Als ich heute früh die Meldung las, dass Familienministerin Kristina Schröder schwanger ist, habe ich mich gefreut. Ich stellte mir nämlich vor, was wohl in den Köpfen ihrer Parteikollegen und vielleicht auch mancher Parteikollegin vorgegangen ist. Es gab bestimmt nicht wenige, die gedacht haben: So ein Mist, muss das gerade jetzt sein. Kann die dann noch ihre Arbeit machen. So als junge Mutter. Ich wette, so mancher in Berlin findet ihre Familienplanung „suboptimal“ (wie es etwa der Spiegelfechter in seinem Rant zum Thema formulierte).
Wie ich drauf komme? Wieso ich das unterstelle, wo doch die offiziellen Verlautbarungen vor Jubel nur so barsten?
Ich komme drauf, weil ich über das Thema „Kinderkriegen während man mitten im Karrieremachen ist“ häufig mit Frauen diskutiere. Es gibt nämlich kaum eine frauenpolitische Veranstaltung, wo das nicht zur Sprache kommt. Und oft, sehr oft, erzählen da Frauen von Chefs oder Chefinnen, die ihnen klar zu verstehen geben, dass es jetzt aber sehr ungünstig wäre, schwanger zu werden. Sie erzählen von Steinen und Hürden, die ihnen in den Weg gelegt werden, wenn sie trotzdem weiter ihren Posten in der Hierarchie behalten möchten. Obwohl die offizielle Firmenpolitik natürlich die üblichen Bekenntnisse zu Familienfreundlichkeit abgibt.
Und deshalb denke ich mal, in der Parteipolitik wird das nicht sehr anders sein. Aber niemand traut sich heute noch, das offen auszusprechen. Ob zähneknirschend oder nicht: Alle müssen die Ministerin zu ihrer Schwangerschaft beglückwünschen. Ich finde, das ist ein Grund, eine Flasche Schampus zu köpfen.
Denn diese Schwangerschaft und vor allem die Reaktion darauf – die ja, Beispiel Andrea Nahles – kein Einzelfall ist, sondern einen Trend anzeigt, ist tatsächlich eine gute Neuigkeit. Und daher auch wert, ein bisschen in den Medien breitgetreten zu werden. Vor zehn Jahren noch wäre das nämlich nicht so gelaufen.
Erinnern wir uns mal einen kleinen Moment zurück, wie die Emanzipation der Frauen in Deutschland abgelaufen ist: zölibatär nämlich. Bis in die 1960er Jahre hinein verloren Beamtinnen ihren Job, wenn sie heirateten. Weil die hochoffizielle kulturelle Richtline nämlich der Auffassung folgte, dass sie als Ehefrau (und wahrscheinlich baldige Mutter) ihren hoheitlichen Pflichten nicht mehr nachkommen könnte. Erst in den 1970er und 1980er Jahren wurden auch verheiratete Frauen rechtlich gleichgestellt.
Mehrere Generationen von Frauen standen also klar vor der Wahl: entweder Karriere oder Kinder. Und deshalb ist es nicht Nichts und nichts Nebensächliches, wenn diese Auffassung sich inzwischen für alle sichtbar in ihr Gegenteil verwandelt hat. Natürlich wird Schröders Schwangerschaft jetzt propagandistisch ausgeschlachtet, und das ist ätzend. Aber: Allein die Tatsache, dass sie heute propagandistisch ausgeschlachtet werden kann, ist ein Grund, sich zu freuen. Es ist der Beweis, dass etwas anders geworden ist.
Sicher, da gibt es noch die ein oder andere offene Frage. An erster Stelle natürlich die, wie Schröder darauf kommt, zu behaupten, sie hätte jetzt dieselben Hindernisse zu überwinden, wie alle Frauen, die berufstätig sein und Kinder haben wollen. Hat sie natürlich nicht. Sie ist privilegiert, sie hat viel Geld, sie hat viel mehr Möglichkeiten.
Und sicher, es besteht die Gefahr, dass in dem nicht sehr unwahrscheinlichen (aber keineswegs sicheren) Fall, dass es ihr und Andrea Nahles gelingt, ihre Parteikarrieren ohne großen Bruch fortzusetzen, dieser Erfolg zulasten von anderen Frauen ausgeschlachtet werden könnte, nach dem Motto: Seht ihr, geht doch, worüber beschwert ihr euch denn noch.
Und sicher, ein Wickeltisch im Parteibüro macht noch keine familienpolitische Revolution. Und wahrscheinlich gibt es noch etwa zweihundert andere kritische Fragen, die in dem Zusammenhang gestellt werden müssen.
Keine Sorge, die werden schon gestellt. In diesem Blog ganz sicher, und bestimmt auch an vielen anderen Orten. Aber man muss ja nicht immer alles gleichzeitig machen. Heute jedenfalls freu ich mich erst mal.


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