Warum weiße Frauen mehrheitlich Trump gewählt haben

Über die vielen Artikel, in denen sich darüber gewundert/ geärgert/ lustig gemacht wurde, dass weiße Frauen in den USA mehrheitlich Trump gewählt haben, muss ich nun doch noch ein Wort verlieren. Zumal aus der Tatsache allerlei Schlussfolgerungen abgeleitet wurden, wie zum Beispiel die, dass letztlich also der Feminismus an Trumps Sieg Schuld ist und sich nun endgültig diskreditiert hat (denn hätten die Feministinnen sich mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigt und die weißen Frauen nicht verschreckt…) oder dass weiße Frauen als feministische Bündnispartnerinnen nicht viel taugen (weil sie, wenn’s drauf ankommt, nur an sich selber denken).

Nun, hinter der Erwartung, weiße Frauen (oder, for that matter, irgendwelche Frauen) würden „für Frauen“ oder „für ihre Interessen“ oder „für Fraueninteressen“ oder was dergleichen abstimmen, steckt die inzwischen doch eigentlich längst als falsch erwiesene Vorstellung, „die Frauen“ wären eine ähnlich geartete Rubrik von Menschen wie „die Arbeiter“ oder „die Schwarzen“ oder „die Buddhistinnen“. Also eine partikulare Gruppe innerhalb der allumfassenden „Menschheit“, die sich durch gemeinsame Ideen, Werte, Kulturen, Interessen auszeichnen würde, die wiederum durch eine Partei mehr oder weniger gut vertreten werden können, sodass diese Partei dann eben die bevorzugte Wahl wäre, wenn denn alle nur vernünftig handelten.

Aber Frauen haben nicht qua Geschlecht gemeinsame Interessen, oder nur sehr sehr wenige. Die Idee, dass das so wäre, kommt daher, dass wir Frauenbewegung gelernt haben, analog zu Arbeiterbewegung zu sehen, und Sexismus analog zu Rassismus. Und natürlich gibt es Ähnlichkeiten, aber es gibt vor allem wesentliche Unterschiede.

Der Hauptunterschied ist der, dass die Geschlechterdifferenz keine unterschiedlichen Lebenswelten markiert. Es gibt keine „Frauenviertel“ oder „Männerstraßen“ (oder nur sehr punktuell und zeitweise), weil Frauen und Männer eben nicht getrennt voneinander leben, sondern in einem Haushalt, meistens schlafen sie sogar zusammen in einem Bett. Frauen und Männer essen dasselbe Essen, hören dieselbe Musik, benutzen dieselbe Sprache. Ihre jeweils unterschiedlichen Kulturen, von denen man durchaus sprechen kann, entwickeln sich nicht separat voneinander, sondern sind im Alltag in einem ständigen Austausch.

Die Geschlechterdifferenz funktioniert daher auf eine ganz andere Art und Weise als jede andere Art kultureller Differenz. Sie befindet sich im Alltag ständig in Konfrontation mit der anderen Kultur, es gibt nur sehr wenig „Eigenes“, und wenn, dann jedenfalls im klassischen heteronormativen Familienmodell noch mehr auf der Seite der Männer (im Beruf, im öffentlichen Raum) als der der Frauen. Dies ist besonders in westlichen Kulturen so, in anderen Regionen der Welt gibt es noch mehr Bereiche des Lebens, in denen Frauen und Männer jeweils „unter sich“ sind und in denen sie sozusagen eigenständige kulturell Formen entwickeln können. In der westlichen Welt hingegen ist das grundlegende soziale Organisationsmodell seit mindestens dem frühen 19. Jahrhundert die heteronormative Kleinfamilie, die sich um das Ehepaar aus je einem Mann und einer Frau gruppiert.

Es ist daher kein Wunder, dass sich Frauen nicht analog wie „Schwarze“ oder „Arbeiter“ als einheitliche Gruppierung verstehen, die sich über die Abgrenzung von der jeweils unterdrückerischen Gegenseite konstituiert. Aus diesem Grund lässt sich Feminismus auch nicht analog zu anderen Protestbewegungen organisieren. Das haben Feministinnen in den 1970er Jahren längst ausführlich analysiert. Einige haben sich genau deshalb aus heterosexuellen Paarbeziehungen verabschiedet und eine lesbische Lebensweise gewählt, nicht als Ausdruck individuellen sexuellen Begehrens, das nach bürgerlicher Anerkennung strebt, sondern als Ausdruck einer politischen Praxis, die den bürgerlichen Lebensformen, der Vereinzelung der Frauen in den Kleinfamilien, etwas entgegensetzt.

Freilich ist das keine Massenbewegung gewesen oder geworden. Die Mehrheit der Frauen verortet sich persönlich kulturell genau dort, wo ihre Community sich verortet. Also weiße Frauen in dieser US-Wahl eben bei Trump.

