Genau zehn Jahre ist es her, da schrieb Frank Schirrmacher seinen viel diskutierten Artikel „Männerdämmerung“ und sagte eine Übernahme der „Bewusstseinsindustrie“ durch die Frauen voraus: Von Sabine Christiansen bis Elke Heidenreich – in deutschen Medien gehe ohne Frauen bald gar nichts mehr, prophezeite Schirrmacher.
Passiert ist genau das Gegenteil: Die Medien sind so männerdominiert wie kaum noch eine andere gesellschaftliche Organisation. 98 Prozent Männeranteil in den Chefredaktionen von Tages- und Wochenzeitungen, das ist eine Dominanz wie im 19. Jahrhundert, vor der Frauenemanzipation. Beim Fernsehen, Online-Medien und Radio ist es nicht ganz so krass, aber auch da sind mehr als 80 Prozent der Redaktionen von Männern geleitet.
Dass das Problem ein generelles ist und nicht nur die obersten Führungsspitzen der Medien betrifft, zeigt nun das Programm der Medientage München im Oktober, die laut Programm „der bedeutendste Treff der Medien- und Kommunikationsbranche in Europa“ sein wollen: 82 bis 84 Prozent Männeranteil bei den Mitwirkenden ist ein deutlicher Befund. Wie gehen wir damit um?
Der Verein Pro Quote setzt sich für 30 Prozent Frauenanteil in den Chefredaktionen ein. Ich selbst sehe das skeptischer. Erstens sind 30 Prozent Frauenanteil immer noch eine Männerdominanz von mehr als zwei Dritteln, außerdem sind Quoten eh nur Scheinlösungen, die das eigentliche Problem eher verschleiern als beheben. Habe ich hier zu gebloggt.
Mein Weg wäre eher, diese eklatante Differenz offen zu thematisieren. Unsere Medien, diejenigen, die für sich beanspruchen, „Qualitätsjournalismus“ zu machen und zu definieren, sind keine Institutionen, die für die Gesamtheit der Gesellschaft sprechen. Es sind Männermedien, nicht, weil sie Frauen explizit ausschließen würden, sondern weil sie faktisch ohne Frauen auskommen und sich – wie aus dem Konzept der Medientage ganz offensichtlich wird – in ihrer Selbstanalyse auch für die Ansichten von Frauen nicht interessieren.
Und es ist ja nicht so, als ob sich diese Männerdominanz nicht auswirken würde. Es gibt in diesen Medien so gut wie keine Sachkenntnis in Hinblick auf die Geschlechterdifferenz, über Frauen und weibliche Freiheit wird fast immer unter Rückgriff auf dumme Klischees berichtet, Feminismus kommt praktisch in der Berichterstattung nicht vor, schon gar nicht dessen neuere Entwicklungen und Forschungsergebnisse (als Ersatz wird Alice Schwarzer als Dauergast eingeladen), die Verwendung des generischen Maskulinums ist gängiger Usus und gilt ungebrochen als „professionell“ und alternativlos, und es herrschen keinerlei Skrupel, offen sexistische oder frauenfeindliche Werbung zu verbreiten oder sogar selbst solche Beiträge zu produzieren.
Diese Medien, so sehe ich es, sind kaputt, und zwar unrettbar. Sie gehen mich, da ich eine Frau bin, nur bedingt etwas an. Sie haben keine Autorität, mir die Welt zu erklären, weil sie die Welt, die mich interessiert, überhaupt nicht kennen. Es gibt ganz hin und wieder auch mal was anderes, aber das muss man suchen wie die Nadel im Heuhaufen.
Es hat aus meiner Sicht keinen Zweck, da noch Energie reinzustecken.
Stattdessen greife ich lieber eine Formel auf, die die italienischen Diotima-Phiosophinnen im Anschluss an eine Einladung von Carla Lonzi diskutieren, die sagte: „Die Differenz der Frauen besteht aus Jahrtausenden ihrer Abwesenheit von der Geschichte. Profitieren wir von dieser Abwesenheit.“
Dass die derzeitigen Medien viele grundsätzliche Probleme und Schwächen haben, ist ja offensichtlich, und das betrifft nicht nur ihre fehlende Sachkenntnis im Bezug auf Feminismus und Geschlechterdifferenz. Die Abwesenheit der Frauen ist nicht das eigentliche Problem, sondern nur ein Symptom für tiefer gehende Probleme, und dabei ist es egal, ob diese Abwesenheit durch einen Ausschluss der Frauen seitens der Männer verursacht ist, oder durch ein Desinteresse seitens der Frauen.
Dass Frauen bei den derzeitigen, noch aus dem Patriarchat stammenden Medien nicht so viele Eisen im Feuer haben wie Männer, ist aus meiner Sicht eine Chance. Umso freier sind wir nämlich, ganz unabhängig davon, was dort als „normal“ oder „selbstverständlich“ gilt, darüber nachzudenken, wie gesellschaftliche Kommunikation, Information, Transparenz, Auseinandersetzung, Debatte und Analyse unter postpatriarchalen Vorzeichen organisiert werden kann.
Männer, die das auch interessiert, können natürlich gerne mitmachen. Und den klassischen Medien schauen wir derweil beim Sterben zu. Nicht hämisch, bloß gleichgültig.

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