frauen als Männer sein würden, auch unter den Bedingungen des Grundeinkommens (trotzdem würde ich meine Hand dafür ins Feuer legen). Aber selbst wenn es unter den Geschlechtern gleich verteilt wäre, wäre damit nichts gewonnen.
Wir brauchen also eine offene Debatte – womit ich wieder beim Anfang des Blogposts bin – die die Idee des Grundeinkommens offensiv verbindet mit Überlegungen zur Zukunft der Sorgearbeit. Und zwar eine Debatte, die eingesteht, dass wir (die Befürworter_innen eines Grundeinkommens) diese Frage auch noch nicht gelöst haben und dass wir die Einwände und Zweifel, die vor allem feministische Ökonominnen wie zum Beispiel Mascha Madörin aus genau diesem Grund dagegen vorbringen, ernst nehmen.
Zwei häufig gehört Argumente sollten daher aus meiner Sicht in Zukunft beim Werben für ein Grundeinkommen nicht mehr angeführt werden, weil sie falsch sind und das Projekt insgesamt unglaubwürdig machen:
Erstens die Behauptung, uns würde die Arbeit ausgehen, und
Zweitens die Behauptung, ein Grundeinkommen würde dazu beitragen, die Zukunft der Sorgearbeit zu gewährleisten.
(Verschiedene Texte von mir zum Thema Grundeinkommen stehen hier)

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