Hier sind wir auch beim zweiten Missverständnis: Dass der Feminismus nur dann erfolgreich ist, wenn er eine Mehrheit von Frauen hinter sich hat. Feminismus analysiert die Welt aus der Perspektive der weiblichen Freiheit, aber das kann er nicht „im Namen der Frauen“ tun. Der Versuch, „im Namen der Frauen“ zu sprechen, ist eine Art von Repräsentationspolitik, die mit Frauen nicht funktioniert.

Frauen haben keine gemeinsamen Interessen. Sie sind immer nur „unter anderem auch“ Frauen, in erster Linie sind sie das, was sie sonst noch so sind. Ihre Loyalität ist spontan erst einmal dort, wo ihre Lebenswelt ist: bei den Weißen oder den Schwarzen, bei den Armen oder den Reichen, und so weiter. Der Schritt dahin, die eigene Geschlechtszugehörigkeit so zu werten, dass daraus auch Konflikte mit den Männern der eigenen Community erwachsen, ist nichts Naturgegebenes, sondern ein Schritt, den jede Frau bewusst machen muss, wenn er passieren soll. Einige machen den mehr oder weniger, aber nie die Mehrheit.

Und deshalb ist es überhaupt nicht erklärungsbedürftig, dass Frauen und Männer in den USA je nach Community mehr oder weniger dasselbe gewählt haben.

Nicht ganz dasselbe übrigens, wie die Exit polls zeigen: Es gab durchaus ein Gender-Gap, so haben 52 Prozent der weißen Frauen, aber 62 Prozent der weißen Männer Trump gewählt. Wenn man das mit dem Gender-Gap der letzten Bundestagswahl vergleicht, war das geschlechtsbezogene Unterschiedlichwählen in den USA durchaus recht groß (nicht nur unter Weißen, sondern in allen Gruppen). Das heißt, die eindeutig geschlechtlich konnotierten Darstellungen von Trump und Clinton spielten durchaus eine Rolle. Bei den deutschen Bundestagswahlen waren die geschlechterbezogenen Differenzen viel geringer, am größten noch bei der um 5 Prozentpunkte größeren Zustimmung der Frauen für die CDU (wohl wegen Merkel).

Von daher: Aus dem Wahlverhalten der weißen Frauen in den USA kann man in Bezug auf den Feminismus genau überhaupt gar nichts ableiten. Es ist kein bisschen verwunderlich oder erklärungsbedürftig.

PS: Ganz dumm deshalb auch: In Frankreich wählen die Frauen Marine Le Pen. Nicht dass Ihr euch dann demnächst schon wieder wundern müsst.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

10 Gedanken zu “Warum weiße Frauen mehrheitlich Trump gewählt haben

  1. „Feminismus analysiert die Welt aus der Perspektive der weiblichen Freiheit“

    Schön wäre es ja, aber leider gibt es doch recht viele Feminist*innen, die anderen Frauen vorschreiben gerne wollen, was sie zu tun oder auch zu lassen haben. Sei es zu viel Kleidung (Hijab) oder zu wenig, der Umgang mit Körperbehaarung oder auch diverse Lebensmodelle (z.B. Hausfrau).
    Dabei ist meine Wahrnehmung (als Mann), dass so ziemlich der größte Vorteil von Frauen hierzulande das verhältnismäßig breite Spektrum von gesellschaftlich akzeptierten Lebensentwürfen ist, dass Frauen grundsätzlich offen steht.

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  2. „steckt die inzwischen doch eigentlich längst als falsch erwiesene Vorstellung, „die Frauen“ wären eine ähnlich geartete Rubrik von Menschen wie „die Arbeiter“ oder „die Schwarzen“ oder „die Buddhistinnen“. Also eine partikulare Gruppe innerhalb der allumfassenden „Menschheit“, die sich durch gemeinsame Ideen, Werte, Kulturen, Interessen auszeichnen würde“

    Sehr viele der Dinge die im Feminismus thematisiert werden drehen sich um die kulturelle Benachteiligung der Frauen und vertritt die Interessen der Frauen. z.B. Frauenquote, das 90% der Care-Arbeit von Frauen geleistet werden und dieser Arbeit nur wenig Wert beigemessen wird oder unser kulturelles Gut die Schrift ist immerwieder Streitpunkt („der Mensch oder das Mensch“, generisches Maskulinum)

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  3. @max – eben nicht. Der Sinn solcher feministischer Kritik ist nicht, Frauen vor Benachteiligung zu beschützen, sondern die Welt besser und gerechter zu machen. Eine Quote nützt den Unternehmen, weil sie ihnen mehr Perspektiven bringt, eine Berücksichtigung von Care nützt den Alten, Kränken und Kindern und damit letztlich der Gesellschaft usw. Irreführende Begriffe in der Sprache verhindern unser Verständnis von der Welt.
    Es ist ein anderer Aspekt des von mir beschriebenen Missverständnisses, dass gesellschaftliche feministischen
    Debatten als Lobbyarbeit für Frauen interpretiert werden (teilweise werden sie auch von Femnistinnen selber so verkauft). Das ist aber nicht ihr Sinn.

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  4. Hallo Frau Schrupp,

    ich habe mal eine Verständnisfrage: hier: http://www.emma.de/artikel/tickende-bombe-der-wuetende-weisse-mann-333789 und hier: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gleichstellung-von-maennern-mittelalter-weisser-mann-kolumne-a-1122496.html (nur beispielhaft, finde bestimmt noch mehr Links bei Edition F oder Maedchenmannschaft) werden weiße Männer doch auch aus feministischer Sicht als gleichförmig dargestellt. Es ist also egal, ob jemand bayrischer Ministerpräsident ist, bulgarischer Wanderarbeiter auf einer Baustelle im Ruhrgebiet, Fischer auf einem Nordseekutter, Obdachloser oder CEO in einem DAX-Konzern, als weißer, alter Mann bin ich aus feministischer Sicht ticke ich immer gleich, habe immer Macht und hasse immer Frauen.

    Umgekehrt gilt das also nicht?

    Danke
    Christoph

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  5. @ Christoph – zu sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen Geschlecht, Alter, Hautfarbe usw. und einem bestimmten Phänomen gibt, bedeutet nicht, dass jeder einzelne Mensch mit diesem Merkmal das macht. Ein Satz wie „Männer mögen Fußball“ bedeutet nicht „Alle Männer ohne Ausnahme mögen Fußball“ sondern so etwas wie „Mehr Männer als Frauen mögen Fußball“ oder „Fußballmögen hat auch etwas mit Mannsein zu tun“. Entsprechend ist es bei Aussagen über Frauen auch.

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  6. >>Ein Satz wie „Männer mögen Fußball“ bedeutet nicht „Alle Männer ohne Ausnahme mögen Fußball“ sondern so etwas wie „Mehr Männer als Frauen mögen Fußball“ oder „Fußballmögen hat auch etas mit Mannsein zu tun“. <<

    Das finde ich eine sehr gewagte und nicht allgemeingültige Interpretation. Ich habe gerade 2 Frauen und einen Mann gefragt und wir waren uns einige das 'Männer mögen Fußball' gar keine Aussage über Frauen trifft, auch nicht das Frauen Fussball weniger oder mehr mögen als Männer.

    Anderes Beispiel: "Junge Frauen schminken sich gern." Das sagt nichts über das Schminkverhalten von alten Frauen oder jungen Männern aus. Und auch nicht das man wenn man sich gern schminkt vermutlich eine junge Frau sein wird.

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  7. Willst du damit sagen, es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen Fußball und Männlichkeit oder zwischen Schminken und Weiblichkeit? Das würde ich nun für eine gewagte These halten.

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  8. @Claudia Berlin: Klar gönne ich euch das! Ich gönne es nämlich JEDEM Menschen, wenn er/sie seine/ihre persönlichen Vorstellungen von einem guten Leben verwirklichen kann.

    Es mag vielleicht an dem Milieu liegen, in dem ich mich bewege, aber mein Eindruck ist, dass es für sehr viele Männer eher wenige Alternativen zum Vollerwerb gibt. Außer man meidet das Thema Partnerschaft/Familiengründung konsequent.

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  9. Was Max verwundert hat, ist wohl Dein Schluß, ein Satz wie „Männer mögen Fußball“ würde sich (auch) auf Frauen beziehen, indem Du ihn als „Mehr Männer als Frauen mögen Fußball“ interpretierst. Das funktioniert ja nur in einem binären Geschlechterverständnis.
    Aber geschenkt, zum anderen Vergleich mit mehreren Variablen, da klappt das mit dem Ausschluß nicht wirklich: Wenn ich das Beispiel „Junge Frauen schminken sich gern“ wieder rückübersetze in „Weiße Männer haben Trump gewählt“, dann sagt es eben weder etwas über Weiße noch über Männer an sich aus. Jedenfalls nicht ohne ein gehöriges Maß an kuturellem Vorwissen und sozialem Kontext. „Schwarze Frauen haben Clinton gewählt“ wird als Schluß wohl noch erlaubt sein, bei „schwarzen Männern“ ist es ohne Interpretationsspielraum schwierig.
    Allein die Nichtnennung von „weißen Frauen“ läßt sie besser dastehen, obwohl auch sie mehrheitlich für den Republikaner gestimmt haben. Denn ein Satz wie „Weiße haben Trump gewählt“ ist ja nicht falsch, nur weil weniger Frauen als Männer sein Kreuz bei ihm gemacht haben. Es ist immerhin noch eine Mehrheit von 52% Prozent gewesen.
    Davon abgesehen ist es natürlich ein Unding, den Frauen mehr Schuld als den Männern zusprechen zu wollen. Für Monokausalitäten waren an dieser Waage einfach zu viele Zünglein.

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